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You shouldn’t even make the picture, just release the title.

Schön langsam werde ich wohl zum Peter-Bogdanovich-Fan. Daß THE LAST PICTURE SHOW großartig ist, steht wohl außer Frage – dieser wehmütige Abgesang auf ein früheres, unschuldigeres Amerika. Das ist offensichtlich ein wiederkehrendes Thema bei Bogdanovich, denn auch NICKELODEON, den ich vor kurzem sah, blickt nostalgisch auf die Anfänge des Kinos zurück. Hier wie dort bemerkt man eine starke Liebe zum Kino. Na gut, dachte ich mir, leiste dir halt mal für siebenneunundneunzig die DVD von PAPER MOON und laß dich überraschen.

Wow. Ich erinnere mich ganz finster, daß ich den Film wohl mal als kleines Kind gesehen haben muß, aber ich konnte mich beim besten Willen an nichts erinnern, abgesehen davon, daß es um ein Vater-Tochter-Gespann geht. Von Beginn an zieht einen der Film mit wunderschöner Schwarz-Weiß-Photographie in den Bann, die mit teils minutenlangen Einstellungen ihren ganz eigenen Erzählrhythmus formt. Bemerkenswert auch, wie Bogdanovich (Bewunderer und Freund von Orson Welles) überall höchste Tiefenschärfe verwendet und somit jedes Bild und jedes Element darin immer glasklar sind. Und ja, die Geschichte ist schön – mal komisch, mal dramatisch, aber immer mit dem richtigen Gespür erzählt. Tatum O’Neal ist sensationell, und ich weiß zwar nicht, was 10jährige Mädchen mit einem Oscar anfangen, aber dieses hier hat sich ihren eindeutig verdient.

Da blickt man ja selbst ein wenig verklärt zurück. Was muß das für eine aufregende Zeit gewesen sein, die erste Hälfte der 70er. Damals waren Coppola, Friedkin, Bogdanovich und all die anderen noch ganz oben, bis sie selbst sich (mit ein wenig Hilfe der sich ändernden Zeiten natürlich) demontiert haben. Damals hatte Michael Cimino noch nicht im Größenwahn ein Studio in den Ruin getrieben. Damals war Ryan O’Neal noch „vermittelbar“, wie es so schön heißt. Damals war John Hillerman noch nicht „Higgy-Baby“, der ewige Comic Foil von Tom Selleck, sondern noch ein feiner Characterdarsteller. Damals war Randy Quaid auch noch ein ernstzunehmender Schauspieler, der sich gewundert hätte, wer dieser Schmock in CADDYSHACK II und MARTIANS GO HOME wohl sein mag. Und natürlich war damals Madeline Kahn noch am Leben, die wunderbare, witzige Madeline Kahn, die auch in PAPER MOON mich wieder zu ermahnen scheint, daß ich sie doch endlich in den Heldenpantheon aufnehmen möge, in den sie ja schon allein durch ihre Lili von Shtupp gehört.

Na schön, her mit mehr. Mehr Bogdanovich! Mal schauen, ob’s beim Müller WHAT’S UP DOC? und TEXASVILLE gibt …

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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