FilmWühlkiste

LOVE SPAGHETTI LOVE: Fremdgehen auf Italienisch

Wie kann man europäische Beziehungskomödien auseinanderhalten? Ganz einfach: In den französischen Filmen treffen verheiratete schöne Frauen auf schöne Männer, die mit jemand ganz anderem verheiratet sind, aber keiner nimmt ihnen die treulosen Abenteuer wirklich krumm. In italienischen Exemplaren treffen verheiratete schöne Frauen auf alberne Männlein, die ganz und gar unmännlich wirken, und kurz bevor ihnen ein Schäferstündchen gelingt, kommt irgendein merkwürdiges Unglück dazwischen. In deutschen Komödien treffen schöne Frauen auf Til Schweiger, der dann etwas Unfreundliches nuschelt.

LOVE SPAGHETTI LOVE ist, wie man am Titel unschwer erkennen kann, eine italienische Variante solch heiterer Reigen (der Originaltitel lautet ebenso sinnfrei SPAGHETTI A MEZZANOTTE – „Spaghetti um Mitternacht“, obwohl sowohl Nudeln als auch Uhren eine reichlich untergeordnete Rolle spielen). Das alberne Männlein spielt Lino Banfi, der nicht ganz so lustig ist wie sein Komödienkollege Alvaro Vitali, der ja bekanntlich überhaupt nicht lustig ist (und hier auch ausnahmsweise nicht mitspielt). Die schöne Frau ist das Model Barbara Bouchet, die in der Bond-Parodie CASINO ROYALE die Moneypenny spielte und damit beinahe als Quasi-Bond-Girl durchgewunken werden kann.

Verheiratet sind die beiden hier sogar miteinander, aber viel los ist in der Ehe nicht mehr: Banfi muss sich auf Kommando seiner Gattin mit Diäten und Jogging abquälen, während die gute Frau vom Balkon aus mit Funkgerät und Fernglas den Fortschritt der Leibesertüchtigung überwacht. Kein Wunder, dass sich Anwalt Banfi anderweitige Vergnügungen sucht: die ebenfalls ganz ansehnliche Frau des Bezirksstaatsanwalts. Seine Frau Gemahlin treibt sich derweil mit einem Architekten herum, der zufällig im selben Haus wohnt wie Banfis Gespielin und für Banfi einen mondänen Landsitz entwirft, zu dessen Einweihungsfeier dann alle in einem höchst verflochtenen Verwirrspiel aufeinandertreffen – inklusive eines Mafiakillers, der hinter einem von Banfis Klienten her ist, und einem neugierigen Reporter. Man merkt es schon: Da bahnt sich ein Lustspiel allererster Kajüte an.

„Hallo, Produktion? Sollte ich nicht eigentlich mit Marcello Mastroianni spielen?“
Lino Banfi bandelt mit der schönen Alida Chelli an.

Na schön, es ist nicht ganz die allererste Kajüte, in der der Klamauk stattfindet, sondern eher die allerfünfte oder allersechste Kajüte, irgendwo in der Abstellkammer des Maschinenraums, gleich neben der Schiffsschraube. Ähnlich laut ist das Prozedere jedenfalls: Alle hampeln und reden ständig durcheinander, die hysterische deutsche Synchro schraubt den Nervositätslevel noch ein paar Stufen nach oben. Banfi, der sich mit Filmen wie dem hoffnungslos behämmerten DER IDIOTENZWINGER oder der unglaublichen Gaga-Parade HELM AUF – HOSE RUNTER im Klamauk sein Zuhause eingerichtet hat, lässt auch in LOVE SPAGHETTI LOVE nichts unversucht, das Hirn des Zusehers zur Kapitulation zu bringen – an einer Stelle fällt er in einem Treppenhaus übers Geländer, federt von zwei unten wegen eines Umzugs aufgestellten Betten aus dem Haus aufs Dach eines Auto, wo er sich mit beiden Armen an den Antennen (ja, zwei) verhakt, bevor ihm ein draußen spielender Junge einen Baseball versehentlich in den Mund wirft und das Auto mit ihm oben drauf abzwitschert. Ja, der Neorealismus hat in Italien wahrlich seine Spuren hinterlassen.

Der Film stammt aus dem Jahr 1981, umschiffte aber die deutschen Kinos großräumig und kam erst 1987 als Videopremiere nach Deutschland. Warum er dann ausgerechnet in die KNM-Reihe „Sexy Classic Edition“ auf DVD gepackt wurde, lässt sich aus dem Film selbst nur schwerlich herauslesen – wahrscheinlich aufgrund eines Running Gags, bei dem die wie gemalt schöne Bouchet beständig bei der Feier ihr Kleid irgendwo einklemmt und dann wahlweise in der Unterwäsche oder nackt dasteht. Aber bis es in Deutschland eine viel passender betitelte „Lino Banfi Schenkelklopfer Edition“ gibt, wird es wohl noch die eine oder andere Retrospektive benötigen.

Der Bond-Girl-Report: Ein Blick durchs Schlüsselloch auf Barbara Bouchet.

Inszeniert hat den überdrehten Nervensägenfilm übrigens Vielfilmer Sergio Martino, der immerhin einst Giallo-Klassiker wie SÄGE DES TEUFELS, DIE FARBEN DER NACHT oder DER KILLER VON WIEN schuf. LOVE SPAGHETTI LOVE ist nicht seine erste Komödie, aber er zeigt hier leider nichts vom absurden Vergnügen oder auch den erotischen Reizen von früheren Filmen wie MÜSSEN MÄNNER SCHÖN SEIN?.

Zum Schluss kommen Banfi und Bouchet wieder zusammen und genießen ein herzhaft üppiges Mahl. Ob es da gerade Mitternacht war, kann ich nicht mehr sagen – aber es hat sich auf jeden Fall sehr spät angefühlt.

Alle Screenshots und der Coverbildscan stammen von der KNM/Movie-Power-DVD „Flotte Teens in Love Spaghetti Love“, (C) 2013 WGF Film.

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    Comments are closed.

    0 %