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„Alltag“ – Ein Versuch

Natürlich war es nur eine Frage der Zeit, bis das Schaffen eines so vielversprechenden Künstlers wie Jörg Z. von der Umwelt aufgegriffen und auch künstlerisch rezipiert wird. Und so ist jetzt der Selbstfilm ALLTAG entstanden, der als Hommage an die Lagerarbeiter-Trilogie in zwei Teilen gedacht ist, die seit einiger Zeit im Netz für Furore sorgt. Zu finden ist das Werk hier.

Leider ziehen es die Autoren vor, anonym zu bleiben – und hier liegen ja schon zwei Brüche mit der Tradition des Selbstfilms vor: Der Film wurde von einem mehrköpfigen Team gedreht (man beachte die Kamerafahrt), und es fehlt der bis ins kleinste Detail ausgetüftelte Abspann. Die Filmemacher fangen sehr schön die europäischen Momente der Zimmermann-Filme ein – etwa, wenn eine Tasse Kaffee am Automaten in Echtzeit gefüllt wird – und bemühen sich, die stilistische Bandbreite der Originale in Einstellungen (Füße auf dem Boden) und Schauspiel (kurze Blicke in die Kamera) nachzuahmen. Freilich haben die Macher das Dialog-Prinzip des wortgewandten Kölners nicht verstanden: Das fängt bei der Verfälschung der bekannten Phrase „also dann, tschüß“ an und hört nicht bei den Ping-Pong-Ping-Zeilen der Protagonisten auf, wo es versäumt wird, eine Figur stets das eben Gesagte wiederholen zu lassen.

Prinzipiell freut es uns natürlich, wenn ehrliches, aufrichtiges Filmschaffen erkannt wird und ihm Respekt gezollt wird. Dass es den ALLTAG-Machern allerdings an der nötigen Ernsthaftigkeit fehlt, um die Kunst Zimmermanns zu begreifen und adäquat umzusetzen, ist mehr als schade. Aber vielleicht folgen ja noch weitere Reaktionen auf DER NEUE LAGERCHEF und DAS GESPRÄCH, bevor der Meister selbst wieder von sich hören läßt.

Als kurze Randnotiz sei kurz angemerkt, daß Jörg himself nun über ein Blog verfügt. Die Freude über diesen Fund weilte nur kurz, da er dort nicht oft zu posten scheint. Vielleicht sollte man ihm mit ein paar Kommentaren aufmunternde Worte zusenden?

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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