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[Musik] Hellyeah (2007)

Ein Seitenprojekt mit Mitgliedern aus Mudvayne, Pantera und Nothingface: Hellyeah rocken ganz schnörkellos das Haus.

Das sogenannte „Seitenprojekt“ ist ja ein rein musikalisches Phänomen – da haben Musiker zuviel Zeit, andere Interessen oder eventuell mehr Mitteilungsbedürfnis als ihre Bandkollegen, und schon entsteht ein Seitenprojekt, oder zwei, oder drei. Woanders ginge man wahrscheinlich einfach davon aus, daß die Verantwortlichen bei der Arbeit schlichtweg nicht ausgelastet sind – „Ich arbeite beim Magistrat, aber als Seitenprojekt bin ich noch Kassierer im Hofer“ – aber Musiker ist eben kein 08/15-Job, und wenn sich im Kopf mehr Musik formt, als man mit den Menschen, die zum „Hauptprojekt“ gehören, verarbeiten kann, dann ist es ja durchaus legitim, sich andere Ventile zu suchen bzw. zu schaffen.

2003 waren die Nu-Metal-Prog-Gesellen Mudvayne mit den In-Grund-und-Boden-Thrashern Nothingface auf Tournee, und da haben sie sich nicht nur angefreundet, sondern auch nebenher ein wenig Musik gemacht. Schnell entstand ein Zusammenschluß namens Hellyeah, in dem zwei Mudvayner (Sänger Chad Gray und Gitarrist Greg Tibbett) mit zwei Nothingfacern (Gitarrist Tom Maxwell und Bassist Jerry Montano) Songs schrieben. Dank anderer Verpflichtungen – die Magistratsarbeit, quasi – hat es ein wenig gedauert, bis das Projekt spruchreif wurde, aber dann haben sich die Jungs Pantera-/Damageplan-Drummer Vinnie Paul dazugeholt und mal eben ein Album aufgenommen. Und das klingt – potzblitz! – wie eine Schnittmenge aus den drei Bands: musikalisch etwas weniger komplex als Mudvayne, ohne die irrsinnige Unberechenbarkeit von Nothingface, und ohne die durchweg unnachgiebige Härte von Pantera, aber prinzipiell die gleiche Marschrichtung.

Der Großteil von HELLYEAH – die CD wurde in einem Anfall von Originalität nach der Band benannt – ist druckvoller Thrash, meist am Anschlag, mit schnellen Riffs und viel Geschrei. „Fuck the Norm“, fängt der erste Song an, „I do what I do, when I do, that’s how I like it“, und der trotzig-rebellische Gestus zieht sich durch das Album. Nur ein paar Songs bringen Abwechslung ins Spiel: „You Wouldn’t Know“ bringt mehr Dynamik in das Prozedere, „Alcohaulin‘ Ass“ ist ein staubtrockener Roots-Ausflug. Weiter hinten kommt eine echte Ballade, „Thank You“, und es ist zwar schön, daß auch harte Burschen einen weichen Kern haben, aber soviel Dankbarkeit bei so wenig musikalischer Substanz wäre dann doch nicht nötig gewesen. Der Rest? Sehr solider, sehr harter Rock, der das Rad nicht neu erfindet, aber das auch gar nicht will. Mit Chad Grays Stimme bleibt das Album immer im Orbit von Mudvayne, deren Liebhaber sich hier wohl auch wohlfühlen dürften.

Zeit für den Schlußabsatz, der sich eher problematisch gestaltet, weil mit so wenigen Worten schon alles über das Album gesagt wurde. Haben wir Hellyeah gebraucht? Nicht dringend. Offenbart das Seitenprojekt neue Facetten, neue Interessen, andere Seiten der beteiligten Musiker? Hellno. Macht die Angelegenheit Spaß? Klar. Wenn es mehr Substanz als das Hauptprojekt hätte, wäre es ja kein Seitenprojekt.
 

Dieser Text erschien zuerst am 9.5.2007 bei Fritz!/Salzburger Nachrichten.

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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