FilmRetrospektive

KILLER’S GOLD: Die gierigen Verlierer

Hier haben wir mal eine knackige kleine Genreperle, die auf Wiederentdeckung wartet: KILLER’S GOLD heißt der schöne Gangsterstreifen, der vom italienischen Regisseur Sergio Garrone Ende der Siebziger in Spanien gedreht wurde. Garrone machte sich in den Sechzigern mit harten Western wie DJANGO UND DIE BANDE DER BLUTHUNDE einen Namen und steckt als Autor unter anderem hinter dem feinen Prä-Giallo BLONDE KÖDER FÜR DEN MÖRDER, aber es dauerte nicht lange, bis sich seine Filmographie ins extreme Exploitation-Eck bewegte: Neben einer derben Sause mit dem entzückenden Titel ICH, DIE NONNE UND DIE SCHWEINEHUNDE kümmerte er sich um diverse Frauengefängnisfilme, darunter die hier schon besprochene Nazi-Nummer SS CAMP 5: WOMEN’S HELL. Der Action-Krimi KILLER’S GOLD ist ein weniger bekannter Titel seiner Laufbahn und wurde leider bislang nie auf DVD veröffentlicht.

Der Safeknacker Joseph wird von den Schergen des Gangsterbosses Morgan gefangengenommen. Joseph hätte für dessen Organisation einen Job ausführen sollen, aber weil der mißtrauische Morgan nach dem Raubzug brutale Schläger auf ihn angesetzt hat, um die Ware zu bekommen, fühlte sich Joseph seinerseits betrogen und machte sich mitsamt der Beute – immerhin $4 Millionen – aus dem Staub. Morgan will nun aus Joseph das Versteck des Raubguts herausprügeln lassen und läßt ihn dafür im Keller seines Anwesens von diversen Handlangern fertigmachen. Aber dann verbündet sich Joseph mit zwei Schlägern und mit Morgans Gangsterbraut Claudia …

KILLER’S GOLD ist ein Low-Budget-Streifen, dem das geringe Geld tatsächlich zu Gute kommt: Der dreckige Look mit wenig Licht und geringer Ausstattung paßt zum Grundton der spartanischen Geschichte. Vieles ist schnell heruntergekurbelt, aber dafür mit kreativen Schwenks und dynamischen Perspektiven inszeniert: Die Optik mag billig sein, aber sie ist liebevoll und handwerklich sauber ausgeführt. Ebenso gut funktioniert die Konzentration auf zwei Locations: Morgans Anwesen und vor allem sein Keller in der ersten Filmhälfte, die weite, felsige Wald- und Wiesenlandschaft Spaniens dann in der zweiten – aus dem Gegensatz zieht Garrone einen spannenden Reiz und gibt der Story gerade gegen Ende ein gewisses Westernflair. Letzteres spiegelt sich teilweise auch in der Musik wieder: Neben einer fantastischen Jazz-Funk-Nummer im Vorspann ist später immer wieder ein Stück mit Mundharmonika zu hören.

Die Geschichte selbst mag einfach sein – die Gier sorgt dafür, daß sich eine Gruppe Schurken nach und nach übers Ohr haut – aber sie ist interessant aufgezogen: Der Film beginnt mit der Gefangennahme Josephs, dessen Backgroundstory wir während des Verhörs nach und nach über Flashbacks erfahren. In der Figurenzeichnung ist KILLER’S GOLD durchweg schnörkellos, aber hier und da werden Elemente eingestreut, die ein Band zwischen dem Zigeuner Joseph, der ehemaligen Prostituierten Claudia und dem schwarzen Ex-Boxer Manson knüpfen: Sie alle sind Verlierer, die ihr Leben lang gegen Vorurteile und Verachtung kämpfen mußten.

Nicht zuletzt kann der Film auch mit seiner Besetzung punkten. Victor Israel (der zum Beispiel als Zombiepriester in DIE HÖLLE DER LEBENDEN TOTEN in Erinnerung geblieben ist) ist mit seinen schiefen Zähnen, dem Glasauge und dem fiesen Blick so effektiv widerlich als Gangsterboß Morgan, daß es eine wahre Freude ist – und doch tut er einem dann in einer späteren Szene fast leid. Dan Forrest (sicherlich ein Pseudonym) als Morgans rechte Hand hat, mit Verlaub, eine selten fiese Fresse. Und Max-Henri Boulois (hier einfach nur als „Max B.“ in der Besetzungsliste, da Boulois in den Siebzigern unter dem Namen „Max-B“ drei Funk-Alben veröffentlichte) ist nicht minder spannend als ehemaliger Schwergewichtsboxer Manson mit stechendem Blick und einer interessanten Zurückhaltung. Als Claudia ist die ehemalige Miss Italien 1966 zu sehen, die durchaus ansehnliche Daniela Giordano. Und Alberto Dell’Acqua in der Hauptrolle (angeführt unter seinem Pseudonym „Robert Widmark“ – nicht zu verwechseln mit Richard Widmark!) ist ein Held, der einfach ständig die Hucke voll kriegt – da Dell’Acqua auch als Stuntman arbeitete, liefert Joseph hier einige harte und gut gefilmte Kampfszenen ab.

Letzten Endes ist KILLER’S GOLD exakt das, was er sein will: Ein dreckiger kleiner Gangsterfilm mit harter Action, etwas Sex und viel Crime. Der Streifen ist ein gut gemachter schneller Schuß aus der Hüfte, der geduldig darauf wartet, daß er endlich aus dem Archiv geholt wird. Wie grandios wäre es, davon jetzt eine BluRay sehen zu können – oder doch zumindest eine anständige DVD anstelle der unscharfen, bleichen VHS-Version. Hoffen wir, daß der Film bald von einer Liebhaberfirma entdeckt und ordentlich veröffentlicht wird.

 

 

Killer’s Gold (Italien/Jugoslawien/Spanien 1979)
Alternativtitel: Das letzte Wort / Dinero maldito / Il braccio violento della mala / I miei peggiori amici
Regie: „Willy Regan“ (= Sergio Garrone)
Musik: „Vassili Kojucharov“ (= Vasili Kojucharov)
Kamera: Lorenzo Cebrian
Darsteller: „Robert Widmark“ (= Alberto Dell’Acqua), Dan Forrest, „Max B.“ (= Max-Henri Boulois), Victor Israel, Daniela Giordano, Perla Victoria Ruiz

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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