COP KILLERS: Ein leerer Amoklauf durch Amerika

Film / Retrospektive / 28. November 2015

Eigentlich sollte es ein entspannter Deal werden: Einen Koffer mit Drogen abholen und über die Grenze schmuggeln, Geld dafür in Empfang nehmen, das schöne Leben genießen. Aber gleich nach der Übergabe geht alles schief: Die Polizei will die beiden Gauner Ray und Alex einkassieren, aus Panik entsteht eine Schießerei, und schon haben die beiden vier Polizisten auf dem Gewissen. Es ist nur der Auftakt für eine lange, gewalttätige Reise durch das Land …

Als sich die Fertigstellung ihrer Science-Fiction-Parodie FLESH GORDON in die Länge zog und dank der ausufernden Spezialeffekte mehr und mehr Kosten verursachte – ganz zu schweigen von den Schwierigkeiten mit dem Gesetz, weil sie pornographische Filme produzierten – beschlossen die beiden Produzenten Howard Ziehm und Bill Osco, für ein geringes Budget schnell einen kleinen Reißer zu drehen, der wieder Geld in die Kassen spülen sollte.

Ein Kinobesitzer aus Texas, dem sie zuvor schon einschlägige Filme verkauft hatten, war bereit, $50.000 in das Unterfangen zu investieren – und so schrieben Ziehm und Osco zusammen mit ihrem FLESH-GORDON-Assistenten Walter Cichy eine Story über zwei Gesetzlose auf der Flucht. Cichy würde die Regie übernehmen, Ziehm wie bei FLESH GORDON die Kamera. Osco nutzte die Gelegenheit, um nicht nur als Produzent aufzutreten, sondern sich auch gleich eine der beiden Hauptrollen zu geben. Seinen Kumpanen spielte FLESH-GORDON-Star Jason Williams.

Zwei Drogenschmuggler auf der Flucht: Alex (Bill Osco, links) und Ray (Jason Williams).

Das Ergebnis ist gewissermaßen die zynische Exploitation-Billigvariante von Zeitgeist-Filmen wie ZWEI BANDITEN oder EASY RIDER. Vielleicht schwebte Osco und seinen Kollegen eine Brutalo-Version des letzteren Films vor: Zwei Hippie-eske Outlaws ziehen durch Amerika, im steten Konflikt mit allen Autoritäten. Immerhin war gerade die Zeit der Gegenkultur ein Klima, in dem der Kriminelle in Geschichten gerne auch für den Freiheitssuchenden stand – vom Ausbrecher-Vater in Spielbergs SUGARLAND EXPRESS über die Bankräuber in Ciminos DEN LETZTEN BEISSEN DIE HUNDE bis hin zu den mordenden Teenagern in Malicks BADLANDS. Die Figuren, die sich zu dieser Zeit auf die Suche nach einem besseren Leben begaben, mußten fast zwangsläufig mit dem Gesetz aneinandergeraten.

So gesehen ist es gewissermaßen stimmig, daß in der Variante von Filmemachern, die sich ohnehin schon auf nicht immer legalen Pfaden bewegten, die beiden Glücksritter nicht nur harmlose Gauner sind. Der von Jason Williams gespielte Ray ist der schlimmere Finger der beiden Gestalten: Ein brutaler Irrer mit ganz kurzer Lunte, der immer wieder die Menschen, denen die beiden auf ihrer Flucht begegnen, kaltblütig ermordet und daran auch noch eine sadistische Freude hat. Nicht, daß der von Osco gespielte Alex viel besser wäre – er versucht zwar, eine als Geisel mitgenommene Frau zu schützen, hat aber sonst auch nicht immense Skrupel. Daß Alex und Ray sich gegenseitig immer mehr an die Gurgel gehen, hat eher etwas damit zu tun, daß Alex mit heiler Haut davonkommen will und sich Sorgen macht, daß Rays Gewaltakte immer wieder Aufmerksamkeit auf die beiden lenken.

Karen (Diane Keller) freut sich nur bedingt, Ray (Jason Williams) auf seiner Reise begleiten zu dürfen.

Die Suche, auf die sich die beiden Soziopathen somit begeben, ist eine ganz und gar leere – es ist ein nihilistischer Amoklauf, der nirgendwohin führt und von nichts handelt. Der amerikanische Traum vom erkämpften reichen Leben ist hier nur eine sinnlose und gefährliche Idee, die von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Ganz abgesehen davon, daß es gar nicht mal die Gier ist, die unsere Protagonisten zu Gewalttätern werden läßt: Man kriegt gar nicht erst das Gefühl, daß sie in dieser Schieß-dich-frei-Welt irgendwann anders gewesen wären.

Die schnoddrige Machart kommt dem Pessimismus von COP KILLERS nur zu Gute: Man merkt das fehlende Budget in jeder Szene, gedreht wurde in einem schnellen Grindhouse-Stil, der vor Ecken und Kanten nur so strotzt. Genau diese rohe Machart aber paßt zum Inhalt – und auch wenn Ziehm, wie man immer wieder sehen kann, bei weitem kein professioneller Kameramann ist, hat er doch das Auge eines Photographen und schafft mit seinen Bildern eine interessante Intensität: Oft klebt er beklemmend nah an den Gesichtern, dann wieder wirft er Bilder ein, die durch ihre schiefe Optik oder ihr extremes Spiel zwischen Vorder- und Hintergrund mit comichafter Energie aufgeladen sind (man beachte z.B. einige der Einstellungen im ersten Schußwechsel).

Bei manchen Kameraeinstellungen merkt man vielleicht schon, was für Filme Howard Ziehm sonst so drehte.

Es ist Ironie des Schicksals, daß der Plan der Filmemacher ebensowenig aufging wie der ihrer Figuren. COP KILLERS verschwand sang- und klanglos und brachte nicht den erhofften Geldsegen. Auch Oscos Schauspielkarriere, die er mit dem Film starten wollte, führte ins Nichts – eigentlich schade: Man würde ihm keine Preise hinterherwerfen, aber er ist ein interessanter Typ, und seine entspannte Art funktioniert gerade im Kontrast zu dem aufbrausenden Jason Williams. (Zehn Jahre später gab er sich selber noch einmal eine Hauptrolle, in Jackie Kongs THE BEING, aber dort wurde er dann nachträglich von einem anderen Schauspieler synchronisiert.)

Es steht zu bezweifeln, daß hinter diesem Amerikaporträt eine Reflektionsebene seitens Osco & Co. steckt – immerhin war das Hauptziel ja, Geld heranzuschaffen. Aber auch aus einem diffusen Bauchgefühl heraus kann Zeitgeist getroffen werden – und der ist in dieser dreckigen Geschichte des Scheiterns ständig spürbar.

Mehr von Howard Ziehm auf Wilsons Dachboden:
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Cop Killers (USA 1973)
Regie: Walter Cichy
Buch: Walter Cichy, nach einer Story von Howard Ziehm, Bill Osco & Walter Cichy
Kamera: Howard Ziehm
Produktion: Howard Ziehm, Bill Osco
Darsteller: Jason Williams, Bill Osco, Diane Keller






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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, handelte von einem Schriftsteller, der eine junge Frau entführt, weil er sie als Inspiration für sein Buch braucht. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, unter anderem für Film & TV Kamera, Celluloid, GMX, den All-Music Guide, 35 Millimeter, Neon Zombie und Salzburger Nachrichten. Er hält Vorträge zu Filmthemen und kuratierte 2014 an der Universität Salzburg eine Filmreihe zum Thema "Erster Weltkrieg".





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