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Genzel ist ein Roboter!

Kraftwerk fand ich schon immer sehr spannend. Als ich noch ganz klein war, spielte mir Mama Genzel schon oft das Album AUTOBAHN vor, und ich habe dann immer, wenn wir tatsächlich auf einer Autobahn unterwegs waren, geschaut, ob die Gegend auch so aussieht wie auf dem Plattencover. Ich habe mir die vier Jungs auf dem Rücksitz eingeprägt und jeden einzelnen Ton auf der A-Seite der Platte (die B-Seite mit den beiden „Kometenmelodien“, „Mitternacht“ und dem „Morgenspaziergang“ habe ich dann erst viel später wirklich gehört). Auch die anderen Kraftwerk-Alben habe ich später zugelegt und ins Herz geschlossen.

Live gesehen habe ich die Truppe noch nie – aber immerhin konnte ich mir gerade ein 38-minütiges Video einer Live-Performance der Band ansehen, und das allein hat sich durchaus gelohnt (obwohl es – absichtlich natürlich – völlig unklar bleibt, was an der Musik überhaupt live gespielt ist). Die vier Bandmitglieder (Gründer Ralf Hütter und drei weitere Gesellen; Mitgründer Florian Schneider ist ja vor kurzem ausgestiegen) stehen fast regungslos hinter ihren Tischen mit den Laptops und verziehen keine Miene; im Hintergrund flimmern Videos, Lichter und Schriftzüge über einen großen Schirm. Später haben die Burschen Anzüge an, auf denen Gitternetze neongrün leuchten, und für „Die Roboter“ verlassen sie gleich ganz die Bühne und lassen sich von vier beweglichen Robotern mit Metallarmen „vertreten“. Die einfache visuelle Äshtetik paßt hervorragend zum Sound der Band, mit ihren glasklaren Klängen, den fast symmetrischen Rhythmus- und Melodiestrukturen, der maschinengenauen Präzision und dem futuristischen Stil.

Zu finden ist das Video (ein Mitschnitt aus dem brasilianischen Fernsehen, aufgenommen im März 2009) auf Dimeadozen.org. Lohnt sich!

Über den Ausstieg von Schneider schrieb übrigens die Zeitschrift The Independent: „There is something brilliantly Kraftwerkian about the news that Florian Schneider, a founder member of the German electronic pioneers, is leaving the band to pursue a solo career. Many successful bands break up after just a few years. It has apparently taken Schneider and his musical partner, Ralf Hütter, four decades to discover musical differences.“

Abschließend hier noch ein Interview mit Ralf Hütter … sozusagen …

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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