Computerspielern ist Richard Garriott alias „Lord British“ vor allem als Schöpfer der komplexen ULTIMA-Rollenspielreihe und als Online-Multiplayer-Pionier mit dem Ableger ULTIMA ONLINE bekannt. Berühmt ist der Mann, dessen Alter Ego auch in seinen eigenen Spielen anzutreffen ist, aber vor allem als sympathischer Exzentriker mit Taschen, die tief genug sind, um sich jeden Traum erfüllen zu können. Garriott ließ ein eigenes Schloss bauen, das mit einem Observatorium, Geheimgängen und historischen Sammlungen ausgestattet ist, er tauchte zum Wrack der Titanic herab – und er buchte für schlanke $30 Millionen einen Flug ins Weltall. Und das war nicht etwa ein kurzer Aufenthalt von ein paar Minuten: Insgesamt zwölf Tage verbrachte er dort, zehn davon auf der Raumstation ISS. „Richard gibt sein Geld besser als jeder andere aus“, sagt jemand in der Doku MAN ON A MISSION, und das mag man debattieren – aber gemeint ist natürlich: Er verwendet es auf spannende Erlebnisse. Wo andere sich Luxus noch und nöcher gönnen, benutzt Garriott seinen Reichtum, um sich neue Welten anzusehen.
Genau der Trip ins All ist es, von dem MAN ON A MISSION erzählt (der Untertitel lautet „Richard Garriott’s Road to the Stars“). Der ist nämlich, wie die Doku gleich zu Beginn festhält, gewissermaßen Familienangelegenheit: Garriotts Vater Owen war NASA-Astronaut und einer der ersten Wissenschaftler, die im All gearbeitet haben. Dementsprechend wollte Richard Garriott schon als Junge ebenso in den Weltraum reisen, aber dank seiner Kurzsichtigkeit wäre er bei der NASA nie durch die Eignungstests gekommen. Also investierte er, sobald er mit seinen Spielen finanzielle Erfolge hatte, unter anderem in Firmen, die private Weltraumflüge vorantrieben – und hatte dann 2008 Gelegenheit, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, der bei den Vorbereitungen tatsächlich auch involviert war. (Beim selben Flug gab es auch auf russischer Seite ein generationenübergreifendes Gespann: Garriotts Reisegefährte Sergei Wolkow ist der Sohn des Kosmonauten Alexander Wolkow, der auf drei Flügen insgesamt 391 Tage im All verbrachte.)

Viel Zeit wird in der Doku zunächst auf die Vorbereitungen verwendet, die weitaus umfangreicher sind, als man sich das vorstellt. Das monatelange Training für die von der Firma Space Adventures organisierten Mission fand in Russland statt, der Start war im Kosmodrom Baikonur in Kasachstan. Die Raumfahrer werden dort ausführlichen Gesundheitstests unterzogen, ihre Reaktionen im Fliehkraftsimulator werden beobachtet, Maßnahmen in Notfällen wie einem Sauerstoffverlust werden gedrillt. Dazu kommen Übungen, die man zunächst gar nicht vermuten würde: Weil die Kapsel, die die Astronauten zurück zur Erde bringt, an ganz unvorhergesehenen Orten wie dem Ozean oder in den Wäldern landen könnte, lernen die Raumfahrer auch beispielsweise Überlebenstechniken wie Feuermachen. Ach ja, und nachdem ja alles in Russland stattfindet, machen sie auch gleich Russischkurse. Einer der Astronauten sagt in der Doku, dass das der schwerste Part war.
Der richtig spannende Teil beginnt dann aber nach dem Start. Hier ist selbstverständlich kein Kamerateam mehr im Einsatz, stattdessen sehen wir hauptsächlich von Garriott selbst gefilmte Eindrücke des Lebens im All. An einer Stelle demonstriert er, wie man aufgrund der Schwerelosigkeit schnell aufhört, zwischen Fußboden, Decke und Wänden zu unterscheiden: Er springt und dreht sich einfach kopfüber zu dem, was eben noch die Decke ist, und marschiert über zwei andere Astronauten drüber, die an einer Stelle sitzen und miteinander reden. Sein Schlafsack ist an eine Wand geschnallt (oder doch an den Boden?), beim Zähneputzen wird das ausgespülte Wasser in ein kleines Plastiksäckchen gespuckt, damit es nicht einfach durch die Luft fliegt. Faszinierend ist, wie unaufgeräumt die Räumlichkeiten der ISS wirken – Garriott vergleicht die Aufteilung zwischen dem geräumigeren, heller beleuchteten amerikanischen Part und den engeren, dunkleren russischen Teilen der Station prompt mit dem Film METROPOLIS. Mit einigen Tätigkeiten knüpft Garriott an die Arbeit des Vaters an: Beispielsweise macht er Photos von der Erdoberfläche, die dann solchen gegenübergestellt werden, die sein Vater in den Siebzigern aufgenommen hat, und außerdem bringt er einen Behälter mit RNA-Molekülen mit, die zu Studienzwecken im Weltraum kristallisieren sollen. Und weil Garriott eine kreative Ader hat, inszeniert er auch nebenbei noch die erste Kunstausstellung im Weltall (hauptsächlich mit Bildern, die seine Mutter gemalt hat), und einen eigenen kleinen Kurzfilm hat er auch noch gedreht (APOGEE OF FEAR, ein kleiner SciFi-Spaß, der als Bonus auf der DVD enthalten ist – und für den er sich, warum auch nicht, ein Drehbuch von „Drachenlanze“-Autor Tracy Hickman schreiben ließ).

Wer sich eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Weltraumtourismus erhofft, ist bei MAN ON A MISSION natürlich fehl am Platze: Garriott erzählt als überzeugter Prophet des menschlichen Expeditionsdrangs von Möglichkeiten und Zukunftsvisionen, aber die Doku bleibt ganz bei ihm und seinen Erfahrungen. Man würde sich manchmal dabei wünschen, dass die persönliche Ebene noch etwas stärker untersucht wird – immerhin eifert da ein Junge unter unvorstellbarem Aufwand dem Vater nach –, aber das schwingt nur beiläufig mit. Wenn Garriott beispielsweise auf der ISS am Funkgerät sitzt und mit seinem Vater auf der Erde spricht, ist das ein starker, intimer Moment: Owen Garriott, so erklärt Richard, war damals der erste Astronaut, der ein Amateurfunkgerät mit ins Weltall nahm.
Überall merkt man, dass sich hier jemand einen Kindheitstraum erfüllt und deswegen das ganze Erlebnis mit staunenden Augen betrachtet. Dieser Blick ist es letztlich auch, mit dem nicht nur die Doku MAN ON A MISSION, sondern auch Garriotts ganzes Unterfangen Resonanz erzeugt: Er erinnert uns daran, dass die Welt auch zum Staunen einlädt – und das vielleicht nicht nur, wenn man $30 Million auf der hohen Kante hat.
Man on a Mission: Richard Garriott’s Road to the Stars (USA 2010)
Regie: Mike Woolf
Kamera: Andrew Yates
Musik: Brian Satterwhite & John Constant