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Jon Oliva’s Pain: Maniacal Renderings (2006)

Gräßliche Schmerzen

„Das wird gar nicht wehtun“: Jon Oliva’s Pain oder Zahnschmerzen?

Es zeugt fürhin von ganz billigem Journalismus, sich über einen Titel oder einen Namen lustig zu machen. Aber ganz ehrlich: Wenn uns das Album schon per Bandname ganz gräßliche Schmerzen androht, muß es sich um eine Ausnahme handeln. Und in der Tat – die neue CD von Jon Oliva’s Pain, einem Nebenprojekt eines Savatage-Mannen, heißt MANIACAL RENDERINGS und ist so schmerzhaft anzuhören, wie der Bandname suggeriert.

Wer den grausamen Schweinemetal, den Olivas Kumpanen hier so krachledern durch die Scheune klopfen, daß man das schale Bier beinahe riechen kann, von vorn bis hinten durchsteht, dem dürften schon ein paar Nervenenden abgestorben sein. Die altbackenen Riffs werden von pseudo-orchestralen Synthsounds umzäunt, als gälte es, die Zuhörer zur Kollekte für teurere Keyboards zu bitten. Oliva selber presst sich und sein Organ durch Texte, die jeder 14jährige Frontmann jeder beliebigen Amateurband schon mal geschrieben hat – hier darf man noch „Pain“ auf „My brain“ reimen – und röhrt wie eine rostige Fliegersirene. Ganz schlimm wird es, wenn nachdenkliche Töne angeschlagen werden und Oliva zu Akustikpiano und Chor-Samples singt. Ohne Übertreibung: Bei diesem Album versteht man, warum Metal so oft ein vom durchschnittlichen Hörer verachtetes Nischendasein fristet.

Die Promo-CD ist dankenswerterweise mit einer ausufernden Lobeshymne ausgestattet, die uns in engster 6-Punkt-Schrift den Künstler Jon Oliva näherbringen soll. ER ist eine Legende, ein Visionär, ein Komponist, ein Vollblutmusiker, ER ist ein irre netter Kerl, und ER kann sicher auch über das Wasser wandeln, wenn IHM nur endlich jemand die Brücke zeigen würde. ER wird auch weiterhin Musik machen, egal, ob WIR zuhören oder nicht. Ganz klar: Wer dafür bezahlt wird, findet Oliva gut. Zum Glück gibt es uns unbestechliche Fritz-Autoren, die wir unter Hungerlohn stets der Wahrheit auf der Spur sind und die Schmerz-CD als das identifizieren, was sie ist: Ein Trauerspiel.

Etwaige Savatage-Fans dürfen in der Kommentarsektion gerne Spuren hinterlassen.
 

Dieser Text erschien zuerst am 11.9.2006 bei Fritz!/Salzburger Nachrichten.
 
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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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