Der gute Joe D’Amato ließ einfach nichts anbrennen: Nach dem sensationellen Überraschungserfolg der Hong-Kong-Erotikkomödie SEX UND ZEN (1991, Regie: Michael Mak) reiste er 1993 höchstselbst nach Asien, um dort gleich fünf (!) Streifen zu drehen, die aus der Kombination „Exotik + Erotik“ Kapital schlagen sollten. Neben I RACCONTI DELLA CAMERA ROSSA, CHINESE KAMASUTRA, CHINA AND SEX und THE LABYRINTH OF LOVE entstand in dieser Reihe auch der vorliegende THE HOUSE OF PLEASURE – der in England kurzerhand als ELEVEN DAYS, ELEVEN NIGHTS PART 7 verkauft wurde! Wie so oft ist alleine der staatsgrenzensprengende Background heiter genug, um das Interesse zu wecken: Da fährt ein italienischer Regisseur zusammen mit einem russischen Model in die Philippinen, um dort mit einem amerikanischen Darsteller einen vermeintlich chinesischen Film zu drehen. Aber schön: Immerhin ist Softsex-Erotik ja eine Sprache, die überall auf der Welt verstanden wird.
LA CASA DEL PIACERE, wie der Film auf Italienisch heißt, dreht sich um Lady Eleanor Sutton, die zusammen mit ihrem Ehemann Lord Gregory Sutton nach Manila reist, weil der dort geschäftlich zu tun hat. Sein dortiger Geschäftspartner Lin macht Eleanor Avancen und verführt sie – aber dann stellt sich heraus, daß das von Gregory eingefädelt wurde, weil er seiner Frau gerne beim Stelldichein mit fremden Männern zusieht. Und wie es der Zufall so will, betreibt Lin nebenher (aus Geldnot, versteht sich) eine Art Edelbordell, in dem er Eleanor immer wieder mit neuer Kundschaft verkuppelt, während Gregory vom Nebenzimmer aus per Videokamera als Voyeur fungiert. Aber dann verliebt sich Lin in Eleanor und will das Spiel nicht mehr mitspielen …
Wir sehen: Ganz großes Kino, diese Story – da tropft das Drama sanft und hübsch klebrig von den Seiten des Groschenhefts, während mit etwas ausgefallener Kulisse und dem Reiz des Verbotenen der Sinnlichkeit gefrönt werden darf. Aber das muß man Onkel Joe lassen: Solche eskapistischen Männerphantasien bastelt er wie kein zweiter. Es stellt sich nämlich nicht nur heraus, daß Lord Sutton viel Freude am Zusehen hat, sondern auch, daß Eleanor Vergnügen an dem Spiel findet und ihren Ausflug ins Land der Prostitution aufregend findet. Damit haben wir ein hübsches Dreiecksverhältnis (bzw. Viereck, wenn man so will, weil Lin auch mit der Geschäftsführerin seines „Ateliers“ verbandelt ist), in dem sich die Figuren allesamt gegenseitig manipulieren und letztlich trotzdem dabei ihren Spaß haben – nein, mit der Wirklichkeit hat das nicht viel zu tun, aber das trifft in den seltensten Fällen auf einschlägige Filme zu.
Passend zum Genre sind die Darsteller natürlich hoffnungslos oscarverdächtig: Lord Gregory wird von Nick Nicholson gespielt, einem etwas mopsigen Amerikaner mit Schnauzbart, der in den Philippinen lebte (und in zahlreichen dort gedrehten Filmen zu sehen war, darunter AMERICAN FIGHTER und PLATOON). Sagen wir mal so: Nick ist als englischer Lord mindestens so glaubwürdig wie Denzel Washington als Japaner – aber vielleicht hat sich Gregory den Adelstitel ja auch einfach auf eBay gekauft. Irina Kramer, die seine Frau Eleanor spielt, ist umwerfend attraktiv und wurde dafür synchronisiert, als wäre sie von der eher langsamen Sorte (THE HOUSE OF PLEASURE blieb übrigens ihr einziger Film). Und Marc Gosálvez, der den asiatischen Liebhaber Lin spielt (und auch in CHINESE KAMASUTRA und CHINA AND SEX zu sehen war), schaut einfach die meiste Zeit geradeaus.
Freilich erfordert ein solcher Film auch nicht zwangsläufig schaufelweise darstellerisches Talent – es geht um erotisches Flair, und davon hat der Film genug. Wie gehabt wurde der Film von D’Amato schnellstens heruntergekurbelt (schließlich mußte er ja noch vier andere Filme im selben Jahr drehen!), und trotzdem schafft er wieder den Photostrecken-Look, den auch seine ähnlich gelagerten Produktionen auszeichneten. Dabei hilft es natürlich, eine Frau wie Irina Kramer vor der Kamera zu haben, deren Gesicht wie modelliert aussieht und entsprechend liebevoll von D’Amato photographiert wird. Überhaupt ist es wohl kein Zufall, daß der Voyeurismus in so vielen seiner Produktionen eine große Rolle spielt: Wenn man sich seine Kameraarbeit in den entsprechenden Filmen genauer betrachtet, merkt man, daß er sich ganz einfach gerne schöne Frauen ansieht. Unterstützung erhält D’Amato übrigens auch wieder von seinem Komponisten Piero Montanari, der auch hier einen hübschen Score beisteuert, in dem Fahrstuhl-Wellness mit einer Prise Jazz und diesmal auch einem Schuß Asia-Flair vermischt wird.
So ganz verkehrt ist die Einordnung in die Reihe ELEVEN DAYS, ELEVEN NIGHTS also nicht: Wer D’Amatos Stil in diesen Streifen mochte, wird sich auch im HOUSE OF PLEASURE wohlfühlen. Nach der China-Reihe war übrigens für D’Amato weitestgehend Schluß mit Softsex: Aus finanziellen Gründen drehte er ab 1994 bis zu seinem Tod im Jahr 1999 fast nur noch explizitere Erwachsenenunterhaltung – teilweise mit demselben Team wie bei diesen zahmeren Produktionen. Aber wenigstens wurden alle diese Filme dann nicht mehr als Fortsetzungen von ELF TAGE, ELF NÄCHTE verkauft …
The House of Pleasure (Italien 1994)
Regie: „Joe D’Amato“ (= Aristide Massaccesi)
Drehbuch: Dan Chang
Musik: Piero Montanari
Kamera: „Federico Slonisko“ (= Aristide Massaccesi)
Darsteller: Irina Kramer, Nick Nicholson, „Marco S. Gonsalvez“ (= Marc Gosálvez), Andrea Ruiz, Liezl Santos
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