Genzel saugt sich fest!

Games / Uncategorized / 16. Juni 2009

Unlängst hat ja die Firma 3D Realms die Tore geschlossen. Wie sagte ein vereidigter alter Hase der Spieleszene doch so schön: Man hat dort festgestellt, daß es kein gutes Geschäftsmodell ist, 12 Jahre lang an einem Spiel zu arbeiten. Seit den Neunzigern arbeitete man dort nämlich an DUKE NUKEM FOREVER, quasi dem CHINESE DEMOCRACY der Spieleszene, und obwohl man sich nebenher an Shootern wie PREY betätigte, wurden die Ressourcen wohl hauptsächlich in den Duke gesteckt – der nun natürlich den Weg alles Virtuellen gehen wird.

Schade ist das insofern, als daß 3D Realms ja früher einmal Apogee waren (3D Realms wurde zunächst als Ableger für 3D-Shooter ins Leben gerufen, bis sich die Firma dann komplett den neuen Namen aneignete) – die Firma, die in den frühen Neunzigern nicht nur eine Reihe von wirklich fantastischen Jump’n’run-Spielen für den PC veröffentlichte – darunter der beliebte COMMANDER KEEN – sondern die auch mit ihrem Shareware-Modell die Szene veränderte: Ein Spiel war in drei „Episoden“ unterteilt, die erste gab es gratis zu kopieren, die anderen konnte man sich dann nachkaufen. Damals waren Demoversionen eher Ausnahmen – heute gibt es spielbare Demos zuhauf, und viele Firmen setzen auf den Effekt, daß man, wenn man mal dransitzt, auch gerne Geld für den Rest ausgeben wird. Apogee haben sich natürlich am Shareware-Prinzip orientiert, aber sie haben das System halt auch mit professionellen Spielen verknüpft, für die die Leute wirklich gerne gutes Geld ausgeben wollten. WOLFENSTEIN 3D erschien über Apogee, bevor sich deren Entwickler id selbständig machten.

So habe ich also zuletzt wieder eins der schönsten Apogee-Plattform-Games herausgekramt und durchgespielt: COSMO’S COSMIC ADVENTURE. Man steuert das kleine Alien Cosmo, dessen Eltern auf einem fremden Planeten verloren gehen, und der sich aufmacht, sie zu suchen. Dabei stolpert er durch finstere Gruselwälder, futuristische Bauten, Eishöhlen, gigantische Pilzbestände, und anderes Gelände.

Schmäh der recht straighten Jump’n’Run-Kiste – man irrt durch labyrintische Levels, sammelt Bonusgegenstände ein, weicht Monstern aus und verteidigt sich mit einem kleinen Kontingent an Bomben – war, daß Cosmo keine Hände hat, sondern Saugnäpfe: Er kann sich also an Wänden festhalten. Viele der Wege beinhalteten also, daß man sich irgendwo die Wand hocharbeiten muß, oder man kann erhöhte Plattformen nur erreichen, indem man an ihre Seite springt und sich dort festsaugt.

Das ist alles gar nicht so leicht, und es gibt durchaus Levels, in denen man beständig das Zeitliche segnet – aber andererseits bleibt das Spiel immer fair und weckt stets die Lust, weitere Gebiete zu erforschen, oder doch noch zu probieren, alle Bonusgegenstände zu finden und einzusammeln. Alles ist schön abwechslungsreich designt, ständig passiert etwas, und hier und dort gibt es kleine versteckte Gags: Beispielsweise kann man in einem Level den eingefrorenen Duke Nukum retten, indem man ihn aus dem Eisblock heraussprengt. DUKE NUKUM, das Jump’n’Run-Spiel, stammte vom gleichen Designer, Todd Replogle.

Das Design des Spiels ist niedlich – Cosmo sieht unglaublich knuffig aus und hält sich bei größeren Stürzen auch gerne mal die Saugnäpfe vor die Augen, bevor er dann comichaft den Kopf klarschüttelt. Die Monster sehen wir aus einer Kinder-Zeichentrickserie aus. Das Setting ist sehr süß, die Musik größtenteils recht bunt und fröhlich gehalten – obwohl Robert Prince auch hier wieder einige sehr coole Tracks untergebracht hat.

Reinnhören:

Tja, und nun habe ich also zum zweiten Mal Cosmos Eltern gerettet (das erste Mal war natürlich ca. 1992, als ich das Spiel gekauft habe). Und es hat wieder Spaß gemacht. Aber wer dankt es mir? Wer gibt einen aus?

Wer mal spielen will: Die erste Episode gibt es hier herunterzuladen. Die komplette Musik stammt von dieser Seite, die Bilder von dieser schönen Fanseite – auf der es übrigens auch ein fanerstelltes Levelset für das Spiel gibt!

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, handelte von einem Schriftsteller, der eine junge Frau entführt, weil er sie als Inspiration für sein Buch braucht. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, unter anderem für Film & TV Kamera, Celluloid, GMX, den All-Music Guide, 35 Millimeter, Neon Zombie und Salzburger Nachrichten. Er hält Vorträge zu Filmthemen und kuratierte 2014 an der Universität Salzburg eine Filmreihe zum Thema "Erster Weltkrieg".





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