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Zum Glück geküsst (2006)

Arme Lindsay Lohan. Ihren Absturz kann man jetzt schon seit ein paar Jahren mitverfolgen, und es wird und wird nicht besser: Trunkenheit am Steuer, Gefängnisstrafen, und immer kleinere und belanglosere Filmrollen. Dabei hat das Mädel eigentlich so viel Talent anzubieten: Zur Bestätigung braucht man sich nur einmal FREAKY FRIDAY ansehen, wo sie ihrer Filmmutter Jamie Lee Curtis schauspielerisch das Wasser reichen kann. Aber trotz kleinerer ernsthafter Rollen in Robert Altmans LAST RADIO SHOW und Emilio Estevez‘ BOBBY muten Lindsays jüngere Gigs hauptsächlich enttäuschend an – und wenn man sich den Trailer zu dem traurigen Spektakel UNDERGROUND COMEDY 2010 ansieht, in dem sie mitspielt, dann ist der Fall noch längst nicht zuende.

Die erste Hälfte der reichlich egalen Komödie ZUM GLÜCK GEKÜSST fühlt sich dabei fast so an, als ginge es um Lindsay selbst: Sie spielt die junge Ashley, die so sehr vom Glück geküsst wurde, daß es aufhört zu regnen, sobald sie vor die Tür geht, sie durch eine Verkettung von Umständen nebenbei eine Traum-Beförderung in ihrem Medienjob kriegt, und es für sie völlig unmöglich ist, Lotterielose zu kaufen, mit denen man nichts gewinnt. Dann küsst sie auf einem Maskenball den erfolglosen Bandmanager Jake, der stets vom Pech verfolgt wird – und ihr Glück überträgt sich auf ihn: Er bringt es mit der von ihm betreuten Gruppe zu Reichtum und einem dicken Plattenvertrag, während sie verhaftet wird, ihren Job und ihr Apartment verliert und generell das Unglück nur mehr anzieht.

Oh ja, das klingt ganz nach Lindsays eigener Geschichte: Eine Zeitlang von der Sonne angelacht, bis sich irgendwann das Glück wendet und alles schiefläuft, was nur schiefgehen kann. Man muß nicht zweimal hinsehen, um beim Ansehen an Lohans tatsächlichen Fall erinnert zu werden: Wenn Ashley zweifach im Gefängnis sitzt, ihr die Welt plötzlich nicht mehr zu Füßen liegt und sie sich verzweifelt daran macht, sämtliche auf dem Maskenball gebuchten Tänzer aufzusuchen und abzuküssen, um ihr Glück wiederzufinden (Jake hatte sich im Tänzerkostüm Zugang zur Party verschafft), dann denkt man Schritt für Schritt daran, wie auch Lindsay schon lange von Fortuna die kalte Schulter gezeigt kriegt.

Leider ist diese völlig nebensächliche Beobachtung so ziemlich das Interessanteste, was man aus dem Film mitnehmen kann: Der Streifen ist nämlich komplett belanglos. Den Plot dichtet man sich aus der Prämisse selbst in fünf Minuten zusammen, und wie die Geschichte dann von A nach B kommt, ist nur wenig aufregend gefüllt. Lindsay trägt manches mit ihrem Charme und ihrem Einsatz, aber sie ist schon zu Beginn so schwer geschminkt auf erwachsene Frau getrimmt, daß man sich wünscht, irgendetwas an dem Film wäre auch erwachsen geschrieben. Fehlanzeige: ZUM GLÜCK GEKÜSST ist ein Stück Fluff für junge Mädchen, und dabei leider weder besonders frisch und witzig, noch letztlich die richtige Rollenwahl für eine ehemalige Kinderdarstellerin, die zeigen möchte, daß sie auch anspruchsvollere Rollen hieven kann.

Erwähnen wir noch kurz die Band, die den kompletten Film über schamlos promotet wird: Eine englische Band namens McFly, die sich am Beatles-Look orientiert und kreuzbiederen Teenierock von sich gibt. Abgesehen davon, daß in den späteren Konzertsequenzen mit den Jungs, die wie 14½ aussehen, die feine Linie zwischen Product Placement und penetranter Dauerwerbesendung weit überschritten wird – hätte es denn nicht eine minimal weniger austauschbare Gruppe sein dürfen? Aber schön: Der geschmacksneutrale Sound der Gruppe paßt dann eigentlich wieder perfekt zum professionell inszenierten und leidlich unterhaltsamen Film. Nett und egal.

Lindsay wünschen wir derweil, daß sie es auch im richtigen Leben schafft, den Burschen zu finden, der ihr das Glück abgeknöpft hat, und daß sie wieder einen Fuß auf den Boden kriegt. Vielleicht kann sie sich ja mit dem geplanten Linda-Lovelace-Biopic schauspielerisch zurückmelden und einige Jahre aus ihrer Vita streichen.

Zum Glück geküsst (USA 2006)
Originaltitel: Just My Luck
Regie: Donald Petrie
Story: Jonathan Bernstein, Mark Blackwell, James Greer, I. Marlene King
Drehbuch: I. Marlene King, Amy B. Harris
Kamera: Dean Semler
Musik: Teddy Castellucci
Darsteller: Lindsay Lohan, Chris Pine, Faizon Love, Missi Pyle, Bree Turner
Länge: 98 Minuten
FSK: 6

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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