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[Musik / Spotlight] Arno Steffen: Supergut (ne)?! (1984)

Das ist einer der definierenden Songs meiner Kindheit: „Supergut (ne?!)“ von Arno Steffen. Entdeckt habe ich das 1984 erschienene Lied durch eine Fernsehübertragung – und zwar eine, die freundlicherweise auch auf YouTube zu finden ist:

Und natürlich hat mich diese Gehämmere und Geklirre in Verbindung mit diesem permanent wiederholten „Is‘ ja alles supergut, ne?“ so sehr fasziniert, daß ich die dazugehörige Single haben mußte. Mit der habe ich vor allem meine Mutter in den Wahnsinn getrieben – die den Song exakt so stumpfsinnig fand, wie er auf den ersten Eindruck wirkt.

Mit erwachsenem Blick ist „Supergut (ne?!)“ aber tatsächlich eine sehr spannende Angelegenheit: Steffen, der zuvor bei der Zeltinger Band spielte (für die er „Rockaway Beach“ von den Ramones als „Müngersdorfer Stadion“ ins Deutsche übersetzte) und kurz als Sänger von Triumvirat in Erscheinung getreten war, arbeitete für den Song und das dazugehörige Album SCHLAGER nämlich mit dem Klangmagier Conny Plank zusammen, der zuvor schon zig einflußreiche Krautrock-Platten und die beiden Ultravox-Alben VIENNA und RAGE IN EDEN als Tontechniker und Produzent betreut hatte. Die Klänge für diese Songs sind fast ausschließlich natürliche Töne, die nachträglich bearbeitet wurden – die Plattenhülle der LP klärt auf, welche Sounds für „Supergut (ne?!)“ zum Einsatz kamen: Kaffeelöffel, Feile, Pfeile, Pistole, Glasbruch, Zen-Windspiel, Blubbern, Gesang. Spannend, was die beiden daraus für einen Proto-Industrial-Track basteln.

Steffen bezeichnete „Supergut (ne)?!“ irgendwann als Parodie der Neuen Deutschen Welle, aber so extrem weit weg ist der Song davon eigentlich nicht: Der simple Nonsens-Text, die reduzierte Musik, die distanzierte Ironie – Remmler und Grauzone sind da nicht ganz fern. Noch wüster wird Steffen auf der B-Seite der „Supergut“-Single: „Ba Ba“ scheppert mit Presslufthammer- und D-Zug-Klängen vor sich hin, während Steffen kompletten Unfug plärrt: „Ba Ba, Bravo, Brutto, Baden Baden“. Bei solch experimenteller Beschallung eines Kinderzimmers ist es wohl kaum verwunderlich, daß ich später bei John Zorn, Peter Brötzmann und Sonny Sharrock gelandet bin …

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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