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Ein-Mann-Power!

Immer, wenn man sich in Sicherheit wiegt, macht die Konkurrenz aus Köln Druck und legt ein neues Werk vor. Die Rede ist natürlich von Selbstfilmer Jörg Zimmermann, dessen zweites Opus – „Der neue Lagerchef“ – gerade seinen Weg ins weltweite Netz fand. Sieh an, wir haben es hier mit einer zusammenhängenden Serie zu tun, die uns erschütternde Einblicke ins Leben eines Lagerarbeiters gewährt. Es menschelt ein wenig im Betrieb, bei Personalchef Thomas Fritz liegen die Nerven blank, während Lagerchef Bernd Meier eine eher ruhige Kugel zu schieben scheint. Doch welch bekümmernde Nachricht müssen wir da beinahe im Vorübergehen entgegennehmen: Herrmann, der alte Personalchef, liegt wegen eines Bandscheibenvorfalls im Krankenhaus und schlägt sich nun durch Schwimm- und Saunatherapie hindurch. Wie schon im ersten Film „Das Gespräch“ (unbedingt ansehen!) inszeniert Zimmermann mit kleinen, kontrollierten Gesten und fängt in sehr europäisch angehauchten Momenten den Alltag im Papierlager gekonnt ein. Dickes Lob wieder für die immense Ehrlichkeit, die sein Spiel kennzeichnet, und die lebensnahen Dialoge. So, und jetzt wird nicht mehr länger geschwafelt, jetzt wird sofort heruntergeladen: http://www.joerg-video.de/00001.html.

Aaaargh, und dieser Schnauzbart …!

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    7 Comments

    1. Ich habe dieses Mammutwerk am Wochenende auch gesehen und was soll ich sagen? Wahnsinn! Der visuelle Stil und die ausgeklügelten Dialoge sind schon fast Fassbinderlike und dazu kommen noch diese obercoolen Rollennamen: Scheiß auf Hicks und Hudson, jetzt sind Maier und Müller angesagt. Das beste ist die tiefe Kritik am modernen Arbeitsstress wenn Maier (oder Müller?) selbst beim Wurstessen (der dramatische Höhepunkt des Films) durch Anrufe gestört wird, ich habe sehr geweint bei dieser Szene. Bitte auf das Aquarium im Büro des Chefs achten, dahinter steht bestimmt eine tiefere Bedeutung: Wir sind alle nur Gefangene im Abwasser der Gesellschaft, so oder so ähnlich 😉

    2. Einer neuer Teil! Ich habs ja noch garnicht nicht gesehen! Aber es scheint sein Opus Magnum zu sein. Ein große Ballade über den Mann, den Mensch und das Leben an sich. Man hats ja schon in der Pilotfolge leicht erkannt. Scheiß auf J.J.Abrams Barcadifuzzis – hier wird das wahre Leben porträtiert und es ist spannender als jede Fiktion. – So und jetzt geh ich schlafen, weil ich spinn schon wieder irgendwelchen scheiß zam.

    3. Zimmermann, der Wim Wenders des 21. Jahrhunderts, ist ein Gigant der europäischen Arthouse-Szene, wird vom oberflächlichen Durchschnittsbetrachter aber meist missverstanden. Die unterkühlte Inszenierung fesselt den Zuseher geradezu an die minimalistisch angelegten Protagonisten und lenkt ihn damit vom Bildhintergrund ab, wo der eigentliche Film über bedeutungsschwangere Symbole erzählt wird, die der Künstler collageartig als scheinbar dissonante Elemente zu einer Synopse postkapitalistischer Greuel montiert. Während in Edvard Munchs DER SCHREI Schmerz und Intensität durch Verfremdungseffekte in der malerischen Darstellung erzielt werden, verläßt sich Zimmermann völlig auf die elektrisierende Spannung zwischen Bildvorder- und Bildhintergrund. Diese scheinbar statischen Flächen reiben wie Gewitterwolken aneinander und der sensible Betrachter leidet bitterlich unter dieser Ruhe vor dem Sturm, diesen letzten versöhnlichen Augenblicken vor der kolossalen Entladung.

    4. Also, ich das jetzt gesehen – des is net wahr oder?

    5. Ich hab mir das jetzt durch den Kopf gehen lassen und ich glaub der Mann is ein sehr kluger Filmemacher. Er führt uns alle hinters Licht und wir fallen drauf rein. Wie er seinen Film bildkompositorisch und charaktermomentarisch anlegt, da sehe ich einen Mysterytwist von Carterischen Ausmaßen auf uns zukommen. Das mechanische Spiel von Bernd Meyer, der wohl in Wirklichkeit ein Alien, Roboter oder Taliban ist, diese merkwürdigen spacigen Sounds, die von der elektrischen Schreibmaschine zu kommen scheinen und aber dann auch immer wieder einfach so wo auftauchen, die Bildeinstellungen von Füßen, die über Böden gehen und Händen, die an Türen klopfen, vermitteln Bedrohung und Gefahr. Und fällt euch auf – diese Hände und Füße gehören immer Bernd Meyer.

    6. Die Wellen schlagen hoch: Dieses Panoptikum der Emotionen, das Zimmermann hier vorlegt, regt zur Diskussion an, weckt Sympathien, zeigt einen Filmemacher in der formativen Phase. Ich jedenfalls freue mich auf die nächste Folge aus der Firma Papier Müller und erwäge, Jörg ein Skript für einen neuen Selbstfilm zu schreiben.

    7. Nachdem ich gestern abend das unverhoffte Vergnügen hatte dieses Kleinod deutschsprachigen Films zu sehen, möchte ich nun folgendes anmerken: Selten sah ich ein derart in sich schlüssiges Werk! Jörg Zimmermann war sich selbst genug um diese cineastische Offenbarung einem breiten Publikum GRATIS zugänglich zu machen. Die Story ist straight und zeigt die große Verantwortung mit der sich ein Personalchef konfrontiert sieht, wenn es um die Nachbesetzung eines Postens im Lager geht.
      Abgesehen von der malerischen Szenerie eines Konzernbüros, muss man dem Multitalent Zimmermann, der sowohl Regisseur als auch Regieassistent zur selben Zeit! war, auch die Wortgewandtheit zu Gute halten mit der er lebhafte Dialoge erzeugt. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass verschiedene Betonungen der Grußformel „Und tschüss!“ sowohl Gänsehaut wie Lachkrämpfe beim Zuschauer erzeugen können – ein Stilmittel, das einem Charakterdarsteller wie Zimmermann zweifellos bekannt sein musste.
      Jörg Z. zeichnet zwar jetzt noch für Independent und Low/No-Budget-Produktionen verantwortlich, aber ich glaube wir können noch großes von ihm erwarten – auf nach Cannes oder zur Berlinale!

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