Uncategorized

KOKOWÄÄH 2: Offensichtliche Konstruktion und ebensolcher Humor

Kokohasen, Keinschweigerküken, Dreiohrwääh: Schön langsam wird es schwierig, die Familien- und Beziehungskomödien von Til Schweiger auseinanderzuhalten – und das nicht nur, weil sie bei Fortsetzungen einfach mal dasselbe Plakatmotiv verwenden. Inszenierung und Soundtrack bleiben ebenso gleich wie das Schauspielensemble, der Mario-Barth-Humor über die Unterschiede zwischen Männern und Frauen sowie die Bad-Taste-Einlagen für maximalen kommerziellen Erfolg. Selbst Adam-Sandler-Komödien loten mehr Spielraum im Genre aus.

Nun war Schweigers KOKOWÄÄH ein durchaus vergnüglicher Vertreter seiner Art – eine herzige Vater-Tochter-Geschichte, die den Charme von Schweigers junger Tochter Emma perfekt für sich einzusetzen wußte. Die Fortsetzung KOKOWÄÄH 2 ist – wer hätte es gedacht – zunächst mal einfach mehr davon: Knuffige Kinder, ein bißchen Beziehungsdrama, viel offensichtlicher Humor. Alles, was man dem Erstling nachsehen konnte, ist auch hier wieder an Ort und Stelle: Die filmisch ganz unspannende Inszenierung, die, schnipp-schnapp-schnipp-schnapp, stets zwischen den ganzen sprechenden Köpfen hin- und herspringt und dabei immer Platz für etwas Augenkullern von Emma läßt. Der verkaufsfördernde Pop-Soundtrack, der den Film von vorne bis hinten beschallt und so sehr Mainstream ist, daß man ihn mit Madonna-Songs experimenteller gestalten könnte. Und die sonnige Werbeoptik, die alle Stars immer schick aussehen läßt.

Damit die Geschichte um das Kind mit den zwei Vätern – einer der Erzeuger, der andere der, der sie großgezogen hat – weitergehen kann, muß die Fortsetzung allerdings recht konstruieren. Henrys Freundin Katharina zieht aus der gemeinsamen Wohnung aus, weil sie von der Alltäglichkeit der Beziehung frustriert ist, und somit muß sich Henry wieder alleine um Tochter Magdalena kümmern (sowie um ihren gemeinsamen Sohn Louis). Tristan, der Nicht-Vater, verliert derweil seine Arztpraxis, weil er in ein Geschäft zur Gewinnung von Energie aus Kuhfladen investiert hat, und muß deswegen zu Henry und Magdalena in die WG ziehen – wo sich also ab sofort beide Männer um Kindererziehung und Haushalt kümmern. Und weil Schweiger-Buddy Matthias Schweighöfer auch noch eine Rolle braucht, taucht der als er selbst auf – ein Filmstar, der im neuen Film von Autor Henry die Hauptrolle spielen soll, aber diverse Änderungswünsche hat.

So wirkt diesmal also alles wesentlich bemühter, weshalb es auch schwerer fällt, über die Probleme von Schweigers Welt hinwegzusehen. Einmal mehr spielt Til die Figur, die er in all den verwandten Filmen kultiviert hat und die nur in der Wirklichkeit des Films ein Sympathieträger ist. Henry gibt sich gerne stoffelig und nuschelt schlechtgelaunte Schroffheiten, ist unfreundlich zu seiner Umwelt, wird beim bloßen Anblick eines Mannes neben seiner Freundin eifersüchtig und pampig, haut seinen Mitmenschen gerne auch mal in die Fresse, kümmert sich nicht um andere und macht sich mit Vorliebe über andere lustig. Daß eine solche Figur Probleme mit sich und der Welt hat, will sich KOKOWÄÄH 2 (ebenso wie die anderen Schweiger-Filme) aber nicht eingestehen: In der Traumwelt dieses Films ist Henry der unverstandene Coole, die anderen sind einfach dumm oder lästig.

Schon zu Beginn ist Henry so lässig, daß er Tristans Verhalten beim Sex verspottet – die dazugehörigen Infos hat er von Tristans Ex-Frau – und Tristans neue Freundin beleidigt, weil die um einiges jünger ist (der Film übersieht dabei, daß Schweiger auch 15 Jahre älter ist als seine Filmpartnerin Jasmin Gerat). Später veralbert er einen Verkäufer, bei dem seine Tochter ein iPhone klauen wollte und der Anzeige erstatten will, indem er ihm einredet, er sehe aus wie Al Pacino und müsse unbedingt in seinem nächsten Film mitspielen; danach klärt er seine Tochter dann über richtiges Verhalten auf. Weil er eifersüchtig ist, redet er den Lektor seiner Freundin, die gerade an einem neuen Buch arbeitet, von der ersten Sekunde an schwach an. Überhaupt behandelt er seine Liebste permanent so genervt und gleichgültig, daß man ihr raten möchte, sich ihr Glück doch lieber bei irgendwem anders zu suchen. Leider sieht sie zum Schluß Schweiger im sonnigen Gegenlicht stehen, er darf ein paar Tränen verdrücken, und schon ist alles wieder gut.

Weil der schlechte Geschmack vor allem in den ZWEIOHRKÜKEN, aber zum Beispiel auch in der Beziehungskomödie WHAT A MAN von Kollege Schweighöfer gefeiert wurde, darf er sich auch in KOKOWÄÄH 2 ein wenig einnisten. Da gibt es einerseits ein paar Zoten, die mit langem Bart daherkommen – zum Beispiel will Tristan in einem Geschäft eine Duschlampe kaufen, aber jeder glaubt, er redet die Leute mit den Worten „Du Schlampe“ an. Andererseits gibt es eine Sequenz, in der das Baby Louis erst Henry vollpinkelt und dann braune Häufchen auf Tristans Perserteppich sprüht. Anschließend fällt Louis noch vom Wickeltisch, weil Henry gerade Tristan auslacht. Weil dazu irgendein clubtauglicher Charthit über den Soundtrack hämmert, wissen wir, daß die Szene unglaublich komisch ist.

Noch eine Anmerkung sei gestattet: Schon im Erstling machte sich Schweiger Luft, weil ihm immer vorgeworfen wird, er mache reine Unterhaltung, und weil die Kritiker seinen Filmen wenig abgewinnen können. Auch hier wird in diese Kerbe gehauen: Ein Arthouse-Regisseur will Henrys Skript umarbeiten und auch das Happy End streichen. Henry ist erbost: Er schreibt für das Publikum – der Regisseur mag zwar in Cannes die Goldene Palme gewonnen haben, aber was nützt ihm das, wenn nur 20.000 Menschen den Film sehen? Schweigers durchschaubare Rechtfertigungsstrategie gewinnt kaum dadurch, daß der Regisseur als weltfremder, arroganter Kauz auftreten darf, der Frauen Geld gibt, damit sie in der Öffentlichkeit als seine Fans auftauchen – einmal mehr: alle dumm außer Schweiger. Ich hoffe, daß er irgendwann den Kunst-Kommerz-Konflikt nicht mehr als reine Entweder-oder-Angelegenheit sehen kann – oder einfach seinen Erfolg genießen kann, ohne anderen zu sagen, daß sie blöd sind, wenn sie etwas anderes machen wollen als reine Unterhaltung.

Als solche ist KOKOWÄÄH 2 ansehbar. Er ist in seinen Geschlechterstereotypen und in seinen Bad-Taste-Elementen nicht gar so vehement wie ZWEIOHRKÜKEN oder Schweighöfers WHAT A MAN, und letztlich auch in seiner ermüdenden Inszenierung nicht gar so auslaugend wie ersterer, der seine Entwicklungen so lautstark ausbuchstabierte, daß man sich irgendwann erdrückt fühlte. Der Til-und-Emma-Charme scheint noch durch, und wenn sich der Film auf die Szenen zwischen Henry und Magdalena konzentriert, bleibt er auch amüsant. Letzten Endes muß man mit den Schweiger-Filmen halt wie mit Kindern umgehen: Vor allem nachsichtig sein.

 

Kokowääh 2 (Deutschland 2013)
Regie: Til Schweiger
Buch: Béla Jarzyk, Til Schweiger
Musik: Dirk Reichardt, Martin Todsharow
Kamera: Adrian Cranage, Erik Lee Steingröver
Darsteller: Til Schweiger, Emma Schweiger, Samuel Finzi, Jasmin Gerat, Jytte-Merle Böhrnsen, Maurizio Magno, Matthias Schweighöfer, Jana Reinermann, Julia Jentsch, Michael Ostrowski, Steffen Wink, Luna Schweiger

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    Comments are closed.

    0 %