DER ROSAROTE PANTHER WIRD GEJAGT: Ein Flickwerk-Tribut an Peter Sellers

Retrospektive / Uncategorized / 23. August 2018
Peter Sellers als Inspektor Clouseau

Posthum veröffentlichten Filmen haftet stets eine gewisse morbide Faszination an. Dabei gibt es gar nicht so viele Streifen, bei denen ein Darsteller die Premiere oder gar das Drehende nicht mehr erlebte – und noch seltener ist es, dass ein Hauptdarsteller schon zu Produktionsbeginn gar nicht mehr unter den Lebenden weilt. Einige Bruce-Lee-Filme gäbe es da, oder Ed Woods PLAN 9 FROM OUTER SPACE – und der sechste Film der PINK-PANTHER-Reihe, DER ROSAROTE PANTHER WIRD GEJAGT, dessen Hauptdarsteller Peter Sellers schon anderthalb Jahre vor Produktionsbeginn starb. Ein Tribut an Sellers sollte es werden, entsprechend wird der Film ihm schon ihm Vorspann gewidmet: „To Peter … the One and Only Inspector Clouseau“. Sellers‘ Witwe reagierte entsetzt: Sie verklagte die Produzenten und das Studio, weil der Film das Ansehen ihres Mannes schädigen würde. Ihr wurden über eine Million Dollar zugesprochen.

Die vorigen drei PANTHER-Filme waren große Kassenerfolge gewesen, aber die Beziehung zwischen Clouseau-Darsteller Sellers und Serien-Regisseur Blake Edwards war schwer angeschlagen. Schon den dritten Film, DER ROSAROTE PANTHER KEHRT ZURÜCK, drehten beide nur, weil sie endlich wieder einen Hit brauchten; bei DER „BESTE“ MANN BEI INTERPOL und DER IRRE FLIC MIT DEM HEISSEN BLICK trieben Sellers‘ gesundheitlichen und psychischen Probleme tiefe Risse in die kreative Zusammenarbeit. Sein Auftreten wurde als unprofessionell eingestuft, United-Artists-Mitarbeiter Steven Bach nannte ihn „seriously unbalanced“. Sellers selber sagte nur: „I’ve honestly had enough of Clouseau – I’ve nothing more to give“. Bezeichnenderweise aber entwickelte er ein weiteres Clouseau-Skript, ROMANCE OF THE PINK PANTHER, das er ohne Blake Edwards umsetzen wollte.

Nach Sellers‘ Tod im Jahr 1980 wurde eine Zeitlang Dudley Moore als nächster Inspektor Clouseau gehandelt, aber Edwards wollte lieber eine neue Figur einführen – immerhin gab es 1968 schon einmal einen Anlauf, Clouseau mit einem neuen Darsteller zu besetzen, aber der schlicht INSPEKTOR CLOUSEAU betitelte Film mit Alan Arkin stieß auf wenig Gegenliebe (Regie führte hier auch nicht Edwards, sondern Bud Yorkin). Edwards kam zu folgendem Deal: Es würde einen Übergangsfilm geben, mit dem man Peter Sellers Tribut zollen würde, und kurz darauf einen gleich im selben Aufwasch gedrehten Folgefilm, der einen neuen Inspektor vorstellen sollte. DER ROSAROTE PANTHER WIRD GEJAGT (im Original: THE TRAIL OF THE PINK PANTHER) ist also der Übergang.

David Niven und Capucine nehmen ihre Rollen aus dem ersten Film wieder auf.
Ein Wiedersehen mit Sir Charles Litton (David Niven) und seiner Frau Simone (Capucine).

Schon von der ersten Szene an ist der Film ein einziges Déja-Vu-Erlebnis. Wieder wird der Rosarote Panther gestohlen, jener Diamant, der schon im ersten Film DER ROSAROTE PANTHER und im dritten Teil DER ROSAROTE PANTHER KEHRT ZURÜCK Diebesgut wurde. Und wieder soll Chefinspektor Clouseau die Ermittlungen leiten, weil er das Juwel ja schon zuvor erfolgreich wiederbeschaffen konnte. Ganz im Sinne der comichaften Serie sind natürlich auch die anderen Figuren wieder dabei – allen voran Chefinspektor Dreyfus, den Clouseaus Inkompetenz immer noch zuverlässig in den Wahnsinn treibt.

Weil Sellers selber ja gar keine neuen Szenen mehr drehen konnte, wird auf Archivmaterial zurückgegriffen: Die ersten 45 Minuten des Films bestehen zum großen Teil aus Szenen, die ursprünglich für DER „BESTE“ MANN BEI INTERPOL gedreht wurden (der Berichten zufolge in seiner Urfassung an die drei Stunden hätte dauern sollen!). Schon für DER IRRE FLIC MIT DEM HEISSEN BLICK wollte Edwards diese Sequenzen verwenden, hier kommen sie also nun zum Einsatz – und verstärken das Gefühl noch mehr, das alles doch schon irgendwie gesehen zu haben: Wenn Clouseau sich bei dem wie in einer burlesken Zirkusshow auftretenden Verkleidungsspezialisten Auguste Balls (Harvey Korman) unter anderem mit einem Quasimodo-Kostüm mit aufblasbarem Buckel ausrüsten lässt, weiß man, wie die Sequenz in DER „BESTE“ MANN BEI INTERPOL gepasst hätte, wo die Verkleidung dann zum vollen Einsatz kommt.

Clouseaus Vater (Richard Mulligan) spricht mit Reporterin Marie Jouvet (Joanna Lumley)
Reporterin Marie Jouvet (Joanna Lumley) im Interview mit Clouseaus Vater (Richard Mulligan).

Für einen vollständigen Film reichen diese „Deleted Scenes“ aber nicht, weshalb Clouseau nach der Hälfte des Films aus der „Handlung“ verschwindet: Er wird irgendwann als vermißt gemeldet, eine Reporterin begibt sich auf Spurensuche. Hier mutiert DER ROSAROTE PANTHER WIRD GEJAGT zu einer Art Best-of-Compilation: Sie sucht unter anderem Clouseaus Hausdiener Kato (Burt Kwouk), den Gauner Sir Charles Litton und seine Frau (David Niven und Capucine greifen ihre Rollen aus dem allerersten Film wieder auf) sowie Clouseaus Assistenten Hercule Lajoy (Graham Stark) auf, um sie nach Clouseau zu befragen – und während dieser Interviews sehen wir verschiedene Szenen aus den vorangegangenen Filmen: Die wahnwitzige Verfolgungsjagd mit Gorilla- und Zebrakostümen aus DER ROSAROTE PANTHER, Clouseaus hirnverbannte Polizeiarbeit aus EIN SCHUSS IM DUNKELN, ein Trainingskampf mit Kato aus DER „BESTE“ MANN BEI INTERPOL, und so weiter. Was immer der Film in seinem anfänglichen Stückwerk noch an narrativer Bahn hatte, entgleist hier endgültig.

Gegen Ende hin werden uns noch neue Rückblicke spendiert: Die Reporterin sucht Clouseaus Vater auf, der ein paar Geschichten aus dessen Jugend erzählt – zum Beispiel, wie Clouseau als Kämpfer für die französische Resistance daran scheiterte, eine Brücke zu sprengen, um die deutsche Armee aufzuhalten. Die Szenen sind ganz witzig, aber freilich sehr beliebig – und eingerahmt von einer hemmungslos absurden Interviewsituation, in der Richard Mulligan als Papa Clouseau gnadenlos chargiert, während ein Hund das uralte und senile Stubenmädchen durch das Zimmer dirigiert, indem er an ihrem Rock zerrt. Zum Schluß des Films bleibt Clouseau verschwunden, und damit wird die Brücke zum nächsten Film DER FLUCH DES ROSAROTEN PANTHERS geschlagen.

Daniel Peacock als junger Clouseau
Der junge Clouseau (Daniel Peacock) als unfähiger Resistance-Kämpfer.

Es zieht eine Traurigkeit durch DER ROSAROTE PANTHER WIRD GEJAGT, bei der man eher wehmütig wird als lacht. Wir sehen den großen Peter Sellers einmal mehr in einer seiner Paraderollen – aber wissen gleichzeitig, dass es sich nur um zusammenhanglose Schnipsel aus dem Archiv handelt. Wir sehen einer Nummernrevue zu, deren Szenen in ihren ursprünglichen Filmen so viel besser funktioniert haben. Wir begegnen David Niven wieder – der zu diesem Zeitpunkt schon an ALS (dem Lou-Gehrig-Syndrom) erkrankt war und deshalb von einem Imitator nachsynchronisiert werden musste. Natürlich sind viele der Szenen komisch – zum Beispiel, wie Clouseau in seinem unmöglichen Französisch-Englisch im Hotel nach einer Nachricht fragt, aber „message“ so wie „massage“ ausspricht, oder wenn er bei einem Telefonat mehrfach aus dem Hotelfenster fliegt. Und doch: Eine Dokumentation mit dem Archivmaterial wäre wohl ein trefflicheres Tribut an Sellers und seinen Clouseau gewesen als dieses Flickwerk.

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Der rosarote Panther wird gejagt (USA 1982)
Originaltitel: Trail of the Pink Panther
Regie: Blake Edwards
Drehbuch: Frank Waldman, Tom Waldman, Blake Edwards, Geoffrey Edwards
Kamera: Dick Bush
Musik: Henry Mancini
Darsteller: Peter Sellers, Herbert Lom, David Niven, Capucine, Burt Kwouk, Joanna Lumley, Richard Mulligan, Robert Loggia, Harvey Korman, Graham Stark, André Maranne, Denise Crosby, William Hootkins






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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, handelte von einem Schriftsteller, der eine junge Frau entführt, weil er sie als Inspiration für sein Buch braucht. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, unter anderem für Film & TV Kamera, Celluloid, GMX, den All-Music Guide, 35 Millimeter, Neon Zombie und Salzburger Nachrichten. Er hält Vorträge zu Filmthemen und kuratierte 2014 an der Universität Salzburg eine Filmreihe zum Thema "Erster Weltkrieg".





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