Destination: Out II (2003)

Uncategorized / 17. Oktober 2003

 
Auf dem zweiten Teil der Compilation DESTINATION: OUT stellt Alan Brown wieder
NuJazz-Perlen aus den Metropolen der Welt zusammen.

Man tut sich ja mitunter schwer, ein Konzept für eine Compilation zu finden, das schlüssig genug ist, um die einzelnen Stücke nicht vollkommen beliebig erscheinen zu lassen. Im lokalen Plattenladen findet man denn auch von Musik-zum-Rumhüpfen-Kollektionen bis zu Musik-zum-nebenher-Bügeln-Samplern alles zusammengeworfen, was auf Silberscheibe pressbar ist und sich nicht wehren kann. Das Wiener Label EccoChamber hat mit seiner Reihe DESTINATION: OUT eine durchaus interessante Idee umgesetzt: Der DJ und Journalist Alan Brown ist um die ganze Welt gereist, um neue, spannende Musik zu finden – der Sampler dient somit nicht nur als Showcase für eher obskure Talente, sondern auch als eine Art Reisebericht.

Obwohl das zwei CDs (bzw. drei Vinyl-Scheiben) umspannende Album den Titel der vielleicht definitiven Jackie McLean-Aufnahme von 1963 teilt, ist die Musik hier wesentlich entspannter und weniger Freejazz-orientiert. Obwohl viele verschiedene Stile zusammengepackt werden, läßt sich der Großteil von DESTINATION: OUT II unter dem besonders bei ratlosen Redakteuren beliebten Oberbegriff „NuJazz“ einordnen: weiche Keyboard-Klänge, Midtempo-Grooves, und mehr oder minder stark ausgeprägte Soul-Anleihen lassen sich überall finden.

Die Zusammenstellung wirkt erfreulich homogen, wobei durchaus verschiedenste Stimmungen zu finden sind: Der Berliner Keyboarder Meitz (der am Mulder-Syndrom leidet und deshalb seinen Vornamen Volker fallengelassen hat) erfreut mit funkigen E-Piano-Soli, die an Herbie Hancock erinnern, während Only Freak aus Brüssel klingen, als hätten sie gerade mit Giorgio Moroder und seiner Munich Machine gefrühstückt. Vieles umschmeichelt die Ohren mit souligem Gesang, so beispielsweise die Gruppe Spaceboys aus Lissabon, die mit „Space is the Place 2003“ einen unwiderstehlichen Elektro-Funk hinlegen (dessen Titel freilich auch an ein klassische Sun-Ra-Album erinnert).

Wer sich in der Geschichte von Jazz, Funk, Soul und Disco ein wenig auskennt, hat viel Spaß, die Referenzen und Retro-Sounds auszumachen. Neulingen wird es natürlich egal sein, ob Analog-Keyboards oder Rhodes-Sounds verwendet werden – so oder so aber weiß der Alt-Neu-Mix der Zusammenstellung durchweg zu gefallen. Wer seinem Lauschgang Gutes tun will und nichts dagegen hat, sich immer wieder selber dabei zu erwischen, daß man mit dem Fuß den Rhythmus mitwippt, ist hier goldrichtig.


Dieser Text wurde am 8. Oktober 2003 geschrieben und zuerst am 17. Oktober 2003 bei Fritz/Salzburger Nachrichten veröffentlicht.

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, handelte von einem Schriftsteller, der eine junge Frau entführt, weil er sie als Inspiration für sein Buch braucht. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, unter anderem für Film & TV Kamera, Celluloid, GMX, den All-Music Guide, 35 Millimeter, Neon Zombie und Salzburger Nachrichten. Er hält Vorträge zu Filmthemen und kuratierte 2014 an der Universität Salzburg eine Filmreihe zum Thema "Erster Weltkrieg".