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Durch die Nacht mit PRINCESS WARRIOR

Es ist gut, wenn man Freunde hat, die einem neue Horizonte eröffnen. Letzten Freitag hätte ich wohl einen ganz schnöden Arthouse-Film gesehen, Truffaut vielleicht oder Fellini – wäre da nicht der junge Don Arrigone vorbeigekommen und hätte mich dazu überredet, stattdessen ein obskures Direct-to-Video-SciFi-Epos mit dem Titel PRINCESS WARRIOR zu begutachten. Spärlich bekleidete Frauen, Lichtschwerter, Neonfarben, ein Kampf auf Leben und Tod und ein Wet-T-Shirt-Contest – wer mich kennt, weiß, wieviel Zeit der junge Eleve aufwenden mußte, um mich für dieses Werk zu begeistern. (Hartnäckige Gerüchte besagen freilich, daß ich den Film für den besagten Filmabend vorgeschlagen hätte. Welch absurder Gedanke!)

PRINCESS WARRIOR dreht sich nicht um die gute Xena, sondern um die beiden Schwestern Ovule und Currette, die auf einem von diesen Planeten herumspazieren, auf dem die Frauen die Alleinherrschaft haben und deshalb in knappsten Outfits durch schwarz ausgehangene Räume spazieren. Schon zu Beginn wird es traurig: Die Mama der beiden, immerhin Königin des Low-Budget-Reichs, hat sich schon auf einer Liege drapiert, weil sie gleich den letzten Schnaufer von sich geben wird. Eigentlich wäre Currette als ältere der beiden Schwestern die Nachfolgerin, aber weil die immer so misanthrop in die Gegend guckt und so wenig Frohsinn versprüht, entscheidet sich Mama für die blonde Ovule. Nur wenige Sekunden nach der Übergabe des königlichen (königinnenlichen?) Rings scheidet die Mama auch schon aus der Handlung aus und muß sich den Rest nicht mehr mitansehen.

„Ich komme aus der Zukunft und muß alle Prequels verhindern!“

Currette ist ein wenig verstimmt über die Wahl und greift Currette gleich zusammen mit ein paar Handlangerinnen an. Im folgenden Lichtschwertkampf fallen gleich mehrere Details auf: a) Ich meine, so eine Herumwedelei mit leuchtenden Lichtschwertern schon mal in einem anderen erfolgreichen Film gesehen zu haben. b) Beim Leuchteffekt für die Lichtschwerter muß irgendetwas schiefgelaufen sein, weil am linken Bildschirmrand auch immer ein neonfarbener Streifen entlang der Bildkante zu sehen ist. c) Diese Lichtschwerter können kleine Kügelchen in die Gegend ballern, mit denen Gegner sofort pulverisiert werden. Weil das aber wohl unsportlich ist, wird größtenteils darauf verzichtet.

Ovule kann fliehen und kommt in eine Transporterkammer, wo sie sich in Sicherheit beamen läßt. Hier kommt nun der Teil des Films, bei dem dem Drehbuchautor höchster Respekt gezollt werden muß: Ganz in der Tradition des TERMINATORS kann der Transporter keine Kleidung teleportieren, sondern nur organisches Material. Sprich: Ovule muß sich ausziehen. Und wohin wird sie geschickt? Na, nach Los Angeles in ein Lokal, wo gerade ein Wet-T-Shirt-Wettbewerb stattfindet. Oh ja, der Autor weiß, was er tut: Wenn Ovule stattdessen in einen Badesee oder in eine Publizistikvorlesung geploppt wäre, wäre sie nämlich überhaupt niemandem aufgefallen.

„Was soll das heißen, es gibt keine Seife mehr?“

Ovule kann sich flugs mit einem herumliegenden Shirt ausrüsten (und trägt ab sofort auch wieder Schuhe) und gewinnt im Nu den Wettbewerb. Wenn ich „im Nu“ sage, bedeutet das natürlich, daß man sich vorher minutenlang drei herumtanzende Mädels bei der Veranstaltung ansehen darf, die beständig von einem Herren mit einer Sprühflasche bespritzt werden. Die Shirts sind allesamt aus viel zu dickem Material, als daß man wirklich Freude an diesem traditionsreichen Gemeinderitual haben könnte, aber das stört die Filmemacher keinesfalls: Je länger man nämlich dieselben drei Mädels zeigen kann, desto eher kommt man auf Spielfilmlänge.

Curette und zwei ihrer Helferinnen landen nun ebenfalls im Lokal, aber nicht, ohne vorher noch nackt im Teleporter ausführlich über das weitere Vorgehen diskutiert zu haben. Ovule ist aber schon weg: Sie spaziert nur mit Shirt bekleidet durch L.A., während der DJ des Lokals, ein Vollhorst namens Bob, ihr auf dem Motorrad folgt und ein wenig Süßholz raspelt. Im Laufe des Films werden sie mehrfach exakt diese Straße besuchen und immer wieder vor demselben Laden stehen. Bob wird dabei stets das Gesicht verziehen und sich beim Reden weit nach vorne beugen, als wäre er entweder sehr aufdringlich oder als hätte er ein lästiges Rückenleiden.

„Hey du, ist das auch dein erster Film?“

Schon bald tritt auch die Polizei auf den Plan – beziehungsweise das, was uns die Filmemacher dafür verkaufen wollen. Weil Curette & Co. nämlich ein paar Kerle im Laden verprügelt haben, um deren Klamotten stehlen zu können (hochmodische Spandex-Bodysuits!), tauchen ein alter schwarzer Mann mit Rentnerhut sowie ein Macho-Typ mit Lederjacke auf, die als Polizisten ungefähr so überzeugend sind wie Bruce Lee als Indianerhäuptling. Sie nehmen die Verfolgung auf (in einem Auto, das auch mit aufgeklebtem roten Licht keinen Deut mehr nach Polizeifahrzeug aussieht) und landen bei Bob, der sich mittlerweile schon erfolgreich an Ovule heranmacht (obwohl er ihr vor ein paar Minuten noch erklärt hat, daß er sie nicht anfassen wird, wenn sie mit zu ihm nach Hause kommt).

Curette und ihre Mädels sind auch schon dort, und jetzt machen wir’s schelmischerweise kurz, wo es der Film lang macht: Ab sofort verfolgen sich nämlich die diversen Parteien durch die Gegend. Und das machen sie sehr langsam. Gemächlich. Geradezu transzendent im ewigwährenden Moment treibend. Bob und Ovule kommen auch prompt wieder an demselben Straßeneck und demselben Laden wie vorher vorbei, die Polizei kommt hinterher, und so geht’s munter weiter in der wohl längsten und trübsten Verfolgungsjagd der Filmgeschichte. Zum Glück ist aber Los Angeles nicht groß: Obwohl sich Verfolger und Verfolgte permanent verlieren, finden sie nur wenige langsame Augenblicke später wieder zueinander, und das Gondeln durch die Nacht kann weitergehen. Wir lernen: Wenn Menschen durch die Finsternis fahren und wenig drumherum geschieht, kommt manchmal DRIVE dabei heraus und manchmal PRINCESS WARRIOR.

„Nächstes Mal drehe ich wieder mit Mel Gibson.“

Irgendwann sind sie alle bei einer Fabrikhalle: Bob und Ovule, die zu Nebenscheinwerfer und softer Beleuchtung ein Schäferstündchen einlegen, bevor die anderen ankommen; die Polizisten, die gegen einen Sandhaufen fahren und dabei das Bewußtsein verlieren; Curvette und ihre Gang, die auf dem Rücksitz des „Polizeiautos“ mit Handschellen gefesselt herumsitzen und dann endlich, nachdem der Wagen gegen den Sand geprallt ist, freikommen und unsere Helden weiterverfolgen können. Und zwischendurch wird immer mal wieder auf den Heimatplaneten zurückgeschnitten, wo einige Hohepriesterinnen herumsitzen und meditieren. Ach, man zittert ja regelrecht vor soviel Aufregung.

Und das Finale erzähle ich jetzt nicht mehr. Ätsch. Aber so viel sei verraten: Es wird zu Ende meditiert.

Princess Warrior (USA 1989)
Regie: Lindsay Norgard
Buch: John Riley
Produzent: Philip J. Jones
Musik: Marc David Decker
Darsteller: Sharon Lee Jones, Dana Fredsti, Mark Pacific, „Tony Riccardi“ (= Mark Riccardi), Augie Blunt, Lauri Warren, „Isibella Peralta“ (= Christina Lucia Peralta-Ramos), Diana Karanikas

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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