Uncategorized

[Film] Im Reich der Amazonen (1986)

Ach, wären die Achtziger doch nie vorübergegangen. Da knallt ein erfolgreicher Fantasyfilm ins Kino, und schon haben B-Movie-Produzenten rund um die Welt über Jahre hinweg damit zu tun, simpel gestrickte Abenteuerfilme ins Leben zu rufen, in denen Muskelmänner, leichtbekleidete Frauen und billigst maskierte Kreaturen den sagenumwobenen Gegenstand X finden und damit den unliebsamen Zauberer Y besiegen müssen. Viel Wald, ein bißchen Wiese, drei mal Plastikschwerter aufeinandergekloppt und eine Prise Feuer und Rauch obendrein – so läßt sich eine ganze Dutzendschaft von Fantasyquickies zusammenfassen, die großteils aus Italien stammten, aber vielfach auch aus Amerika oder – wie im Fall von AMAZONS, zu Deutsch IM REICH DER AMAZONEN – aus Argentinien.

„Ein Machwerk, das nur dralle Oberweiten und erbärmlichste Action zeigt“, schreibt die Website von Cinema, und sicherlich bin ich nicht der einzige, der bei diesen Worten den Film sofort sehen möchte – vor allem, wenn er von denselben Menschen stammt, die schon hinter BARBARIAN QUEEN, WIZARDS OF THE LOST KINGDOM, DER KRIEGER UND DIE HEXE und DEATHSTALKER steckten, die allesamt mit exakt denselben Worten bedacht werden könnten und trotzdem, wie so vieles aus der Produktionsstätte von Roger Corman (der diese Streifen aufgekauft und vertrieben hat), höchst unterhaltsame Schnellschüsse waren, deren Sparproduktionen einen nicht zu unterschätzenden Trash-Charme versprühen. Meine Güte, die Kurzgeschichten von Robert E. Howard waren ja auch nur Pulp.

Gut. In AMAZONS will also der finstere Zauberer Kalungo einem Amazonenstamm (der nicht rein weiblich ist und seine Männer auch keinesfalls unterdrückt) den sogenannten „Spirit Stone“ wegnehmen, der irgendwelche Kräfte besitzt, die mir innerhalb der zwei Tage, seitdem ich den Film gesehen habe, auch schon wieder entfallen sind. Wir sehen Kalungo gleich zu Beginn, wie er neonblaue Blitze aus dem erhobenen Finger schießt, die dann bei der Bevölkerung mit der Schlagkraft eines Chinaböllers Angst und Schrecken verbreiten. Die Amazonenschaft kann den Stein aber in Sicherheit bringen, und nachdem der gute Zauberer des Stammes eine Art Spiegelzeremonie vollzogen hat, verkündet er, daß Kalungo nur mit dem Schwert von Azundati besiegt werden kann. Also werden zwei Amazonenkriegerinnen ausgewählt, besagte Waffe irgendwo jenseits der verborgenen Hügel zu finden.

Dyala, Amazone Nummer 1, hat bei dem Spiegelhokuspokus das Schwert gesehen und ist somit auserwählt, es entgegennehmen zu können. Tashi, die zweite Amazone, wird als Verstärkung mitgeschickt, aber hat insgeheim den Auftrag, Dyala zu töten – Tashis Mama, die verwirrenderweise höchstens Ende 20 zu sein scheint und ohne die Anrede „Mutter“ als ihre Schwester durchgegangen wäre, hat sich nämlich vor vielen, vielen Monden mit Dyalas Mutter gekabbelt, wobei Tashis Mami die Hand und Dyalas Mutti das Leben verloren hat. Abgesehen davon ist Tashimama die Hausfreundin von Kalungo, wie wir bei dezent beleuchteten und lang ausgespielten Liebkosungen in Kalungos Hauptquartier erfahren dürfen.

So stürzen sich Dyala und Tashi also ins Abenteuer, das zunächst mal daraus besteht, daß sie nackt baden gehen und ein wenig im Wasser herumplantschen, während sie von lüsternen Statisten mit undefinierbaren Masken beäugt werden. Als die Mädels wieder an Land gehen, greifen die Jungs dann prompt an, aber die Frauen wissen sich zu wehren und verprügeln die Herren, und freilich erhöht die Tatsache, daß die Frauen dabei immer noch halbnackt sind, nur den Realismus des Prozederes. Im selben Gedankengang dürfen wir auch Kalungos Hauslöwin lobend erwähnen, die er mit der Mission losschickt, die Amazonen zu töten, und die sich dann in eine hübsche Frau verwandelt, die außer dem Halsband nichts anhat. Da hatten die Filmemacher ein genaues Auge auf die Glaubwürdigkeit des Geschehens.

Nur wenig später wird Tashi zusammen mit einer Gruppe Oben-Ohne-Hippies von einer finsteren Schurkenbande gefangengenommen, die die Mädels des Nachts an ihren Baumgott (Baumdämon?) verfüttern wollen – da glibbert irgendwas Augenähnliches in der Höhe, und die Frauen werden von den Ästen festgehalten und von einer Art Hohepriester umgebracht. Dyala macht sich daran, diverse Fallen für die üble Bande aufzubauen – mit gespannten Seilen und Schußanlagen und so weiter – und das dauert so lange, daß es darüber Nacht wird und alle Frauen bis auf Tashi geopfert werden. Aber dann schreitet Dyala ein, befreit ihre Weggefährtin und erledigt die Horde Rabauken mit ihrem gigantischen Fallenarsenal. Tashi kriegt ob der Lebensrettung natürlich prompt Gewissensbisse, weil sie ja eigentlich von Mama den Auftrag hat, Dyala später noch umzubringen.

Kurz darauf stehen die beiden Frauen am Waldesrand und blicken auf die sich von einem Ende des Horizonts zum anderen erstreckende flache Ebene. „Bis zu den versteckten Hügeln ist es sicher noch sehr weit“, schlußfolgert Dyala in deduktiver Brillanz. Aber schon kommt ein Pferd angetrabt, und die Mädels wissen: Dem müssen sie folgen. Mir persönlich wäre es ja auf Dauer zu blöd, einem Pferd hinterherzulaufen, aber offenbar will das liebe Tier auch gar nicht, daß die beiden Frauen aufsitzen.

Das Pferd führt Dyala und Tashi also zu einer Hütte, wo eine Frau mit grauen Haaren lebt und sich offenkundig den Tag damit vertreibt, halbgare Prophezeiungen auszusprechen. „Folgt der Ebene bis zu den Hügeln, dann folgt den Hügeln bis zu der Wunde in der Erde“, weist sie die beiden Schwertsuchenden an, aber für die Angabe einer Himmelsrichtung reicht die Liebe dann wohl doch nicht. Dafür erklärt sie mit ernstem Blick, daß drei zum Schwert kommen werden, aber nur einer zurückkehren wird. „Wir sind aber nur zwei“, staunt Tashi, aber die Schlußfolgerung, daß Kalungo eventuell auch jemanden zum Schwert geschickt haben könnte, will sich den beiden Frauen nicht im Entferntesten aufdrängen. Und trotz der dramatischen Vorhersagen richtet sich meine Aufmerksamkeit beharrlich auf das knappst konzipierte Kostüm unserer Heldinnen.

So laufen sie also über die Ebene, kommen zu irgendwelchen Hügeln – die flach genug sind, daß man erahnt, warum sie „die versteckten Hügel“ genannt werden – und sehen eine Höhle (die Wunde in der Erde! Wer hätte es geahnt?), die sie aber nur erreichen können, indem sie eine Schlucht überqueren. Das funktioniert so: Dyala hackt ein bißchen Gestrüpp klein, knotet alles zu einer dicken Liane und bindet diese dann an einen Stein, den sie über die Schlucht wirft. Der Stein verhakt sich auf der anderen Seite mit zwei anderen Steinen, und beide Amazonen können zu dramatischer Musik über die Schlucht hangeln. (Daß die Liane dann eindeutig ein Seil ist, schadet dem Realismus der Vorgänge natürlich fast gar nicht.)

In der Höhle finden die Mädels flugs das Schwert von Azundati – woraufhin Tashi zum Dolch greift, um ihrer mütterlich indoktrinierten Mission nachkommen zu können. Aber in einem Anflug von Schauspielerei zeigt uns ihr Gesichtsausdruck, daß sie Dyala eigentlich gar nicht töten will. Und so senkt sie das Messer wieder, und Dyala umarmt sie mit den Worten „Du würdest doch eine Freundin nicht umbringen“. Bevor die Frauenfreundschaft aber kuschelnd intensiviert werden kann, taucht Kalungos Löwin auf – die mit einem Messer nach Tashi wirft und sie damit umbringt. Vor lauter Tragik über die Kurzlebigkeit dieser Freundschaft wundere ich mich auch nur eine Sekunde lang, wie so ein Löwe eigentlich ein Messer tragen kann.

Nach kurzer Rangelei muß die Löwenfrau auch schon das Zeitliche segnen – immerhin wurden dem Kampf ein paar Einstellung mit einem echten Tier spendiert! – und Dyala läuft mitsamt dem Schwert zurück zu der alten Frau, die sich jetzt als Azundati höchstselbst outet und der Amazone ihr Pferd schenkt, mit dem diese durch Zeit und Raum fliegen und somit rechtzeitig zu ihrem Dorf zurückkehren kann. Das befindet sich nämlich schon im Kampf mit Kalungo – wobei die Kampfstrategie meiner bescheidenen Meinung nach unvorteilhaft formuliert wurde: Der Dorfmagier fängt mit vorgehaltenem Spirit Stone die neonblauen Blitze auf, die aus Kalungos Hand schießen, und alle Kämpfer um ihn herum warten, wie lange das der nette Magier wohl aushält. Nach minutenlangem Beschuß geht der Zauberer zu Boden, und erst dann greifen die KriegerInnen Kalungos Festung an. Ich kenne mich ja da nicht aus, aber hätte es nicht Sinn gemacht, eine Attacke zu starten, während der Magier Kalungo Widerstand leisten kann …? Jaja, ich weiß: Was verstehe ich denn schon davon.

Während des Gerangels eilt Dyala also auf hohem Roß durch eine Art Zeit-und-Raum-Tunnel – der verdächtig nach dunklem Wald aussieht, der mit Blitzen aufgehellt wird und durch den Geister schwirren. Und wenn ich „Geister“ sage, meine ich natürlich „Bettlaken“. Und ein Kerl mit lilafarbenem Umhang und grünem Gesicht reitet da auch durch, aber Dyala kann ihn unbeeindruckt niederschlagen und kommt fliegenden Hufes im Kampfgeschehen an, wo sie sich gleich Kalungo vorknöpft. Kurz, bevor sie dem armen bösen Magier den Kopf abschlägt, kriegt auch sie einen schauspielerischen Anfall und brüllt ihren Feind plötzlich mit aufgerissenen Augen an – was sich dann fortsetzt, als sie Kalungos Kopf den kämpfenden Massen präsentiert und mit hysterisch verzerrter Stimme verkündet, daß der Kampf vorbei sei. Da sehen wir es wieder: Zuviel Gewalt hinterläßt auch bei der ausgeglichensten, mimisch unbeweglichsten Amazone psychische Narben.

Jetzt könnte ja eigentlich schon alles gut sein, aber freilich muß sich Tashis Mutti ja noch für den Tod ihrer Tochter rächen. Das macht sie, indem sie eine Axt in Dyalas Lebensbaum schlägt. Das mißfällt Dyala, die sich vor Schmerzen windet und doch genug Kraft findet, Tashi mit dem Schwert zu bekämpfen. Dann schafft es die Mama aber, den Baum komplett zu fällen, und aus einem nicht näher erläuterten Grund macht das Dyala überhaupt nichts aus – während Tashis Mutti von dem umstürzenden Baum erschlagen wird. Hätte sie mal doch bei der Holzfällerausbildung nicht immer nur von der Sitznachbarin abgeschrieben!

Und wer jetzt traurig ist, weil so viele schöne Frauen sterben mußten, der wird sich sicher darüber freuen, daß Dyala zur Hütte von Azundati zurückkehrt und dort eine quicklebendige Tashi vorfindet, die erläutert, daß Azundati jetzt gegangen ist und erklärt hat, daß ihr Werk vollbracht sei. „Tut mir leid wegen deiner Mutter“, leitet Dyala zum schwierigen Teil der Konversation über. „Mir nicht“, sagt Tashi mit ernstem Gesicht. Und dann lächeln sich die Mädels an. Alles ist gut. Endlich haben sie Zeit, sich fertig an- oder auszuziehen.

Im Reich der Amazonen (Argentinien 1986)
Originaltitel: Amazons
Regie: Alex Sessa
Drehbuch: Charles Saunders
Darsteller: Windsor Taylor Randolph, Penelope Reed, Joseph Whipp, Danitza Kingsley

—————–
4 8 15 16 23 42

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    Comments are closed.

    0 %