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Leisure Suit Larry: Magna Cum Laude (2005)

Wenig Lob für Magna Cum Laude

Vorsicht: Wer eine Aversion gegen schlechte Kritiken hat, sollte den Bericht zum achten Teil von LEISURE SUIT LARRY (namens MAGNA CUM LAUDE) eher vermeiden.

So demontiert man eine Legende. Die freudige Aufregung, von einem geplanten neuen LEISURE-SUIT-LARRY-Spiel zu hören, hat schnell Misstrauen Platz gemacht: Der achte Teil der Adventure-Kultserie um den Möchtegern-Frauenhelden Larry Laffer hat wenig mit den vorigen Spielen zu tun. Nicht Larry Laffer, sondern sein (ihm nachempfundener) Neffe steht im Mittelpunkt des Geschehens. Erste Sichtung des Spielsystems hat Stirnrunzeln verursacht: Larry 8 (das unter dem Namen LEISURE SUIT LARRY: MAGNA CUM LAUDE unter das Volk kommen sollte) wird im TOMB-RAIDER-Stil programmiert, wo die Spielfigur durch 3D-Landschaften gesteuert wird, die Interaktion mit der Umgebung aber auf ein simples „Benutzen auf Tastendruck“ reduziert wird. Und dann der gröbste Schnitzer: Designer Al Lowe, dessen unverkennbarer Humor die vorigen Teile prägte, wird (trotz flugs ins Leben gerufener Online-Petition) gar nicht mit an Bord sein. Dennoch: Wir haben gehofft.

Zeit für eine kleine computergeschichtliche Exkursion: Die LEISURE-SUIT-LARRY-Reihe wurde seinerzeit – Ende der 80er bis Mitte der 90er – von der Firma Sierra produziert, die auch andere beliebte Adventure-Reihen wie KING’S QUEST und SPACE QUEST im Programm hatten. 1996 verkaufte Firmeneigner Ken Williams die Firma (über ein paar Umwege) an Vivendi, und die neue Firmenleitung hatte nichts Besseres zu tun, als alle alten Mitarbeiter zu entlassen (allen voran die Designer, die den Spielreihen ihre eigene Identität gegeben haben) und die erfolgreichen Reihen brachliegen zu lassen. Weil in dem Heckmeck um den Verkauf seinerzeit einige nicht ganz blütenreine Machenschaften im Spiel waren, stehen auch immer noch diverse Juristen vor der Tür, die den Drahtziehern einige Jährchen aufbrummen möchten, die etwas Verschlossenes an sich haben. Ken Williams dagegen befindet sich mittlerweile in Pension und kommuniziert mit den Fans per Website: www.sierragamers.com – ein guter Ort, um ein wenig tiefer in die lohnenswerte Sierra-Geschichte einzudringen.

Umso aufregender, daß Vivendi jetzt die LEISURE-SUIT-LARRY-Reihe reaktivieren möchte. Und umso enttäuschender, daß das Spiel, das jetzt endlich in den Läden steht, sich zu den alten Klassikern verhält wie EPISODE I zum originalen KRIEG DER STERNE. Polemisch formuliert: Die Legende Larry Laffer wird derart demontiert, daß eine Anzeige wegen Vandalismus angebracht erscheint.

Natürlich geht es auch in MAGNA CUM LAUDE darum, möglichst viele Frauen anzubaggern. Larrys Neffe, Larry Lovage, zieht durch ein typisches Studentenleben und ist hoffnungsfroher Kandidat für eine Single-Show, die ihm endlich Tür und Tor zum weiblichen Geschlecht öffnen soll. Wo aber die früheren Spiele eine pfiffige Rahmenhandlung mit teils banalen, teils hammerschweren Puzzles boten, herrscht hier gähnende Langeweile: Larry läuft unmotiviert durch Studentenwohnheim, Campus und Stadt, quasselt Frauen an und vertreibt sich (bzw. dem Spieler) die Zeit mit selten dämlichen Mini-Spielen, deren Gehalt knapp unter dem von Tic-Tac-Toe liegt.

Das Ganze sieht dann also so aus: Man läuft auf eine Frau zu, drückt die „Benutzen“-Taste, um mit ihr zu reden, und steuert dann in einem kleinen Geschicklichkeitsspiel ein kleines Spermium um Hindernisse herum, um die Konversation zu lenken. Das geht mit zwei Tasten – oben und unten – und beinhaltet grüne Symbole, die man aufsammeln sollte, und rote Symbole, die man vermeidet. Und wenn dann die Spannung einen ihrer vielen siedenden Höhepunkte erreicht, kommt eine Tanzsequenz, in der man vorgegebene Tastenkombination im richtigen Rhythmus duplizieren soll: rauf-rauf-runter-links.

Ehrlich: Das ganze Spiel besteht aus solch niveaulosen Beschäftigungstherapien. Ob man am Automaten Tischtennis spielt oder in Super-Mario-Manier Schlägertypen am Campus entkommen soll – es passiert rein gar nichts, was den Spieler auch nur annährend herausfordert. Oder interessiert. Oder gar unterhält. Wer mag, darf auch zwischendurch zum Beispiel Photos schießen, die man dann herumstreunenden Studenten andreht. Aber ganz ehrlich: Man kann’s auch lassen.

Und der Humor? Hält sich konsequent auf Zoten-Niveau. Ganz verkrampft verrucht werden da in schrägen Kameraperspektiven große Brüste durchs Bild geschoben, anzügliche Formen sind en masse zu finden, und ein Sexwitz jagt den anderen. Jaja: Die frühen Spiele waren auch frech, aber wesentlich verschrobener, und lange nicht so peinlich wie das, was hier aufgefahren wird. Die deutsche Synchro ist technisch gut gemacht, quält aber den Spieler damit, daß auf einmal über Wolfgang Petry und PUR geredet wird.

Was bleibt uns also? Die feine 3D-Graphik? Okay. Und dann noch der Wunsch, daß Vivendi die anderen Sierra-Reihen in Ruhe läßt. Wenn die Neuauflage eines Klassikers so aussieht wie MAGNA CUM LAUDE, dann möchten wir eigentlich lieber gar nichts spielen. Ehrlich.

Hinweis: Dieser Text erschien zuerst am 6. Dezember 2005 bei Fritz!/Salzburger Nachrichten.

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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