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[Film] Frozen – Eiskalter Abgrund (2010)

Die Kritik sagt: FROZEN ist wie DER WEISSE HAI im Schnee.
Nur ohne Boot.

Survival-Horror ist in: Immer öfter finden sich im Kino Menschen in alptraumhaften Widlnis-Situationen gefangen, in denen sie ums blanke Überleben kämpfen müssen – gerne ist der Widersacher dabei einfach nur die Natur selbst (OPEN WATER), manchmal dürfen sich die Protagonisten aber auch zuästzlich zur prekären Lage noch menschlicher Gegenspieler erwehren (A LONELY PLACE TO DIE). Auch FROZEN von HATCHET-Regisseur Adam Green bringt seine Hauptfiguren in eine aussichtslos wirkende Lage: Unsere drei Helden bleiben mit einem Skilift mitten in den Bergen stecken, gute zwanzig Meter über dem Boden und ohne Aussicht auf Rettung. Die Nacht bricht an, ein Schneesturm zieht auf – was kann man tun, wenn der Sprung nach unten ebenso riskant ist wie das Klettern über die messerscharfen Seile?

Eine solch beklemmende Situation ist natürlich fast automatisch spannend: Man will wissen, wie die Figuren mit der Lage umgehen. Was lassen sie sich einfallen, um entkommen zu können? Welche Tücken lauern hinter jeder schlauen oder nicht so klugen Idee? Es ist hauptsächlich ein Spiel mit der Phantasie und der Empathie: Man malt sich aus, was man selbst tun würde, und muß aber mitansehen, wie die Figuren mit den scheinbar so einfachen Lösungsansätzen auf stets neue und gefährliche Probleme stoßen.

Parker (Emma Bell) ist sich unsicher: Auch mit Erfrierungen hübsch aussehen,
oder doch lieber den Reißverschluß ganz zu machen?

So gesehen funktioniert FROZEN auch – obwohl es das Vergnügen ein wenig trübt, daß das Spektrum an Lösungsversuchen doch recht gering bleibt. Wäre es eine Möglichkeit, Kleidung aneinanderzuknoten und damit ein provisorisches Seil nach unten zu bauen? Könnte man eine Art Schlaufe basteln und damit das Drahtseil des Sessellifts nach unten rutschen? Leider kommen den Figuren solche Ideen nicht, oder aber sie sind Regisseur und Autor Adam Green ebensowenig eingefallen. Und so sehr man die Aussichtslosigkeit der Lage auch versteht, ist es doch nie ganz nachvollziehbar, warum sich die Charaktere niemals die Jacken bis zur Nasenspitze zuziehen und die Mützen tiefer ins Gesicht schieben – vielleicht, weil man dann die schönen Schauspieler nicht mehr richtig gesehen hätte?

Das wahre erzählerische Talent liegt bei solch reduzierten Settings aber eigentlich auf dem psychologischen Level – und da läßt Green leider völlig aus. Die Figuren bleiben flach und uninteressant; eine einsame Szene, in der sich die Freunde gegenseitig verzweifelt die Schuld in die Schuhe schieben, fühlt sich eher obligatorisch an und weniger wie eine interessante Auseinandersetzung mit den Eigenheiten der Charaktere. Ansonsten wird viel hohles Zeug geschnattert – es reicht dazu, die Handlung zu füllen, aber kaum dazu, dem Prozedere eine Dimension jenseits des Obenflächenthrills zu geben.

Im Gegensatz zu Parker (Emma Bell, links) und Dan (Kevin Zegers) kriegt Joe
(Shawn Ashmore, rechts) kaum Erfrierungen, weil er mal Iceman bei den X-MEN war.

Gerade auf letzteren scheint es Green sowieso primär abgesehen zu haben: Der Filmemacher weidet sich genüßlich an sehr schmerzhaften Einstellungen und Geschehnissen, in denen die teils sehr drastischen Resultate der Lage zu sehen sind – eine am Metall festgefrorene Hand, die nur unter Abziehen der Haut gelöst werden kann, ist da noch eine der harmlosesten Sequenzen. Es ist schade, daß Green sich so sehr auf diese Splatter-Anleihen und Schmerz-Spielchen konzentriert – natürlich gehen diese Momente extrem unter die Haut und sorgen für fast SAW-haftes Adrenalin, aber umso deutlicher wird dabei die Diskrepanz zwischen dem, was FROZEN ist und was es hätte sein können.

Letzten Endes ist die Entstehung des Films wohl interessanter als der Streifen selbst: Gedreht wurde nämlich tatsächlich in den Bergen, und die Schauspieler saßen tatsächlich in enormer Höhe auf einem Skilift. Es wurde kein Greenscreen verwendet und keine digitalen Effekte – da haben sich Filmcrew und Darsteller wahrlich auf einen Kampf gegen die Elemente eingelassen und sich tapfer gegen Eiseskälte, Höhenangst und andere Härten gestellt. Man wünschte sich nur, sie hätten es im Dienste eines ausgefeilteren Skripts gemacht …



Frozen – Eiskalter Abgrund (USA 2010)
Originaltitel: Frozen
Regie: Adam Green
Buch: Adam Green
Musik: Andy Garfield
Kamera: Will Barratt
Darsteller: Emma Bell, Shawn Ashmore, Kevin Zegers, Rileah Vanderbilt, Kane Hodder

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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