[Film] Zwei wahnsinnig starke Typen (1980)

Uncategorized / 6. Januar 2013

Nachdem die Komiker Gene Wilder und Richard Pryor schon 1976 in der Krimikomödie TRANS-AMERIKA-EXPRESS höchst kassenträchtig aufeinandergetroffen waren, legten sie vier Jahre später mit ZWEI WAHNSINNIG STARKE TYPEN (im Original: STIR CRAZY) nach. Unter der Regie von Sidney Poitier spielten sie zwei arbeitslose New Yorker – der eine Autor, der andere Schauspieler – die auf der Suche nach ihrem Glück in den Südstaaten fälschlicherweise für ein Bankräuberduo gehalten werden und deshalb zu einer Gefängnisstrafe von jeweils 125 Jahren verdonnert werden. Einer der beiden entpuppt sich aber als talentierter Rodeoreiter, weshalb die Jungs die anstehende Gefängnisrodeomeisterschaft zu einem Ausbruchsversuch nutzen wollen …

Wie so oft ist die Geschichte freilich nur ein Vehikel, um die beiden Stars in möglichst viele witzige Situationen zu bringen. Das funktioniert auch über weite Strecken – wobei sich doch die Frage im Hinterkopf rührt, wie der Film wohl ausgesehen haben könnte, wenn der ganze Gefängnisplot gestrichen worden wäre und sich die Story rein auf die glücklose Odyssey dieser beiden Freunde konzentriert hätte. Die Dynamik der beiden Figuren trägt nämlich gerade zu Anfang sehr viel vom Film – der eine (Gene Wilder) ein hoffnungsloser Idealist und Träumer, der mit freudestrahlender Naivität stets vom Besten ausgeht, und der andere (Richard Pryor) ein abgeklärter Realist, der sich am liebsten aus allem heraushält. Aber dann geraten diese Charaktere zugunsten des Ausbruchsplots ins Hintertreffen – und auch wenn es interessant sein mag, daß Poitier hier mit mehreren Genres jongliert (Komödie, Gefängnisdrama, Buddy Movie, Krimi) und dabei eine gute Balance im Tonfall schafft, bleibt doch der Gedanke, daß eine reine Komödie um diese beiden Glücksjäger eine lohnenswertere Geschichte abgeworfen hätte.

Was nicht heißen soll, daß STIR CRAZY eine reizlose Angelegenheit wäre: Ganz im Gegenteil. Es ist durch die Bank vergnüglich, den beiden Hauptdarstellern zuzusehen – Timing und Chemie zwischen den beiden sitzen perfekt, und beide kitzeln aus allen Situationen jede Menge Witz heraus. Großartig und vielzitiert ist da zum Beispiel eine Szene, wo die zwei zum ersten Mal ins Gefängnis kommen und versuchen, möglichst tough zu wirken – was natürlich unglaublich aufgesetzt und albern aussieht. Wunderbar auch die ausgedehnte Sequenz, in der der Gefängnisdirektor Wilder davon überzeugen will, als Rodeoreiter am Wettbewerb teilzunehmen, und ihn dafür mit Strafen wie Einzelhaft oder einer Dunkelzelle weichzukochen versucht – aber Wilder zeigt sich stets unbeeindruckt („Ach, dürfte ich noch einen Tag? Seien Sie ein Kumpel!“). Und quer durch den Film ist es immer wieder hochamüsant, wie Gene Wilder mit großen Augen und wenig Sinn für Realität seine Situation bestaunt („Das ist fantastisch!“).

Im letzten Drittel werden die Lacher dann weniger, weil der Film mehr Zeit mit dem Ausbruch und dem Rodeo verbringt – das ist nicht unbedingt langweilig, aber auch nicht bahnbrechend sensationell. Zumal die Handlung nebenher schon sehr konstruiert aufgelöst wird: Eine Anwältin geht einem Hinweis nach, weil ein kleines Mädchen bei dem Banküberfall ein Tattoo auf der Hand eines Täters gesehen haben will – und dafür schleust sie sich in einen lokalen Stripclub ein (vollständig bekleidet, wohlbemerkt – nur die restliche Belegschaft zieht blank), bis ihr die beiden echten Täter unterkommen. Ach, wer beschwert sich schon angesichts schöner Schauwerte über fadenscheinige Nebenhandlungen?

Kein Wunder also, daß der Film von den Kritikern großteils eher durchwachsen aufgenommen wurde und gleichzeitig aber so viel Publikum fand, daß er über $100 Mio. einspielte (übrigens der erste Film eines schwarzen Regisseurs, der das schaffte!): Nüchtern betrachtet gäbe es genug auszusetzen an dem letztlich belanglosen Werk, aber dennoch ist die Sache dank der Hauptdarsteller einfach viel zu witzig anzusehen, als daß man sie deswegen meiden sollte.

Mehr über Gene Wilders Filme und Bücher auf Wilsons Dachboden:
CHARLIE UND DIE SCHOKOLADENFABRIK (1971)
ZWEI WAHNSINNIG STARKE TYPEN – Soundtrack DER GEISTERFLIEGER HANKY PANKY (1982)
DIE GLÜCKSJÄGER (1989)
DAS ANDERE ICH (1991)
KISS ME LIKE A STRANGER – MY SEARCH FOR LOVE AND ART (2005)
MY FRENCH WHORE – A LOVE STORY (2007)



Zwei wahnsinnig starke Typen (USA 1980)
Originaltitel: Stir Crazy
Regie: Sidney Poitier
Buch: Bruce Jay Friedman
Kamera: Fred Schuler
Musik: Tom Scott
Darsteller: Gene Wilder, Richard Pryor, Georg Stanford Brown, JoBeth Williams, Miguel Ángel Suárez, Craig T. Nelson, Barry Corbin, Charles Weldon, Erland Van Lidth De Jeude, Franklyn Ajaye, Lee Purcell, Tony Burton

—————–
4 8 15 16 23 42






Avatar-Foto
Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, handelte von einem Schriftsteller, der eine junge Frau entführt, weil er sie als Inspiration für sein Buch braucht. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, unter anderem für Film & TV Kamera, Celluloid, GMX, den All-Music Guide, 35 Millimeter, Neon Zombie und Salzburger Nachrichten. Er hält Vorträge zu Filmthemen und kuratierte 2014 an der Universität Salzburg eine Filmreihe zum Thema "Erster Weltkrieg".





You might also like