DER LETZTE HAREM: Schöne Frauen und vornehme Tristesse

Film / Wühlkiste / 16. Juli 2014

Ex-Bond liebt Ex-Bond-Girl … und viele andere Frauen: Auf dem deutschen VHS-Cover zu Sergio Garrones Schmusedrama DER LETZTE HAREM steht George Lazenby, 1969 Connery-Nachfolger im Bond-Film IM GEHEIMDIENST IHRER MAJESTÄT, umringt von zahlreichen schnuckeligen und spärlich bekleideten Damen. Ganz anders als im Film selbst, wo die zahlreichen schnuckeligen und spärlich bekleideten Damen die meiste Zeit ohne Lazenby herumstehen, weil sie in seinem Harem leben und frustriert sind, weil er sie alle vernachlässigt.

Harem? Aber hallo! Lazenby spielt in dieser Verfilmung eines Romans von Alberto Vázquez Figueroa den reichen Prinz Almalarik, der sich einen üppigen Harem voll schöner Frauen hält. Denen mangelt es an gar nichts – außer vielleicht an Almalariks Zuneigung, sobald er eine neue Flamme hat, und an Freiheit, weil sie beim Fluchtversuch aus dem Harem bestraft und eventuell sogar exekutiert werden. Eine der Frauen, Sara, liebt Almalarik ganz besonders – so sehr, daß er sich sogar überlegt, dafür den Harem aufzulösen und monogam zu werden. Aber Sara wird hinterrücks ermordet, und niemand weiß, welche der anderen Frauen es getan haben könnte …

Die Geschichte mag wie ein Krimi klingen, aber tatsächlich – obwohl sich später sogar ein weiteres Attentat abzeichnet – nimmt das Mysterium um den Mörder hier einen Platz in den allerhintersten Sitzreihen ein. Die Geschichte ist verschachtelt erzählt, über diverse Rückblenden und Erzählungen, eingebettet in einen Fernsehbericht, ohne klare Hauptfigur – aber letztlich geht es hauptsächlich darum, daß sich die Frauen im Harem gefangen fühlen, während Prinz Almalarik seine Sara im Wüstensand vergräbt, sich dann in der Wüste verirrt und letztlich zu sich selbst findet. Aus sowas könnte ein Melodram werden oder eine Betrachtung der Machtstrukturen zwischen Mann und Frau im mittleren Osten – aber Garrone und seine Produzenten dürften sich stattdessen gedacht haben, daß es bei so vielen feschen Frauen doch irgendwie Verschwendung wäre, wenn sie nicht doch einen Softsexstreifen drehen.

Und wen der Prinz bzw. die Produzenten da so alles herangeschleppt haben! Da wäre zunächst mal als Sara (die zwar zu Beginn schon das Zeitliche segnet, aber in diversen Rückblenden auftaucht) die Französin Corinne Cléry, die mit Just Jaeckins GESCHICHTE DER O bekannt wurde und 1979 in MOONRAKER als Bond-Girl auftauchte. Dann ist die Italienerin Daniela Poggi dabei, die 1980 das Cover des Playboy zierte und in einigen der seinerzeit so populären Italo-Sexkomödien auftauchte. Als Griechin – warum auch nicht – spielt die Spanierin María Kosty mit, die zuvor diverse Horrorfilme von Amando de Ossorio und Leon Klimovsky drehte (unter anderem DAS BLUTGERICHT DER REITENDEN LEICHEN und BLUTRAUSCH DER ZOMBIES).

Reicht noch nicht? Also bitte: Unter dem Namen „Ursula Fellner“ spielt Ursula Buchfellner mit, Playmate des Monats Oktober 1979, die mit Lisa-Film-Streifen wie POPCORN UND HIMBEEREIS und COLA, CANDY, CHOCOLATE bekannt wurde und später auch zwei Jess-Franco-Streifen drehte – JUNGFRAU UNTER KANNIBALEN und SADOMANIA – HÖLLE DER LUST. Nächste im Raum: Mirta Miller, eine Argentinierin, die unter anderem in Umberto Lenzis LABYRINTH DES SCHRECKENS und in Alfonso Brescias DIE FRAUEN, DIE MAN TÖTERINNEN NANNTE zu sehen war. Außerdem dabei: Adriana Vega, eine Spanierin, die in einer Sexklamotte mit dem unsterblichen Titel ALFREDS UNHEIMLICHE BEGEGNUNG MIT DER REIZWÄSCHE mitspielte und später in Carlos Aureds Horrorstreifen IN ANGST GEFANGEN die Hauptrolle hatte. Und als siebte im Bund ist Karin Fiedler zu sehen, die zuvor in Salvatore Bugnatellis Okkultgiallo DIABOLICAMENTE … LETIZIA spielte.

Puh. Bei einer solchen Haremsbesetzung hat George Lazenby natürlich einiges zu tun – wobei es durchaus zu verstehen wäre, wenn er gerade wegen den vielen Kolleginnen überhaupt die Rolle angenommen hätte. Ich selber würde das auch so machen (allerdings scheint mein Management alle derartigen Anfragen bislang abgeschmettert zu haben). Nun geht es ja aber in der Geschichte darum, daß Prinz Almalarik seine Frauen eher vernachlässigt, weshalb Lazenby sich nur um ein paar der Damen kümmern darf. Die anderen bespaßen sich im Zweifelsfalle gegenseitig oder laufen frustriert durch die üppigen Kulissen (vor allem Mirta Miller schaut eher sauertöpfisch und malt aus lauter Langeweile).

So sitzt DER LETZTE HAREM also ein wenig unschlüssig zwischen zwei Stühlen. Einerseits wird ein bißchen Drama aufgezogen, ein wenig Tragödie gesponnen, etwas Sinnsuche betrieben, und weil schon zu Beginn der Prinz von seinem Vater belehrt wird, daß das Haremskonzept überholt ist, hat man gerne mal das Gefühl, daß einem die Geschichte etwas sagen will – nur was? Andererseits ist der Film vor allem nach der verschachtelt aufgezogenen ersten Hälfte hauptsächlich eine Softsexphantasie, wie sie in den Siebzigern nach EMMANUELLE so beliebt war: Exotische Kulisse, Weichzeichner, säuselnde Klänge, ein wenig nackte Haut und Sinnlichkeit. Damit bleibt der hübsche Reigen so oder so etwas unbefriedigend: Er traut sich nicht, ganz Erotikfilm zu sein, und will aber auch – wohl angesichts der Gästeliste – auf den Sex nicht verzichten. Dabei wäre gerade die sinnliche Seite die, in der der Film am besten funktioniert – das Drama versprüht nämlich eher vornehme Tristesse.

Wobei es natürlich durchaus möglich ist, daß ich angesichts von Corinne, Daniela, María, Uschi, Mirta, Adriana und Karin die profunde Botschaft einfach übersehen habe. So wie George sich wohl das Skript nicht gar so genau angesehen haben dürfte.

 

 

Der letzte Harem (Italien/Deutschland/Spanien 1981)
Originaltitel: L’ultimo Harem
Alternativtitel: El ultimo harén / The Last Harem
Regie: „Willy S. Regan“ (= Sergio Garrone)
Buch: Federico G. Aicardi, Sergio Garrone, Heinz Freitag, „Alberto Vasques Figueroa“ (= Alberto Vázquez Figueroa), nach dem Roman „The Last Harem“ von Alberto Vázquez Figueroa
Kamera: Fernando Arribas
Musik: Stelvio Cipriani
Darsteller: Corinne Clery, George Lazenby, Daniela Poggi, Maria Kosty, „Ursula Fellner“ (= Ursula Buchfellner), Mirta Miller, Adriana Vega, Karin Fiedler, Peter Lamarr






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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, handelte von einem Schriftsteller, der eine junge Frau entführt, weil er sie als Inspiration für sein Buch braucht. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, unter anderem für Film & TV Kamera, Celluloid, GMX, den All-Music Guide, 35 Millimeter, Neon Zombie und Salzburger Nachrichten. Er hält Vorträge zu Filmthemen und kuratierte 2014 an der Universität Salzburg eine Filmreihe zum Thema "Erster Weltkrieg".





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