Genzel genießt das Wochenende!

Buch / Uncategorized / 27. Mai 2009

Samstag ist mir nun endlich der tiefere Sinn von Body Count aufgegangen: Wenn man zusammen mit einem alten Schulfreund einen anderen alten Schulfreund besuchen fährt, der unlängst geheiratet hat, jetzt Nachwuchs erwartet und zur Feier ein großes Grillfest veranstaltet, und man dann auf der Fahrt Body Count auf ohrenbetäubender Laufstärke hört (19, ich höre sonst 14, was die meisten schon zu laut finden), während man durchs bayrische Hinterland irrt, dann macht die Musik auf einmal Sinn. (Eventuell sind alle Komponenten bis auf die Lautstärke für die Erfahrung auch verzichtbar.)

War aber sehr nett, den guten Sir Nose im Kreise seiner neuen Familie zu sehen. Auch wenn ich etwas enttäuscht war, daß er nicht höchstselbst am Grill stand, sondern diese wichtigste aller Aufgaben an einen Freund delegiert hat. Liegt vielleicht daran, daß er sich in die Rolle des Familienvaters erst noch hineintasten muß – schon bald schwingt er sicherlich selber die Grillzange, kontrolliert das Feuer und verteilt stolz das saftige Fleisch an alle hungrigen Gäste.

Apropos Nachwuchs: Ich bin ja nun offenbar in einem Alter, in dem viele Firmen glauben, sie müßten mir familienbezogene Werbung schicken. Die Sparkasse schreibt mir da doch zum Beispiel, daß ich von Väterchen Staat satte 11.000 Euro kriegen könnte, wenn ich eine Familie mit zwei Kindern hätte (von denen eins 2008 oder später geboren ist). Also, ich würde natürlich nicht 11.000 auf die Kralle kriegen, sondern siebenhundertnochwas Euro jedes Jahr über einen Zeitraum von 15 Jahren hinweg. Das heißt natürlich, daß man sich nicht einfach mal Kinder ausleihen kann, um die Prämie zu kassieren. Viel schöner noch die Werbebeilage bei den Static-X-Karten, die Dienstag per Post kamen (am 23.6. sieht sich unser Cult of Static nämlich Stehfrisur Wayne und seine Mannen in München an!): Ein Gutschein über 10 Euro für einen Internetshop für Kinderspielzeug. Die denken sicher, ich hab‘ den Abend freigekriegt und muß zur Wiedergutmachung dann aber für Kind und Kegel irgendwas Nettes kaufen – einen Kinderschlagbohrer oder ein extralautes Kinderschlagzeug oder so. Bitte, bitte, laßt mich doch in Ruhe mit den Bälgern und schickt mir einfach wieder irgendwelchen Porno-Spam.

Genzels jr. und sr. haben sich Sonntag übrigens ins Kino aufgeschwungen, um ILLUMINATI zu sehen, und zwar im Wasserburger Utopia. Wir waren auch beide gebührlich beeindruckt. Spannender Plot, stetes Adrenalin dank ständigem Kampf gegen die Zeit, opulente Optik mit vielen imposanten (und nachgebauten) Plätzen und Bauwerken in Rom und im Vatikan, donnernder Zimmer-Score (Montag auf CD erworben!), und fein besetzt mit Hanks, Ewan McGregor, Stellan Skarsgard und Armin Mueller-Stahl. Daß der Plot nicht so ganz wasserdicht ist, merkt man erst hinterher (und somit ist’s egal); daß Arne Elsholtz, der Synchronsprecher von Tom Hanks, aus irgendwelchen Gründen nuschelt, als hätte er einen leichten Schlaganfall gehabt (im Netz wundern sich viele über die veränderte Stimme, aber die Gründe bleiben unbekannt), irritiert eigentlich auch nur die ersten 5 Minuten. Ich finde es recht beeindruckend, wie Regisseur Ron Howard auf so vielen unterschiedlichen Größenordnungen Geschichten erzählen kann – vom Zwei-Mann-Wortduell in FROST/NIXON über die historische Nachstellung der APOLLO 13 über das hektische Ensembledrama SCHLAGZEILEN hin zum adrenalinpumpenden Spektakel in ILLUMINATI. Ebenso schön, daß der Film ganz anders inszeniert ist als der DA VINCI CODE und somit kein reiner Nachklapp ist, sondern als eigenes Werk funktioniert.

Montag war übrigens Shoppen in München angesagt. Da habe ich mich mit neuem (altem) Kulturgut eingedeckt – IS‘ WAS, DOC? von Peter Bogdanovich, TANZ DER VAMPIRE von Polanski, MENSCHEN IM HOTEL mit Greta Garbo, MR. DEEDS GEHT IN DIE STADT von Frank Capra, und ART SCHOOL CONFIDENTIAL von Terry Zwigoff (den ich allein deswegen sehen will, weil Zwigoffs GHOST WORLD so fantastisch ist). Dazu noch den ILLUMINATI-Soundtrack und die neue Sophia-CD, die übrigens sehr sehr gut ist. In dazugehörigen Artikeln steht, das Album sei das düsterste Sophia-Album, was natürlich quatsch ist, aber vielleicht ist es das traurigste. Die Musik ist gleichförmiger als zuvor, und irgendwo textet Robin: „Why waste a perfect evening when we can just cut to the fight?“, und das erinnert mich ja durchaus an jemanden. Schönes Artwork auch: Photos von einer leeren, alten Wohnung. Ah, und ein Buch hab‘ ich mir auch noch zugelegt: THE FILM CLUB, über eine Vater-Sohn-Beziehung, die rein über das Filmeschauen funktioniert. Hat mir vorher nichts gesagt, sah aber vielversprechend aus.

—————–
4 8 15 16 23 42






Avatar-Foto
Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, handelte von einem Schriftsteller, der eine junge Frau entführt, weil er sie als Inspiration für sein Buch braucht. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, unter anderem für Film & TV Kamera, Celluloid, GMX, den All-Music Guide, 35 Millimeter, Neon Zombie und Salzburger Nachrichten. Er hält Vorträge zu Filmthemen und kuratierte 2014 an der Universität Salzburg eine Filmreihe zum Thema "Erster Weltkrieg".





You might also like