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Der Kampf ums Weiße Haus: WHITE HOUSE DOWN vs. OLYMPUS HAS FALLEN

Das weiße Haus ist reif für eine Renovierung: Gleich zwei Kinofilme haben sich dieses Jahr mit Vehemenz an die Arbeit gemacht, den geschichtsträchtigen Regierungssitz der Vereinigten Staaten zu demolieren. Es ist mittlerweile gar kein Ausnahmefall mehr, daß zeitnah zwei Blockbuster dasselbe Thema beackern – sei es ein Asteroideneinschlag auf der Erde (ARMAGEDDON vs. DEEP IMPACT), ein Vulkanausbruch (VOLCANO vs. DANTE’S PEAK), die Schneewittchengeschichte (SPIEGLEIN SPIEGLEIN vs. SNOW WHITE & THE HUNTSMAN), oder nun eben die Terroristenattacke auf die Präsidentenbude. Zugegeben: Antoine Fuqua mag mit seinem OLYMPUS HAS FALLEN unserem liebsten Krawallkind Roland Emmerich bzw. dessen WHITE HOUSE DOWN um ein paar Monate zuvorgekommen sein, aber eigentlich treten beide mit der Geschichte in die Fußstapfen der Serie 24, in deren siebter Staffel schon 2009 böse Buben dieselbe Hütte besetzten. Die bekamen es dann mit Spezialagent Jack Bauer zu tun, und als informierter Zuseher rechnete man jede Sekunde damit, daß Jack für die amerikanische Sicherheit den Verteidigungsminister foltern und das Oval Office sprengen würde.

So drastisch waren die Geschehnisse aber dann doch nicht, weshalb nun zumindest die Zerstörung des Gebäudes auf Leinwandgröße mit Wonne nachgeholt werden kann. Von Emmerich ist man solcherlei Destruktionsmanie ja schon gewöhnt: Immerhin hat der Mann schon ein paar Mal die Welt untergehen lassen, New York vernichtet, diverse Denkmäler demoliert und die Shakespeare-Biographie zerfetzt. Die Vernichtung des Weißen Hauses ist für ihn ohnehin Selbstzitat: Schon in INDEPENDENCE DAY mußte das Bauwerk daran glauben. Und weil Emmerich sich nicht wahnsinnig ernst nimmt, darf in WHITE HOUSE DOWN auch ein Reiseführer bei der Tour durch das Weiße Haus eben diesen Film namentlich erwähnen.

Überhaupt ist Rolands Radaustreifen eine Angelegenheit mit viel Augenzwinkern – der Angriff ist höchst absurd und steigert sich ins Wahnwitzige, die Figuren sind überlebensgroße Stehaufmännchen, dazu gibt’s Instant-Patriotismus und kernige Sprüche. Ganz nach eigener Schmerzgrenze und Empfindsamkeit ist das also – wie so oft bei Emmerich – entweder ärgerlich und hohl oder eben ein brillant eskapistisches Feuerwerk allerschelmischster Zerstörungsfreude. Der Präsident (Jamie Foxx) darf hier noch als idealistischer Superheld auftreten, ein Über-Obama ohne Abhörskandal, der zur Terroristenhatz die feinen Treter gegen Turnschuhe eintauscht und dem finsteren Obereumel der Verschwörung auch schon mal indigniert das böse F-Wort um die Ohren knallt. Sein Buddy in diesem LETHAL-WEAPON-STIRB-LANGSAM-Actionmix ist der nette Cop Cale (Channing Tatum), der sich an just dem Tag des Angriffs vergeblich als Secret-Service-Mann beworben hat und nun an der Seite des Staatsoberhauptes zeigen kann, aus welchem Holz er geschnitzt ist – aus unkaputtbarem nämlich. Nebenher darf er sein Töchterlein beschützen, das ebenfalls durch das Weiße Haus rennt, den coolen Präsidenten mal eben für ein YouTube-Video interviewt und den Terroristen auch schon mal die Meinung geigt.

Und ja, die bösen Burschen: Die läßt Emmerich nicht etwa aus irgendeinem Schurkenland antreten, sondern aus den eigenen Reihen. Sobald James Woods auf der Leinwand auftaucht, ist natürlich glasklar, daß er sich als Drahtzieher entpuppen wird – auch wenn es zu diesem Zeitpunkt noch gar keine Missetaten zu vermelden gibt. Die lassen aber nicht lange auf sich warten: Eine als Putzkolonne verkleidete Terrorgang läßt im Weißen Haus eine Bombe hochgehen und ballert dann zackig den kompleten Sicherheitsstab weg, um den Präsidenten als Geisel zu nehmen. Lange bleibt Amerikas Chef aber nicht in den Fängen der Rechtsextremisten, die offenbar mit seiner pazifistischen Außenpolitik nicht einverstanden sind, und für die restlichen anderthalb Stunden Laufzeit spielen Staatshäuptling und Supercop quer durch das White House Katz und Maus mit den Übeltätern. Wer glaubt, daß da nur Großteile der Architektur durchlöchert werden, war noch nie in einem Emmerich-Film: Es werden noch jede Menge große Vehikel und schweres Kriegsgerät in die Handlung geworfen, damit der Spaß alle fünfzehn Minuten noch ein bißchen mehr krachen kann.

Gegen Emmerichs spitzbübische Actionphantastik nimmt sich Antoine Fuquas OLYMPUS HAS FALLEN ernst und geradezu realistisch aus – sofern man bei einem Plot, in dem ein einzelner Secret-Service-Mann eine kleine Armee vernichten, den nuklearen Holocaust abwenden und seine Freundschaft zum Präsidenten wieder kitten kann, irgendwie von Realismus sprechen kann. Aber zumindest bemüht sich der Film um eine gewissermaßen bodenständigere Version dieses Terrorangriffs: Im Gegensatz zu den Over-the-Top-Pirouetten, die Emmerichs Plot schlägt, wird hier nicht noch beständig ein neues Actionkaninchen aus dem Hut gezogen. Nach der Besetzung des Weißen Hauses und der Geiselnahme des Präsidenten inklusive seines Stabes funktioniert der Film hauptsächlich als Thriller, bei dem nur im Ausnahmefall mal ein Helikopter einen gesamten Flügel des Gebäudes niederreißen darf.

Die Finsterlinge sind hier ganz in altamerikanischer Actiontradition misanthrope Ausländer – dem Zeitgeist gemäß humorlose Nordkoreaner – und die kommen mit immenser Kamikaze-Armee angerückt und durchlöchern nicht nur zwölfundsiebzigtausend Secret-Service-Agenten (denen man raten möchte, nicht dauernd auf dem Rasen herumzustehen), sondern auch noch die amerikanische Flagge – die dann in Zeitlupe achtlos auf den Rasen geworfen wird. Bei so viel Frevel ist es fast egal, was die Schurken überhaupt wollen, aber festgehalten sei es trotzdem: Sie wollen, daß Amerika seine Truppen aus Korea abzieht, um sich Südkorea dann unter den Nagel reißen zu können. Zum Glück hat Mike Banning (Gerard Butler), ehemaliger persönlicher Sicherheitschef von Präsident Asher (Aaron Eckhart), den Ansturm auf den Regierungssitz überlebt und kann nun die Terrororganisation mit viel Hartnäckigkeit nach und nach dezimieren.

Wo Emmerich auf ein gewisses harmloses Vergnügen abzielt, setzt Fuqua auf harte Auseinandersetzungen: In OLYMPUS HAS FALLEN wird blutigst gekämpft. Ein ums andere Mal spritzt das Blut der per Kopfschuß niedergestreckten Widerlinge durch die Gegend, die Wunden tun weh, im Hospital wird ein verletzter Agent mit abgetrenntem Arm durch das Bild geschoben. Auch sonst geht es hier nicht zimperlich zu: Unser Held darf beim Verhör auch schon mal einem Terroristen das Messer in die Kehle rammen, um dessen Kollegen einzuschüchtern.

Die verbissene Härte, die nur hin und wieder Raum für einen flotten Spruch läßt, resultiert einerseits in einem oberflächlich spannenden Powerfilm – aber andererseits ist es genau diese Ernsthaftigkeit, die die patriotischen Anflüge umso zynischer werden läßt. Wo Emmerichs Amerika-Lobpreisung immerhin mit leiser Selbstironie gezeichnet wird und durch den Plot der unzufriedenen Regierungsmitglieder auch einen gewissen Raum für den Gedanken läßt, daß sich nicht alle Menschen einig sind, wie dieses Land auszusehen habe, zelebriert Fuqua ein weit reaktionäreres US-Motiv: Wir halten zusammen, und der Rest der Welt soll nur probieren, uns ans Bein zu pinkeln.

Natürlich braucht man weder in den einen noch in den anderen Film zuviel hineinzulesen: Trotz Beschwörung zahlreicher politischer Symbole – freilich schon alleine in der Prämisse – wird hier keine Politik gemacht, hier werden Lust und Nervenkitzel am Katastrophenszenario ausgekostet. Mit seinem Witz ist Emmerichs Film tatsächlich der reizvollere, auch wenn er gleichzeitig der noch größere Unfug ist – aber im Gegensatz zum Fuqua-Gefecht scheint er das wenigstens auch zu wissen.

 

White House Down (USA 2013)
Regie: Roland Emmerich
Buch: James Vanderbilt
Kamera: Anna J. Foerster
Musik: Harald Kloser, „Thomas Wander“ (= Thomas Wanker)
Darsteller: Channing Tatum, Jamie Foxx, Maggie Gyllenhaal, Jason Clarke, Richard Jenkins, Joey King, James Woods, Nicolas Wright, Jimmi Simpson, Michael Murphy, Rachelle Lefevre, Matt Craven, Jake Weber

Olympus Has Fallen – Die Welt in Gefahr (USA 2013)
Originaltitel: Olympus Has Fallen
Regie: Antoine Fuqua
Buch: Creighton Rothenberger, Katrin Benedikt
Kamera: Conrad W. Hall
Musik: Trevor Morris
Darsteller: Gerard Butler, Aaron Eckhart, Finley Jacobsen, Dylan McDermott, Rick Yune, Morgan Freeman, Angela Bassett, Melissa Leo, Radha Mitchell, Cole Hauser, Malana Lea

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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