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DER FLUCH DES ROSAROTEN PANTHERS: Ein neuer Inspektor auf alten Pfaden

Ted Wass als Clouseau-Ersatz Clifton Sleigh

Nach Peter Sellers‘ Tod wollte Blake Edwards die Figur von Inspektor Clouseau nicht neu besetzen, obwohl eine kurze Zeitlang Dudley Moore im Gespräch für den geplanten ROMANCE OF THE PINK PANTHER war. Stattdessen wollte Edwards eine neue Figur einführen, um die PINK-PANTHER-Reihe fortzuführen. Mit DER ROSAROTE PANTHER WIRD GEJAGT sollte ein Übergangsfilm als Abschied von Peter Sellers geschaffen werden, der den Clouseau in fünf vorigen Filmen spielte. Der zeitgleich gedrehte und ein Jahr später veröffentlichte DER FLUCH DES ROSAROTEN PANTHERS stellte dann die neue Hauptfigur vor: einen New Yorker Polizisten namens Clifton Sleigh, gespielt von Ted Wass, der zuvor in vier Staffeln der Sitcom SOAP – TRAUTES HEIM zu sehen war. (Tatsächlich wurde Dudley Moore auch für die Rolle angefragt – aber der hatte mittlerweile mit ARTHUR – KEIN KIND VON TRAURIGKEIT einen immensen Hit landen können und wollte sich für keine Filmreihe verpflichten.)

Die Handlung von DER FLUCH DES ROSAROTEN PANTHERS (im Original entsprechend CURSE OF THE PINK PANTHER) knüpft direkt an den „Übergangsfilm“ DER ROSAROTE PANTHER WIRD GEJAGT an: Chefinspektor Clouseau bleibt verschwunden, der titelgebende gestohlene Diamant ebenso. Per Computer soll ein brillanter Detektiv ermittelt werden, der Clouseau aufspüren soll – und weil Chefinspektor Dreyfus (Herbert Lom) sehr glücklich über Clouseaus Abwesenheit ist, manipuliert er den Computer, so daß der den ungeeignetsten Polzisten der Welt ausspuckt: besagten Sgt. Sleigh.

Clifton Sleigh sucht Familie Litton auf
Zwanzig Jahre nach DER ROSAROTE PANTHER schlüpfen Robert Wagner (links),
Capucine und David Niven (rechts) noch einmal in ihre bekannten Rollen.

Und so begibt sich der Film wie schon sein Vorgänger auf eine Tour durch Clouseaus Vergangenheit (und die der Filmreihe). Sleigh besucht Clouseaus Apartment, das mittlerweile von dessen Diener Kato (Burt Kwouk) zu einem Wachsfigurenkabinett umgewandelt wurde. Er sucht den Verkleidungskünstler Prof. Balls (Harvey Korman) auf, bei dem sich Clouseau seine absurden Kostüme beschafft hat. Und er besucht den Juwelendieb Sir Charles Litton (David Niven) und dessen Frau Simone (Capucine), die ja einst mit Clouseau verheiratet war – und trifft dort auch Littons Neffen George (Robert Wagner), der ebenfalls im allerersten PINK-PANTHER-Film eine Rolle spielte. Und Dreyfus? Der leidet unter Sleighs Ungeschicktheit ebenso wie seinerzeit unter der von Clouseau, weswegen sein Nervenkostüm ihn auch diesmal wieder in mörderische Rage bringt.

Edwards‘ Wunsch, eine neue Figur zu etablieren, mutet angesichts des abgeschrittenen Terrains fast bizarr an. Sleigh ist wahrlich ein Clouseau-Klon: ein ungeschickter und inkompetenter Ermittler, bei dem jedes Mißgeschick zur heillosen Katastrophe heranwächst und der seinen Vorgesetzten in den Wahnsinn treibt. Nur die hoffnungslose Selbstüberschätzung Clouseaus und seine sprachlichen Verunstaltungen wurden nicht übernommen. Hauptdarsteller Ted Wass stürzt sich mit Hingabe in die Slapstick-Szenen und hat auch das Talent für Comedy-Timing – aber er gibt seiner Figur keinen Zentimeter Persönlichkeit. Wie könnte er auch, wenn der Figur schon im Skript nichts Eigenes mitgegeben wurde?

Herbert Lom als Chefinspektor Dreyfus
Und wieder wird er wahnsinnig: Chefinspektor Dreyfus (Herbert Lom).

Auch sonst hängt der Geist von Peter Sellers über dem Film wie der titelgebende Fluch – beziehungsweise: Die Abwesenheit von Sellers ist ständig spürbar. Sleigh darf ja gar kein eigenes Abenteuer erleben, sondern muß auf den Spuren von Clouseau wandeln, und als wäre das Abgrasen der bekannten Orte und Personen noch nicht genug, dreht sich auch die Handlung selber immer noch um den verschwundenen Clouseau. Zum Schluß taucht Clouseau sogar nochmal auf – jetzt, nach einer Operation, in Gestalt von Roger Moore, der bei allem Bemühen zeigt, dass man Peter Sellers schlichtweg nicht imitieren kann. Blake Edwards beweist hier gewissermaßen, warum er sich an seine eigene Weigerung, die Figur neu zu besetzen, hätte halten sollen. (Moore, der seine Szenen während einer OCTUPUSSY-Drehpause spielte, taucht übrigens nur unter dem Pseudonym „Turk Thrust II“ auf – in Anlehnung an Moores Freund Bryan Forbes, der in EIN SCHUSS IM DUNKELN als „Turk Thrust“ auftauchte.)

Allem Unverständnis über das Konzept zum Trotz muß aber doch festgehalten werden, daß DER FLUCH DES ROSAROTEN PANTHERS seinen schlechten Ruf nicht vollständig verdient hat: Von allen PINK-PANTHER-Filmen nach Sellers‘ Tod ist er bei weitem der witzigste. Es gibt eine ganze Reihe von Szenen, die wirklich vergnüglich sind – zum Beispiel der ausgedehnte Kampf, den Sleigh mit einer aufblasbaren Gummipuppe vollzieht, die er als Pseudo-Begleiterin mit sich zerrt, oder die Kraftdemonstration des Ninjas Mr. Chong (der schon in DER IRRE FLIC MIT HEISSEM BLICK auftauchte und wieder von Karatemeister Ed Parker gespielt wird), oder eine Auseinandersetzung mit Wind, Regenschirm und Gepäck am Flughafen. Aller Vertrautheit des Schemas zum Trotz: DER FLUCH DES ROSAROTEN PANTHERS ist amüsant.

Sgt. Sleigh und seine "Instant-Begleitung"
Clifton Sleigh (Ted Wass, l.) und seine „Instant-Begleitung“ – der leider die Luft ausgeht …

Ted Wass wurde seinerzeit für sechs PINK-PANTHER-Filme unter Vertrag genommen. In den nächsten Filmen wäre die Handlung dann nach New York verlagert worden, die Clouseau-Entourage mit Kato, Dreyfus und allen anderen wäre nicht weiter aufgetaucht. Terry Marcel (HAWK – HÜTER DES MAGISCHEN SCHWERTES) wäre als Regisseur des nächsten Films geplant gewesen, der von Edwards‘ Sohn Geoffrey und Sam Bernard geschrieben worden wäre. Die Verrisse von DER FLUCH DES ROSAROTEN PANTHERS und sein schlechtes Abschneiden an den Kinokassen machten jedoch alle diese Pläne zunichte, und Edwards verbrachte mehrere Jahre damit, im Rechtsstreit gegen das Studio vorzugehen, das seiner Ansicht nach die Veröffentlichung des Films vergeigt hatte. Auch die Kinokarriere von Ted Wass ging zu Ende, bevor sie überhaupt angefangen hatte – aber immerhin konnte er sich ab den Neunzigern als gefragter Sitcom-Regisseur etablieren, der bei zahlreichen Folgen von Serien wie BLOSSOM, CHAOS CITY, RULES OF ENGAGEMENT und 2 BROKE GIRLS die Spielleitung übernahm.

Rückblickend betrachtet ist eigentlich klar, warum das Konzept nicht aufging: Gleich zwei Übergangsfilme zur Verabschiedung eines Schauspielers, ohne den sich niemand die Reihe weiter vorstellen konnte, und zur Einführung einer Figur, die einfach zu sehr an die vorige erinnerte, vermitteln selbst den größten Fans nicht gerade Zuversicht, dass der Serie eine große Zukunft bevorsteht. Bei aller Zuneigung, die ich diesem ungeliebten Film gegenüber habe: Es ist wohl doch besser, dass Edwards seine Talente danach wieder in eigenständige Geschichten steckte.

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Der Fluch des rosaroten Panthers (England 1983)
Originaltitel: Curse of the Pink Panther
Regie: Blake Edwards
Buch: Blake Edwards, Geoffrey Edwards
Kamera: Dick Bush
Musik: Henry Mancini
Darsteller: Ted Wass, David Niven, Robert Wagner, Capucine, Herbert Lom, Joanna Lumley, Robert Loggia, Harvey Korman, Burt Kwouk, Roger Moore, Graham Stark, André Maranne, William Hootkins, Joe Morton, Bill Nighy

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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