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LEISURE SUIT LARRY GOES LOOKING FOR LOVE: Ein Möchtegernlover auf satirischen Bond-Pfaden

Man kennt das ja aus Kinofortsetzungen: Kaum stürzt sich der Held ins nächste Abenteuer, ist die Traumfrau aus dem vorigen Teil auch schon wieder vergessen und eine neue Geliebte muss her. Wo James Bond im Laufe seiner Filmkarriere selten ein Wort über die ausrangierten Ehemaligen verlor, steigt der zweite Teil des Sierra-Adventures LEISURE SUIT LARRY ganz knallhart mit dem Beziehungsende ein: Larrys Angebetete Eve erinnert sich leider nur dunkel an die gemeinsame Nacht mit ihm und setzt ihn daher auch prompt vor die Tür. Der ausgebremste Frauenheld macht sich also daran, eine Dame für langfristigere Zweisamkeit zu suchen – und der Titel deutet schon an, dass er da nicht immer an der richtigen Tür anklopft: LEISURE SUIT LARRY GOES LOOKING FOR LOVE (IN SEVERAL WRONG PLACES).

Im ersten Spiel hatte sich der nicht kleinzukriegende Loser mit dem Polyesteranzug in die Spielerstadt Lost Wages aufgemacht, um im nächtlichen Trubel vielleicht endlich sein Junggesellendasein beenden zu können. Gepunktet hatte das 1987 erschienene Grafikadventure vor allem mit seinem frechen und schlüpfrigen Humor: Zwischen den zu der Zeit üblichen Tabellenkalkulationen, märchenhaften KING’S-QUEST-Abenteuern und anderen untadeligen Spielen fiel das Game um Larry Laffer vor allem damit auf, dass da herzhafte Zoten gerissen wurden, die Handlung sich um eine schiefgelaufene Sex-Begegnung nach der anderen drehte und als Hürden keine Fantasymonster warteten, sondern eher der Tripper, den man sich bei einer Prostituierten einfangen konnte. Passend dazu bezeichnete das Backcover des Spiels den Designer Al Lowe auch augenzwinkernd als „dirty ol‘ man“.

Eine Bikini-Schönheit am Pool – aber sollte man ihr folgen?

Die ein Jahr später erschienene Fortsetzung ist weit weniger Sexkomödie als der erste Teil – stattdessen wirft Lowe seinen Antihelden Larry in die Parodie eines haarsträubenden Agentenabenteuers, wo der Möchtegernlover von einem kuriosen Zufall in den nächsten stolpert, von KGB-Männern ebenso verfolgt wird wie von den Schergen eines finsteren Autokraten und dabei permanent mit Alltagstücken und unzuverlässigen Reisemitteln kämpfen muss. Auslöser für die Odyssey ist ein ungeschickter Flirtversuch: Das sinnfreie Pseudospanisch, mit dem Larry in einem Musikgeschäft die lateinamerikanische Verkäuferin becircen will, wird leider als Agentencode verstanden, und so erhält unser Freund ein sogenanntes „Onklunk“ – offenbar eine Art Blashorn, das aber tatsächlich nur Tarnung für geheime Mikrofilmspulen darstellt. Und weil eine weitere Verwechslung Larry auf ein Kreuzfahrtschiff führt, geht die Reise durch unterschiedlichste Gegenden und endet schließlich auf exakt jener Insel, auf der der Drahtzieher Dr. Nonookee (jawohl, „no nookie“!) sein Versteck im Inneren eines Vulkans hat.

Mit der wüsten Bond-Parodie zeigt sich Al Lowe mit LEISURE SUIT LARRY II vor allem als geschickter Storyteller. Wo man im ersten Game noch relativ frei zwischen einzelnen Schauplätzen wechseln konnte, ist die Fortsetzung viel geradliniger aufgezogen – und hat auch immer wieder längere Sequenzen, in denen die Handlung ohne Zutun des Spielers vorangetrieben wird. Lowe hält dabei eine gute Balance zwischen dem Vorantreiben seines abwechslungsreichen Plots und seiner Freude an absurden Wendungen und einem gewissen surrealen Humor – als Gag kostet er zum Beispiel immer wieder aus, dass in jeder Etappe ein Frisörsalon besucht werden kann bzw. muss, und die Frisierstuben dann an jeder Ecke der Welt exakt gleich aussehen. Apropos aussehen: Wo Teil 1 noch im blockigen AGI-Look mit Piepssound daherkam, präsentiert sich LARRY II im wunderschön gezeichneten SCI-Stil mit richtigem Soundtrack – in der Zwischenzeit hatte Sierra nämlich sein Spielsystem generalüberholt und sorgte wie auch bei KING’S QUEST IV (dessen Heldin Prinzessin Rosella in der Larry-Welt übrigens auch als Friseuse arbeitet!) mit liebevoller Ästhetik für eine ansprechende Welt.

Larry steht auf Frauen aus Daventry (und auch auf alle anderen).

Wundervoll ist dabei vor allem der satirische Humor, mit dem Lowe das Leben kommentiert. Am Anfang streunt Larry durch Los Angeles, und man kommt an einer völlig im Smog versinkenden Aussicht vorbei – das Spiel kommentiert, dass Larry gerade keine Ahnung hat, wo er sich wohl befindet, aber der Spieler sieht im grauen Dunst noch groß und breit den Hollywood-Schriftzug. An anderer Stelle muss Larry die Luft aus dem eigenen Körper lassen, um in der überengen Touristenklasse des Flugzeugs überhaupt zu seinem Sitz zu kommen, und im Supermarkt in L.A. kann man einen Softdrink namens „Grotesque Gulp“ kaufen, dessen Becher größer ist als man selbst (und weil im Adventure alles möglich ist, schafft es Larry trotzdem, sich das Getränk in die Tasche zu schieben). Als Gag kann man auch die von allen Figuren beständig geäußerte Phrase „Have a nice day“ ändern und stattdessen z.B. ein herzhaftes „You suck“ oder „Your fly is open“ einsetzen, das man dann im Klamottenladen ebenso wie bei der Zollabfertigung gesagt bekommt. Am schönsten ist ein Puzzle an einem Flughafen, wo drei Schlangen vor dem Flugticketschalter stehen – und völlig egal, an welcher Schlange man sich anstellt oder zu welcher man wechselt, es bewegen sich ab diesem Zeitpunkt nur noch die anderen beiden voran.

Sexuelle Abenteuer sind aber diesmal eher verpönt. Es bieten sich unterwegs durchaus immer wieder aufreizende Schönheiten an, die unseren Helden auf ein Schäferstündchen einladen – aber die entpuppen sich dann als Gehilfinnen von Dr. Nonookee, und man erfährt flugs, was Bond passiert wäre, wenn Goldfinger den Laser nicht ausgeschaltet hätte. Erst zum Schluss trifft Larry eine neue Liebe, die Eingeborene Kalalau, die auch einer Heirat nicht abgeneigt ist – aber Stammeshäuptling Keneewauwau (natürlich eine Parodie von Sierra-Chef Ken Williams) besteht darauf, dass wir zuerst Ordnung auf der Insel wiederherstellen und den Störenfried Nonookee beseitigen müssen.

Angesichts der schönen Kalalau ist Eve aus dem ersten Spiel doch schnell wieder vergessen.

Und so ist der Humor dann auch weniger schlüpfrig als im ersten Teil – wobei der Tonfall natürlich trotzdem Al Lowes Handschrift trägt. Immerhin wird auf Larry schon gleich zu Beginn ein Hund gehetzt – der ihm dann in aller Seelenruhe ans Bein pinkelt. Die Punkte, mit denen der Spielfortschritt gemessen wird, geben einem Pseudo-Aufstiegschancen vom „Dork“ zum „Nerd“ oder zum „Creep“. Und irgendwann muss sich unser Schwerenöter auf der Flucht vor KGB-Agenten dann auch schon mal als fesche Blondine verkleiden – wobei ihn die Wachsbehandlung dann auch prompt jaulend an die Decke springen lässt. Aber insgesamt fällt der Witz diesmal zahmer aus, und deswegen muss man auch im Gegensatz zum Erstling kein Ab-18-Quiz am Anfang über sich ergehen lassen.

LEISURE SUIT LARRY GOES LOOKING FOR LOVE (IN SEVERAL WRONG PLACES) ist ein feines und vor allem wunderbar humorvolles Abenteuer – das letztlich auch nicht übermäßig schwer ausfällt. Da gibt es durchaus ein paar eher um die Ecke gedachte Lösungen und ein paar knifflig versteckte Gegenstände – aber erstens gibt es in den einzelnen Gegenden nie übermäßig viel zu tun, so dass man die Interaktionspunkte recht schnell findet, und zweitens gibt einem das Spiel selber nach dem (nach Sierra-Tradition oft auftretenden) Scheitern auch oft genug Hinweise, was man vielleicht hätte bedenken sollen. Erzählerisch macht es vielleicht nicht viel Sinn, warum Larry tut, was er tut, nachdem er ja eigentlich nie erfährt, was es mit dem „Onklunk“ auf sich hat und warum so ziemlich alles um ihn herum gefährlich ist – aber im leichtfüßigen Spiel mit Erzählklischees passt es auch irgendwie, dass der Held hinterher eigentlich auch nicht schlauer ist als vorher.

Liebe im Schatten des Vulkans.

Im Finale spielt übrigens eine attraktive Blondine in Dr. Nonookees Vulkan-Hauptquartier Klavier, stellt sich als „Polyester Patty“ vor und kündigt an, dass sie dann in LARRY III auftauchen wird. Oje – wird die Ehe mit der schönen Kalalau womöglich doch nicht bis in alle Ewigkeit halten …?

 

Die Screenshots stammen von der Webseite Sierra Chest.

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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