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Robyn (2007)

Musik wie ein Eisschrank: Kalter, fader Elektro-Pop.

Robyn gibt es schon eine Zeitlang, auch wenn wir das nicht zwangsläufig wahrgenommen haben: Als schwedische Popprinzessin hat sie bereits drei internationale Alben aufgenommen und dabei schon mit Britney-Hitschmied Max Martin gearbeitet, was Menschen mit ausgebildeten Geschmacksnerven durchaus skeptisch stimmen wird. Aber, so informiert uns die Presseinfo, so richtig glücklich war die junge Frau gar nicht mit ihren vorigen Alben, weil die Plattenfirma so viel interveniert hat. Gemein, wie die alten Männer immer an der Musik ganz junger Mädchen herumkritteln.

Und so hat Robyn ihr eigenes Label gegründet und eine CD aufgenommen, von dem uns der Promo-Zettel in enthusiastischer Inkontinenz erklärt, es sei „die einfache Geschichte einer zierlichen, aber mutigen blonden Frau, die sich ihren Weg durch den Major-Bullshit gesprengt hat, um ihre aufregende, tiefgründige und vor allem ehrliche Art von Popmusik zu präsentieren. Es ist Musik, die ganz ihr selbst gehört, Musik mit einer einfachen Botschaft: Sei dein eigener Star!“ Da versucht mal wieder jemand unsere Arbeit zu erledigen, aber glücklicherweise zeigt sich der unbarmherzige Rezensent von solch großspuriger Kurzprosa eher unbeeindruckt.

Das Wort „ehrlich“ taucht gehäuft in der Aussendung auf, aber vielleicht bedeutet das einfach nur, daß Robyn irgendwas selber aufgenommen hat. Das vorliegende selbstbetitelte Album mag ehrlich sein wie Jimmy Stewart in einem Capra-Film, aber aufregend ist es deswegen noch lange nicht: Das Elektro-Dance-Pop-Spektakel klingt wie eine Sammlung unfertiger Demotracks für ein geplantes Album, mit einem kleinen Post-It obendrauf: „Bitte im Studio Seele einfügen“. Da tuckert der Synth, die Elektronik fiept, die Tieffrequenzen oszillieren, alles schön aufgeräumt und überschaubar gehalten, und wenn sich einmal eine Gitarre in die Produktion verirrt, ist sichergestellt, daß sie genauso keimfrei wie der schnöde zusammengebauklotzte Rest klingt.

„Cobrastyle“ hat dabei wenigstens noch Dynamik und Kante – wir wollen das mal nicht mißverstehen, spannende Elektronik klingt anders – aber auf „With Every Heartbeat“ glaubt Robyn, sie müsse Tracks zu Madonnas „Confessions on a Dancefloor“ beisteuern und mäandert sich durch eine fürchterliche Synthsoße. Auf „Konichiwa Bitches“ wird zweieinhalb Minuten lang angegeben, daß sich der CD-Player biegt, weiter hinten klimpert ein eiskaltes Piano ein paar Noten, die balladeske Stimmung schaffen sollen. Überhaupt ist alles kalt und antiseptisch: ROBYN ist ein einziger Eisschrank von einem Album.

Schon klar: Wenn man das nur lange genug hört, bleibt auch was im Ohr hängen. So komplex sind die Songs ja nicht. Aber das verwechselt auch nur der bezahlte Autor der Promoinfo mit den Adjektiven „echt“ und „überzeugend“, „modern“ und „kreativ“. Aufregend ist an „Robyn“ gar nichts – vielleicht doch mal wieder bei Max Martin anrufen?

Dieser Text erschien zuerst am 31.8.2007 bei Fritz!/Salzburger Nachrichten.
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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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