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Wer zuletzt lacht, lacht am besten (1970)

„Hast du einen schönen Film für uns?“ In mittlerweile alteingesessener Tradition fragt mich das Papa Genzel bei jedem meiner Besuche, und natürlich handelt es sich dabei um keine Frage zum Zwecke der Informationsgewinnung – natürlich habe ich schöne Filme! – sondern um die Einleitung zum gemeinsamen Filmabend. Nachdem wir zuletzt eine Reihe von wichtigen Filmen aus der unmittelbaren deutschen Nachkriegszeit gesehen haben, musste gestern freilich ein wenig leichtere Kost auf den Schirm, und da lag selbstverständlich nichts näher, als sich WER ZULETZT LACHT, LACHT AM BESTEN anzusehen, einer dieser Wörthersee-Streifen der Lisa-Film, in denen Uschi Glas und Roy Black anbandeln und dann doch nie im See ersaufen. WER ZULETZT LACHT, LACHT AM BESTEN, aber wer zuerst lacht, hat verloren.

Da galt es ja nun zunächst einmal die Frage zu klären, um welchen See es sich handelt – aber Papa Genzel erkennt, dank mehrfacher Recherche vor Ort, den Wörthersee schon in der ersten Einstellung. In der zweiten Einstellung sehen wir auch schon das Schlosshotel, und schon sind wir mitten in Handlung im Hotel Seefels („Das Hotel gibt es nicht“, werde ich informiert), das von Theo Lingen geleitet wird und am Rande des Ruins steht. Eine Horde ungezogener Kinder randaliert durch das Etablissement, verschreckt die Gäste und beschmiert Stühle mit Leim. Später werden wir erfahren, daß die Kinder so schrecklich sind, daß sie sogar singen. Das kommt von der antiautoritären Erziehung.

Schon werden wir Zeuge der ersten großen Slapstick-Sequenz: Theo und seine Tochter/Nichte/Großenkelin/Friseuse/sonstwas (wer achtet schon so detailliert auf die Details, wenn das Schicksal eines ganzen Hotels auf dem Spiel steht!) Uschi Glas diskutieren über einen möglichen Verkauf des Hotels, und Theo setzt sich auf ein mit Kleber (der Hartnäckigkeit nach zu urteilen offenbar Plastikklebstoff oder eine im experimentellen Stadium befindliche NASA-Substanz) beschmiertes Sitzkissen. Beim Versuch, selbiges wieder loszuwerden, klebt dann irgendwann auch Uschi Glas dran, und dann macht es ratsch-ratsch, und die liebe Uschi steht in ihrer Unterwäsche da. Ein echter Schenkelklopfer, der eventuell noch erfreulicher sein könnte, wenn nicht jeder Kühlschrank mehr Sex ausstrahlen würde als die Uschi. „Na, das war jetzt ein wenig albern“, sagt Papa Genzel und macht dazu ein Gesicht, als hätte ich ihm gerade erklärt, wie gerne ich Transistorradios esse.

Rettung naht! Im Hotel Seefels wird nämlich ein Herr Mertens von den Mertens Hotelbetrieben erwartet, der das marode Objekt kaufen soll. Gleichsam wird ein neuer Portier erwartet, weil der alte zu doof war und sich jetzt in einem der dreihunderttausendfünfundzwanzig anderen Wörthersee-Hotels einen Job suchen darf. Herr Mertens ist aber schwer beschäftigt mit seinen mindestens drei Liebschaften, die allesamt sehr anstrengende und eifersüchtige Frauen sind, und weil er lieber nach Paris fahren will, schickt er stattdessen seinen Sohn Roy Black an den Wörthersee, der gerade schelmisch über einen Lift an der Außenfassade durch das Fenster eingestiegen ist und kurz im Verdacht stand, zu singen. Der pure Nervenkitzel.

Weil nicht erst seit DREI MÄNNER IM SCHNEE gerne Menschen in deutschen Komödien verwechselt werden, hält man jetzt den eben einreisenden Studienrat Eddi Arent für Direktor Mertens und versucht, ihm ein gutfunktionierendes Hotel vorzuspielen, während Roy Black als neuer Portier anfängt und von der ersten Sekunde an anfängt, Uschi Glas anzubraten. Wer schon einmal mit mir zusammen einen einschlägigen Film gesehen hat, weiß, daß ich zu solchen Situationen gerne „Puh, Schleimer“ zu dem Mann auf dem Bildschirm sage. „Paß auf, jetzt singt er gleich“, droht Papa Genzel, mit dem ich noch vor Filmbeginn wetten wollte, ob Roy singt oder nicht („In EIN SCHLOSS AM WÖRTHERSEE hat er nie gesungen“, verteidigt mein Vater seine Skepsis). In gelungener Teamarbeit wurden beide Verwechslungen übrigens schon von uns vorhergesagt. Manche Handlungsabläufe sind vielleicht eher für Menschen gedacht, die sonst keine Filme schauen.

Die übrige Handlung ergeht sich im üblichen Trallerwatsch. Ilja Richter spielt einen Hotelpagen und kullert dabei mit den Augen und bewegt den Kopf beim Sprechen immer nach vorne wie ein Huhn. Mit Eddi Arent und seinen Albernheiten erwartet man im nächsten Moment, daß ein Mord geschieht und Blacky Fuchsberger auftaucht – zumal auch Siegfried Schürenberg mitspielt, der sich sicherlich seine Rente sichern musste. Irgendwann taucht die Frau des echten neuen Portiers auf und bringt dessen Baby vorbei, das die überforderte Belegschaft dann einfach irgendwo in ein Zimmer legt, weil sie nichts damit anzufangen wissen. „Sing ihm doch ein Schlaflied“, schlägt der wahnsinnige Ilja Richter vor, und ich rufe lautstark in Richtung Bildschirm „Tu’s nicht!“, aber es ist zu spät. Roy singt. Er schmettert. Dabei hat er so glasige Augen, daß man meinen könnte, er rührt sich selbst zu Tränen. Vielleicht hat er aber auch nur an all die vielen Dinge gedacht, die er eigentlich machen wollte, anstatt in sinnfreiem Wörthersee-Klamauk klebrige Schlager zu singen. „Das ist kein bekanntes Lied“, konstatiert Papa Genzel.

Und dann kommen, ach je, die Missverständnisse, und Uschi ist sehr beleidigt und bandelt sofort mit dem herumstreunernden Adelsplayboy Peter Weck an, der sie auch gleich auf sein Schloß bringt. Roy Black heckt einen grandiosen Plan aus, bei dem Ilja Richter das Hotel in Rauch einnebeln soll, und er selber mit dem Sportflieger über das Schloß fliegt, um einen Stein mit einer Nachricht herunterzuwerfen, daß das Hotel brennt. Mal ehrlich: Ein einfacher Telefonanruf hätte es wohl auch getan. Nachdem der Rauch verzogen ist, ist das Hotel dank türmender Gäste verwüstet, aber Roy Black offenbart seine wahre Identität und erklärt, daß er das Hotel gar nicht kaufen will, sondern viel lieber nur dessen Schulden begleichen möchte und dafür sorgen will, daß immer genug Gäste da sind. Bevor ich noch zu einem seufzenden „Puh, Schleimer“ ansetzen kann, ist der Film auch schon aus.

„Also, wenn man es ganz nüchtern betrachtet, war das Klamauk“, kommentiert Papa Genzel. Das können wir widerspruchslos als Schlußwort stehen lassen.
 


Wer zuletzt lacht, lacht am besten (Deutschland 1970)
Regie: Harald Reinl
Drehbuch: Klaus E.R. von Schwarze, Johannes Weiß
Musik: Werner Twardy
Produktion: Lisa Film
Darsteller Roy Black, Uschi Glas, Theo Lingen, Ilja Richter, Eddi Arent, Siegfried Schürenberg, Peter Weck
Länge: 82 Minuten
FSK: 6

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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