Authentische Nicht-Autoren

Buch / Uncategorized / 28. Juni 2009

Im neuen Zweitausendeins-Katalog sind mir zwei Merkwürdigkeiten aufgefallen.

Da wird einmal ein Fotoband von Günter Pfannmüller und Wilhelm Klein mit den folgenden Worten vorgestellt: „Unser Fotoband porträtiert Menschen aus den letzten authentischen Kulturen abseits der materialistischen Welt“. Puh – wo fängt man da an? Okay: Was sind eigentlich authentische Kulturen? Beziehungsweise, viel interessanter: Was sind unauthentische Kulturen und was genau macht sie zu solchen? Darf ich das also so verstehen, daß z.B. die deutsche Kultur gar nicht echt ist? Nehmen wir mal an, daß mit der „unauthentischen Kultur“ Dinge gemeint sind, die massenfabriziert werden – wo verstecken sich dann die ganzen authentischen Leute, die die Sachen kreieren, die dann danach massenfabriziert werden? Außerdem: „abseits der materialistischen Welt“? Das soll vermutlich eine politisch korrekte Umschreibung für „Dritte Welt“ sein. Schon klar, die Leute dort haben keinerlei materialistische Bedürfnisse. Naja, liegt vielleicht daran, daß sie zu arm dafür sind. Vielleicht hat es etwas mit der Authentizität zu tun: Wir westlichen Mächte halten die anderen Nationen authentisch.

Eher frech wird der Roman MEIN ALTER HERR beworben, und zwar mit den Worten „Der komische Roman von ‚Sex and the City‘-Autorin Amy Sohn“. Also, die Vorlage zu SATC stammt ja von Candace Bushnell, also schauen wir doch mal flugs nach, wieviele Drehbücher für die Fernsehserie Amy Sohn so geschrieben hat. Ach ja: gar keins. Sie hat 2004 einen Serienführer veröffentlicht. Interessant – bin ich also jetzt vielleicht auch Wim-Wenders-Autor, weil ich mal darüber geschrieben habe?

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, handelte von einem Schriftsteller, der eine junge Frau entführt, weil er sie als Inspiration für sein Buch braucht. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, unter anderem für Film & TV Kamera, Celluloid, GMX, den All-Music Guide, 35 Millimeter, Neon Zombie und Salzburger Nachrichten. Er hält Vorträge zu Filmthemen und kuratierte 2014 an der Universität Salzburg eine Filmreihe zum Thema "Erster Weltkrieg".





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