Games

THE BEAR ESSENTIALS: Ein Kuschelbär auf Last-Minute-Nahrungssuche

Der Wald in THE BEAR ESSENTIALS

Nicht jeder Bär denkt daran, sich rechtzeitig Vorräte für den harten Winter zuzulegen: Der Protagonist aus dem C64-Game THE BEAR ESSENTIALS hat den Sommer mit anderen Tätigkeiten vertrödelt (womöglich mit Computerspielen!) und wird nun kurz vor Wintereinbruch von Frau Bär ermahnt, endlich loszuziehen und Nahrung zu beschaffen, damit die Bärenfamilie überleben kann. Exakt 326 Äpfel soll unser Herr Bär zusammensammeln – aber die sind im Wald, im Dschungel, in luftigen Höhen, felsig zerklüfteten Höhlen und einer mysteriösen Mine versteckt und nur unter Lebensgefahr zu erreichen.

Es sieht nach einem klassischen Commodore-Game aus den Achtzigern aus, was der Engländer Graham Axten hier im Alleingang designt hat. Tatsächlich ist THE BEAR ESSENTIALS aber ein brandneues Spiel, das er auf dem alten Rechner programmiert hat und Ende 2016 veröffentlichte – spielbar entweder am Emulator oder am tatsächlichen C64, sofern man noch einen in Betrieb hat.

Das Spiel ist im traditionellen Jump’n’Run-Stil gehalten: Man steuert Herrn Bär durch verschiedene seitlich arrangierte Bildschirme, sammelt dort die begehrten Äpfel ein und versucht mit Sprüngen, die nächsten Plattformen zu erreichen oder den zahlreichen Gegnern aus dem Weg zu gehen. Eigentlich sollte man ja meinen, daß so ein Bär sich in der Natur den nötigen Respekt schaffen könnte – aber unser wuschliger Held ist offenbar noch jung und innerlich eher ein Teddy, weshalb ihm selbst dahergelaufene Schnecken, Würmer und Frösche gefährlich werden können.

Hier lernt man erst, welche Strapazen so ein Bär bei der Nahrungssuche auf sich nehmen muß.

Die ersten Schirme sind nicht allzu schwer, den Wald hat man recht schnell abgegrast. Im Wolkenreich, wo man an langen Ranken bis in schwindlige Höhen klettern muß, und im Dschungel, wo man schneller die Orientierung verliert, wird die Apfelsuche schon eher zur Herausforderung. Die Felslandschaften sind dann schon richtig trickreich – da bröselt der Boden manchmal gleich unter einem weg, wenn man einen Bildschirm betritt, und unten drunter warten tödliche Spitzen. Die abschließende Mine geht stilistisch ganz andere Wege und ist mit ihren Fallen teils schon sadistisch designt. Allerdings besitzt man ab diesem Level unendlich viele Continues, weshalb hauptsächlich Hartnäckigkeit gefragt ist – zuvor ist das Bärendasein auf fünf Leben beschränkt, zu denen aber einige Extraleben und Continues gefunden werden können.

Mitunter können die Bildschirme nicht linear durchschritten werden: Auf manche Plattformen kommt man beispielsweise nur, wenn man sich aus einem anderen Level dorthin herabstürzen kann. Außerdem schwirrt in jedem Bereich eine Art Endgegner herum, bei dem sich das Einsammeln der Äpfel mühsamer gestaltet – wehren kann sich unser Kuschelbär leider nicht gegen die Riesenvögel und sonstigen imposanten Gestalten, nur Ausweichmanöver helfen hier. Wer übrigens auf eine verständnisvolle Ehefrau setzt, hat Pech: Selbst, wenn nur ein Apfel der 326 nicht eingesammelt wurde, wird Herr Bär von seiner gestrengen besseren Hälfte unerbittlich zurück in den Wald geschickt.

Anfangs sieht die Felslandschaft noch harmlos aus …

THE BEAR ESSENTIALS punktet nicht nur durch intuitive und flüssige Spielbarkeit und eine geschickte Balance aus Herausforderungen und Fairness, sondern nebenbei auch durch seine immens niedliche Aufmachung: Schon unser Bär sieht einfach zu herzig aus, wenn er durch die Szenarien stapft, aber auch seine comichaft gezeichneten Gegner sind süß anzusehen. Man spürt die Liebe, die Axten in sein Spiel investiert hat.

Das Disketten-Image zum Spiel kann auf der Seite von Pond Software heruntergeladen werden. Im Februar soll auch eine physische Version mit Jewel Case, Anleitung und blauer Diskette veröffentlicht werden, die man bei Pond für £10 (plus Porto) vorbestellen kann.

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    Comments are closed.

    0 %