DJANGO UND DIE BANDE DER BLUTHUNDE: Sterben und sterben lassen

Film / Retrospektive / 2. Juli 2017
Anthony Steffen als DJANGO DER BASTARD

Die Welt des Italowesterns ist eine zynische. Freilich könnte man kaum behaupten, daß ein Film wie DER SCHATZ DER SIERRA MADRE allzu optimistisch auf die Menschen blickt, die da nach ihrem Glück jagen – aber in den italienischen Pistolenopern ist der Idealismus nicht einmal mehr als ferner Gedanke spürbar. Halunken und Halsabschneider streifen durch das von Brutalitäten und Ungerechtigkeiten gezeichnete Land, ihre Motive sind blutige Rache oder persönliche Bereicherung. Das amerikanische Versprechen des besseren Lebens hinter dem Horizont ist hier längst einem pragmatischen Überlebenskampf gewichen: Wer nicht sterben will, muß einfach zuerst schießen.

DJANGO UND DIE BANDE DER BLUTHUNDE (im Original DJANGO IL BASTARDO, weshalb er auch für manche DVD-Fassungen zu DJANGO DER BASTARD eingedeutscht wurde) ist ein besonders dunkles Exemplar eines an Leichtigkeit nicht gerade reichen Genres. Rückblickend kein Wunder, entpuppte sich Regisseur und Autor Sergio Garrone doch im Laufe seiner Karriere als gnadenloser Zyniker: Ob in einer dreckigen Gangstergeschichte über Verrat und Gier (KILLER’S GOLD) oder in einem Reißer über Folter im Konzentrationslager (SS CAMP 5), bei Garrone besteht die Welt stets aus Sterben und Sterbenlassen.

Djangos Gegner: Rada Rassimov und Luciano Rossi
Djangos Gegner Jack (Luciano Rossi) und seine Ehefrau Alida (Rada Rassimov) fürchten sich vor der Ankunft des Rächers.

Wie viele seiner Italowestern-Kollegen ist auch der Django dieses Films im Namen der blutigen Rache unterwegs: Er und seine Soldatenkollegen wurden zu Bürgerkriegszeiten einst von ihren Befehlshabern verraten, nun streift er wie ein Todesengel durchs Land und knöpft sich die Verantwortlichen vor. Interessanterweise wird Djangos Geschichte in den europäischen und amerikanischen Fassungen erst im Lauf des Films über kurze Rückblenden erzählt, was dem wortkargen Mann eine geheimnisvollere Aura verleiht, während die italienische Originalversion die Vergangenheit noch vor dem Vorspann erzählt und damit in seiner Konstruktion fast pragmatisch wirkt.

Wo viele Italowestern ihre einsamen Antihelden als mythologische Gestalten inszenieren – man denke nur an Sergio Leones FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR, durch den der namenlose Fremde zur Ikone wurde – erzählt Garrone seinen Django beinahe als übernatürliche Kraft, die durch ein Unrecht hervorgerufen wurde. Bei jedem Auftritt setzt er als Ankündigung ein Kreuz mit dem Namen seines nächsten Opfers in den Sand, immer wieder taucht er wie aus dem Nichts auf und verschwindet ebenso geheimnisvoll. Als der unmenschlich überlegene Held doch zum Schluß einmal verwundet wird und seine Waffe verliert, ruft sein Gegner seinen Handlangern fast ekstatisch zu: „Das ist sein Colt! Das ist sein Blut!“, als würde er sie überzeugen wollen, daß es sich doch um keinen Geist handelt. If it bleeds, we can kill it.

Django will Rache an Rod Murdok
Django (Anthony Steffen, hinten) kündigt seine Rache stets mit einem Kreuz an.

Bei allem gemächlichen Erzähltempo bringt Garrone eine immense visuelle Kraft in das Geschehen: Die Kamera ist gekippt, lauert am Boden, filmt durch Spalten und Öffnungen durch und verzerrt die Gestalten zu tödlichen Schatten. Garrone interessiert sich wenig für die Figuren, aber dafür zieht er die Stimmung so zusammen, daß die Racheengel-Geschichte Gothic-Horror-Flair atmet, beinahe wie der Kinski-Western SATAN DER RACHE. Die minimalistische Erzählung gibt ihm trotz der starren Genremuster viel Freiraum, das Filmemachen an sich zu zelebrieren: Alleine die ersten Momente, in denen der Fremde in die Stadt kommt, knistern voll filmischer Energie und schaffen ihre eigene Welt.

Eine Frau überlebt Djangos Rachefeldzug: Alida, die Ehefrau einer seiner Gegner. Sie bietet ihm viel Reichtum, um mit ihm fortgehen zu können – weil sie nicht alleine leben will oder kann. Ihn interessieren Geld und Juwelen aber nicht, weshalb er sie zurückläßt. So funktioniert das eben bei Garrone: Selbst, wenn man das Materielle ablehnt, kann man dem Zynismus nicht entkommen.

Django und die Bande der Bluthunde (Italien 1969)
Originaltitel: Django il bastardo
Alternativtitel: Django der Bastard
Regie: Sergio Garrone
Buch: Sergio Garrone, Antonio De Teffè
Kamera: Gino Santini
Musik: Vasili Kojucharov, Vasco Mancuso
Darsteller: „Anthony Steffen“ (= Antonio De Teffè), Paolo Gozlino, „Lu Kamante“ (= Luciano Rossi), Teodoro Corrà, Jean Louis, Rada Rassimov

Die Screenshots stammen von der DVD (C) MCP Sound & Media AG.






Avatar-Foto
Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, handelte von einem Schriftsteller, der eine junge Frau entführt, weil er sie als Inspiration für sein Buch braucht. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, unter anderem für Film & TV Kamera, Celluloid, GMX, den All-Music Guide, 35 Millimeter, Neon Zombie und Salzburger Nachrichten. Er hält Vorträge zu Filmthemen und kuratierte 2014 an der Universität Salzburg eine Filmreihe zum Thema "Erster Weltkrieg".





You might also like