Rapper auf dem Egotrip
Snoop Doggs neuntes Soloalbum ist kein kompletter Alleinflug, aber viel Ego ist durchaus im Spiel.
Ach ja, Musik macht der ja auch. Snoop Dogg ist in der Medienwelt so omnipräsent geworden – als Nebendarsteller in B-Movies, als abstruser Roy-Black-Klon in Handywerbespots, als er selbst in unzähligen TV-Auftritten – daß es fast überrascht, daß jetzt mit EGO TRIPPIN‘ sein neuntes Album (nach seiner eigenen Zählung) erscheint. Aber natürlich ist Snoop Dogg hauptberuflich Rapper, und um das zu unterstreichen, war das ursprüngliche Konzept von EGO TRIPPIN‘ so angelegt, daß er ohne Gastauftritte und Mitwirkung prominenter Kollegen sich wieder als Einzelkraft im Musikgeschehen präsentiert. Irgendwo bei den Aufnahmen muß das Konzept dann aber in Vergessenheit geraten sein, weswegen sich jetzt mit Jamie Foxx, Charlie Wilson, Raphael Siddiq, The Neptunes, Too $hort und anderen Musikern durchaus namhafte Co-Stars und Produzenten auf der Platte tummeln. Was soll’s, wird sich Snoop gedacht haben – das Ego ist ja trotzdem groß genug, da können wir den Titel ruhig beibehalten.
Über weite Strecken ist der Zusammenschluß von Snoop Dogg, DJ Quik und New-Jack-Swing-Veteran Teddy Riley für die Musik auf EGO TRIPPIN‘ verantwortlich – und die kann sich im Großen und Ganzen auch wirklich sehen (bzw. hören) lassen. Dicke, aber rhythmisch clever eingesetzte Beats, hier ein wenig Anleihen bei Seventies-Soul und -Funk, dort ein wenig modernere Spielereien wie verzerrte Stimmen, mal flott, mal balladesk, und gelegentlich singt Snoop sogar. Die wirkliche Stärke seiner Songs besteht aber immer noch in seinen Raps, in seiner ganz unaufgeregten, weichen und unverkennbaren Stimme, mit der er in seinem ganz eigenen Rhythmus die Beats akzentuiert, um sie herumtänzelt und sich von ihnen treiben läßt. Wen kratzt es da schon, daß er immer mal wieder mit ganz dicker Hose dasteht und von seinem aufregenden Hollywood-Leben, von den ganzen Mädels und seiner intrinsischen Großartigkeit berichtet? Wenigstens macht er das mit leisem Augenzwinkern.
Der volle Erfolg ist EGO TRIPPIN‘ dann aber doch nicht. Das Album ist ganz einfach viel zu lang, und nachdem es dann viel zu lange gelaufen ist, kommen noch ein paar Songs. Es hört einfach nie auf. Das wäre weniger problematisch, wenn alle 21 (!) Songs auf den 78 Minuten Spielzeit halbwegs Geniestreiche wären – aber natürlich sind sie das nicht, und so findet sich eine ganze Menge Füllmaterial zwischen den Perlen. Am besten ist der minimalistisch-abstrakte „Gangster Like Me“, dann kommt in der Mitte das straight groovende 80’s-Disco-Pop-Cover „Cool“, die spannende Neptunes-Frickelei „Sets Up“, und das schön alberne „Deez Hollywood Nights“. Auch das quer aus den Boxen drückende „Staxxx in My Jeans“ gefällt. Irgendwo kommt dann sogar ein Ausflug ins Countryfach („My Medicine“, gewidmet Johnny Cash, einem „real American gangster“), aber dazwischen ist immer wieder soviel gerade mal adäquat hörbares, daß es ermüdend wirkt. Die Nummer-1-Single „Sexual Eruption“ (in der braven Version auch „Sensual Seduction“ genannt) ist wenig erbaulich, sondern nervt mit nöligem Cher-Vocoder, und bis man dann irgendwann bei dem starken Soul von Track 21, „Can’t Say Goodbye“ (offenkundig!) angelangt ist, ist die Aufmerksamkeit natürlich schon lange weg.
Aber gut, man kann sich das Ganze ja einteilen und die Rosinen herauspicken. Uns hätte es freilich trotzdem besser gefallen, wenn das Album als eine Einheit funktioniert. Egal: Snoop darf weiterrappen, ob nun mit einem Ego oder mit mehreren.
Dieser Text erschien zuerst am 12.6.2008 bei meinSalzburg/Salzburger Nachrichten.
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