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DIE GLÜCKSJÄGER: Blind und taub auf Mörderjagd

Gene Wilder und Richard Pryor waren zusammen schon 1976 in TRANS-AMERIKA-EXPRESS und 1980 in ZWEI WAHNSINNIG STARKE TYPEN sehr erfolgreich als ungleiches Komik-Duo aufgetreten – und eigentlich hätte ihre Zusammenarbeit auch bald fortgesetzt werden sollen. Dann aber setzte sich Pryor im Kokainrausch selber in Brand und brauchte einige Zeit zur Genesung; Gene Wilder drehte in der Zwischenzeit DER GEISTERFLIEGER HANKY PANKY, bei dem die angeblich für Pryor vorgesehene Rolle stattdessen auf die Komikerin Gilda Radner umgemünzt wurde. Erst 1989 kamen Pryor und Wilder wieder zusammen – und zwar für die Actionkomödie DIE GLÜCKSJÄGER, in der ein Tauber (Wilder) und ein Blinder (Pryor) in einen Mordfall geraten und trotz ihrer Handicaps auf der Flucht vor der Polizei versuchen müssen, den Fall selber aufzuklären.

Die Prämisse ist witzig – Dave, der taube Kioskbesitzer (der sich nur mit anderen unterhalten kann, weil er Lippen lesen kann), stand mit dem Rücken zum Mordopfer und hat daher nichts mitgekriegt; nur die Beine der davonlaufenden Killerin hat er gesehen. Wally, sein blinder Assistent, hat dafür nur den Schuß gehört und das Parfüm der Todesschützin gerochen. Und so müssen beide den Film über stets zusammenarbeiten, um ihre jeweiligen Defizite auszugleichen – und das auf teils absurdeste Art und Weise: Irgendwann muß der mit Handschellen gefesselte Dave dem blinden Wally Fahrinstruktionen in einer Verfolgungsjagd geben, weil er ja selber nicht ans Steuer greifen kann.

Der blinde Wally (Richard Pryor) kann die Killerin (Joan Severance) immerhin am Geruch ihres Parfüms identifizieren.

Daß die Story trotz pfiffiger Ausgangsidee größtenteils hanebüchen ist und wild konstruiert wurde, kann man wohl schon im Vorspann daran sehen, daß insgesamt sechs Drehbuchautoren involviert waren. Einer davon war Gene Wilder selbst, der darauf bestand, am Skript herumwerkeln zu dürfen, bevor er für die Hauptrolle zusagte. Zu seinem Beitrag zählen dann vermutlich auch die kleinen zwischenmenschlichen Momente, die zu den besten des Films gehören – wie zum Beispiel eine anfängliche Sequenz, wo sich zwischen Wally und Dave eine Freundschaft entwickelt, und Dave von seiner Ex-Frau redet: „One day, my wife turned into this remarkable creature that could sit on the end of a broom stick and take off. She could actually achieve flight.“

Überhaupt sind Pryor und Wilder der Hauptgrund, sich den Film anzusehen. Der Krimipart ist lahm, die Actionsequenzen nett gemacht, aber von der Stange – und freilich sind sowohl die Gangster (darunter ein junger Kevin Spacey!) wie auch die Polizisten (angeführt vom wunderbaren Alan North) einfach zu blöd, um hier je der Sache ein realistisch schnelles Ende zu bereiten. Aber dessen ungeachtet sind die beiden Stars mit vollem Eifer bei der Sache: Ihr Zusammenspiel ist Gold wert, sie glänzen mit perfektem Timing und schaffen es, die sonst wenig bemerkenswerte Geschichte mit Witz, Absurditäten, Menschlichkeit und einer kleinen Prise Gefühl anzureichern. Ob die beiden sich schelmisch Eistüten an den Kopf kleben, auf einem Kongreß zur Tarnung Professoren spielen oder darüber reden, wie sie trotz ihrer Behinderungen ein ganz normales Leben führen wollen – dank dem sanftmütigen Wilder und dem ständig herumfluchenden Pryor hat DIE GLÜCKSJÄGER eine Menge Herz und Humor. Und wenn Wally irgendwo in den Sümpfen damit angibt, daß er niemanden braucht im Leben, und Dave ihn dann einfach wütend stehenläßt, dann vermittelt der hilflos auf den Knien durch den Matsch kriechende Pryor einem auch ein wenig, daß ein Handicap an und für sich wohl nicht so schwer wiegt, wie zugeben zu müssen, daß man auf etwas Hilfe angewiesen ist.

Der taube Dave (Gene Wilder) kann der Polizei leider keine Beschreibung der Täterin liefern –
außer, daß sie schöne Beine hat …

Wie schon bei TRANS-AMERIKA-EXPRESS und ZWEI WAHNSINNIG STARKE TYPEN zeigten sich die Kritiker auch bei DIE GLÜCKSJÄGER (der im Original übrigens den viel schöneren, aber freilich schwer zu übersetzenden Titel SEE NO EVIL, HEAR NO EVIL trägt) sehr verhalten. Es änderte nichts am Erfolg des Unterfangens: Der Film schaffte es bis auf Platz 1 der Kinocharts, wo er auch zwei Wochen lang blieb. Und über die Jahre hinweg hat er sich auch eine Anhängerschaft bewahrt: Der Plot mag vernachlässigbar sein, aber Wilder und Pryor sind eben einfach zu vergnüglich. Schade, daß das nicht auch über ihren letzten gemeinsamen Film DAS ANDERE ICH von 1991 gesagt werden kann – aber über den berichten wir ein anderes Mal …

Mehr über Gene Wilders Filme und Bücher auf Wilsons Dachboden:
CHARLIE UND DIE SCHOKOLADENFABRIK (1971)
ZWEI WAHNSINNIG STARKE TYPEN (1980)
ZWEI WAHNSINNIG STARKE TYPEN – Soundtrack
DER GEISTERFLIEGER HANKY PANKY (1982)
DAS ANDERE ICH (1991)
KISS ME LIKE A STRANGER – MY SEARCH FOR LOVE AND ART (2005)
MY FRENCH WHORE – A LOVE STORY (2007)



Die Glücksjäger (USA 1989)
Originaltitel: See No Evil, Hear No Evil
Regie: Arthur Hiller
Buch: Earl Barret, Arne Sultan, Marvin Worth, Eliot Wald, Andrew Kurtzman, Gene Wilder
Kamera: Victor J. Kemper
Musik: Stewart Copeland
Darsteller: Richard Pryor, Gene Wilder, Joan Severance, Kevin Spacey, Alan North, Anthony Zerbe

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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