ALIENS vs. ALIENS: Duell der Spielumsetzungen

Games / 8. März 2016

Im Rahmen unserer ALIENS-Retrospektive darf ich – nach meinen generellen Überlegungen zum Film (hier) und einer genauen Betrachtung der Filmmusik (hier) – das Wort jetzt an Spieleveteran Heinrich Lenhardt übergeben, der uns im folgenden Gastbeitrag von den beiden Computerspielen zum Film berichtet.

Ein Alien kommt selten allein – das merkten nicht nur die Weltraumsoldaten, welche in James Camerons Filmfortsetzung mit einer regelrechten Familienpackung der außerirdischen Beißer Bekanntschaft machten. Durch den großen Erfolg seiner GHOSTBUSTERS-Umsetzung ermutigt, ließ sich Activision nicht lumpen und veröffentlichte Ende 1986 gleich zwei Spiele zum selben Kinofilm. Richtig überzeugend war keiner der beiden Titel, aber die unterschiedliche spielerische Herangehensweise bei identischer Vorlage ist eine nähere Betrachtung wert.

Ich habe noch lebhafte Erinnerungen an das ALIENS-Kinoerlebnis: Als der Film in England anlief, weilte ich wegen einer Fachmesse in London und konnte ihn im Odeon am Leicester Square erleben. Ein beeindruckendes Erlebnis, nicht nur, weil dieser Filmpalast mit Riesenleinwand und Luxussound dem durchschnittlichen deutschen Lichtspielhaus um einiges voraus war. ALIENS wirkte so atemberaubend und grandios, daß ich danach ansatzweise benommen in die Londoner Nacht entschwand (natürlich schnurstracks zurück ins Hotelzimmer, um am nächsten Morgen ausgeruht und produktiv zu sein).

Entsprechend groß waren die Erwartungshaltungen, als kurz vor Jahresende Muster der offiziellen ALIENS-Spiele im Posteingangsfach landeten. Activision hatte schon zu jener Zeit internationale Entwicklerkapazitäten, so entbrannte in Sachen ALIENS der reinste transatlantische Wettstreit: Während im US-Hauptquartier Veteranen wie Steve Cartwright an einem offiziellen Computerspiel bastelten, wurde in England ein weiterer ALIENS-Titel für das Label Electric Dreams entwickelt.

Die amerikanische Produktion hat offensichtliche Blockbuster-Ansprüche und entlockt dem Grafikchip des Commodore 64 sogar digitalisierte Bilder aus dem Film, dazu gibt es Dialogzitate. Spielerisch ist es eine mitunter orientierungslos wirkende Ansammlung verschiedener Action-Abschnitte. So schmeckt der Planetenanflug zu Beginn nach Füller und Recycling, hier wurde kurzerhand die 3D-Flugsequenz von Activisions MASTER OF THE LAMPS wiederverwertet. Nach der Landung auf LV-426 verbringen wir dann viel Zeit damit, Korridore entlang zu wandern und auf anstürmende ALIENS zu ballern. Grafisch hat die Schießbude schon 1986 wenig beeindruckt: „Die Menschen-Sprites sind recht schwach geraten und die Aliens sind eher für einen Lacher als für gepflegtes Gruseln gut“, mäkelte damals die Fachpresse. Eine Luftschacht-Etappe erinnert an Labyrinthspiele, und der finale Kampf mit Mama Alien hat ein bisserl PONG-Charme. Spielerisch läuft’s nicht immer rund, aber die Entwickler bemühten sich um Abwechslung und Filmanleihen.

Standbilder mit Dialog-Sprechblasen: Das amerikanische ALIENS-Spiel bemüht sich im Rahmen der moderaten C64-Möglichkeiten um Filmpräsentation.
Mit Bewegungssensor und Maschinengewehr erforschen wir im US-ALIENS-Spiel graue Korridore.
Das kleine Actionfenster macht die Monster-Sprites nicht gerade bedrohlicher.

Im Gegensatz zu diesem routinierten Action-Eintopf wirkt das ALIENS-Spiel von Electric Dreams wie eine europäische Avantgarde-Produktion: etwas anstrengend und gewöhnungsbedürftig, aber originell und mit einer ganz eigenen Atmosphäre. Hier steuern wir sechs Charaktere voneinander unabhängig durch die von Aliens befallene Station. Die Umgebung wird aus der Ich-Perspektive der Person gezeigt, die wir derzeit kontrollieren. Das ist allerdings keine Echtzeit-3D-Grafik, ruckartig springen wir von Raum zu Raum. Das Bildausschnitt-Scrolling beim Umsehen hat zudem eine gewisse Zähigkeit. Doch die Spannung ist bei diesem ALIENS-Spiel höher, weil das eingeschränkte Sichtfeld in Verbindung mit der atmosphärischen Soundkulisse subtilen Nervenkitzel auslöst. Das gilt insbesondere für die Schneider-CPC-Version, deren Farbpalette etwas stimmiger wirkt die der Commodore-64-Umsetzung.

Das englische Spiel zum Film erschien auf dem Activision-Label Electric Dreams. Bei Ego-Ansicht befreien wir eine Station vom Alien-Befall.
Gefahr droht beim UK-ALIENS nicht nur durch bissige Monster, bei der Erforschung mit sechs unabhängig steuerbaren Charakteren verläuft man sich leicht.

Den Willen zur Originalität darf man dem britischen ALIENS hoch anrechnen, das sich mit der Action zurückhält und dafür mehr Erforschungs- und Taktik-Elemente hat. Sonderlich gut gealtert ist es aber nicht. Automatisch gezeichnete Umgebungskarten waren 1986 ein ungebräuchlicher Luxus und die Gleichförmigkeit der Räume lädt zum Verlaufen ein. Schön, daß der Packung ein Stationsplan beigelegt wurde, aber musste man deshalb auf eine Kompassanzeige im Spiel verzichten? Die Orientierungslosigkeit lernen wir bald mehr zu fürchten als die mittelmäßig bedrohlich herumtapsenden Aliens. Immerhin: Wenn diese sich dem Betrachter zuwenden und die Mundwerkzeuge bereit machen, wird der Puls eher auf Trab gebracht als bei den Krümel-Sprites der US-Produktion.

So urteilten Heinrich Lenhardt und Boris Schneider 1986 im 3. Spiele-Sonderheft der Happy Computer über das britische ALIENS-Spiel von Electric Dreams.

Die Klassikerweihen, die wir dem ALIENS-Film zugestehen, blieben beiden Spielen zum Kinospektakel verwehrt. Doch im Vergleich zu anderen Film- und TV-Umsetzungen der Achtzigerjahre schlagen sie sich ganz wacker und punkten durch inhaltliche Eigenständigkeit.

Es gab sogar noch zwei weitere Spiele zum Film, die im deutschsprachigen Raum weniger bekannt sind: Nur in Japan veröffentlichte SquareSoft 1987 seine Plattformspiel-Interpretation für MSX-Computer. Und 1990 kam Konamis hektisches Markstück-Grab ALIENS: THE ARCADE GAME in die Spielhallen, doch das schlichte Baller-Potpourri wurde nie für Heimsysteme umgesetzt.

Ripley als Plattformheldin, immerhin mit wiedererkennbarer Frisur: Dieses ALIENS-Spiel für MSX-Computer wurde nur in Japan veröffentlicht.
Weder originell noch subtil, aber schnell und krachig gibt sich der ALIENS-Automat, den Konami 1990 in die Spielhallen karrte.

Die Screenshots stammen von der Website www.mobygames.com.






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Heinrich Lenhardt
Heinrich Lenhardt ist einer der erfahrensten deutschen Computerspiele-Fachjournalisten und Autor der eBook-Reihe Lenhardts Spielejahre. 1984 begann er seine Laufbahn in der Redaktion Happy-Computer beim Markt&Technik-Verlag. Er konzipierte und leitete eine Reihe von Spiele-Zeitschriften, darunter Power Play (1987), Video Games (1991), PC Player (1992), buffed-Magazin (2007) und CHIP Power Play (2012). Heute arbeitet er von Vancouver aus als freier Journalist und Korrespondent für diverse Print- und Online-Medien wie GameStar und GamersGlobal. Seine persönliche Webseite findet man unter lenhardt.net.





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