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IRON MAN 3: Der Tony Stark unter den Iron Men

Robert Downey Jr. in IRON MAN 3

Unser Gastautor Dr. Wily dringt tiefer in das Marvel Cinematic Universe ein: Nach dem Ensemblefilm THE AVENGERS knöpft er sich als nächstes IRON MAN 3 vor, mit dem Marvel ihren zweiten großen Film-Block einläuteten.

Die Marvel Studios starten in ihre sogenannte Phase Zwei, die sich über sechs Filme bis zu ANT-MAN erstreckt, genauso wie in ihre Phase Eins mit einer Iron-Man-Geschichte. Doch seit THE AVENGERS hat sich einiges verändert.

Schon mit dem ersten Satz „We create our own demons“ klingt Tony Stark (Robert Downey Jr.) ganz anders als der Mann, der in Teil 2 noch den Weltfrieden privatisiert hat. Die Überheblichkeit und Lässigkeit, für die ihn die vorigen Filme bewundert haben, fliegen ihm hier auf mehreren Ebenen um die Ohren. So tief ist Stark bisher nicht gefallen und fällt er auch nie wieder. Nach seinem kurzen Ausflug in eine andere Dimension und dem vermeintlichen Sturz in den Tod in THE AVENGERS leidet er unter heftigen Panikattacken. Im Laufe des Films werden sein Heim und sein Labor zerstört, er muß lange um seine Liebe Pepper Potts (Gwyneth Paltrow) bangen, und er verliert alle seine Iron-Man-Rüstungen – bis auf eine, und die funktioniert eigentlich nie so richtig. Tony muß hier also sehr lange ohne seine Metallschutzhülle auskommen, was auch bedeutet, daß Downey mehr zu tun bekommt als bisher und man mehr Mitgefühl mit dieser Figur herstellen kann. Wenn IRON MAN 1 und 2 Geschichten über Iron Man erzählt haben, erzählt IRON MAN 3 endlich eine Geschichte über Tony Stark.

Die Dämonen, die Tony hier kreiert, sind Maya Hansen (Rebecca Hall) und Aldrich Killian (Guy Pearce). Beide wollten mit ihm zusammenarbeiten, doch in seiner Arroganz ignoriert er den einen und begreift die andere nur als Mittel zur Bedürfnisbefriedigung. Was es mit den Menschen macht, die er nur als Erweiterung seiner Selbst wahrnimmt, kümmert ihn nicht, er denkt nicht einmal darüber nach. Durch Tonys Verhalten finden die beiden Abgelehnten zusammen, und Jahre später wendet sich diese Zusammenarbeit nun gegen ihn. Hier stellt sich zum ersten Mal ein neues Element ein, das die Figur Tony Stark über weitere Filme begleiten wird (und auch bei BLACK PANTHER auftaucht): Immer wieder muß sich Tony mit Bösewichten auseinandersetzen, die er durch seine Handlungen selbst erschaffen hat.

Pepper Potts und Aldrich Killian
„Bist du nicht der Typ, der sich alle paar Minuten an nichts mehr erinnert? Wie hieß der Film doch gleich?“

Manches an diesen Figurentwicklungen liegt wohl an Regisseur und Drehbuchautor Shane Black. Black hatte in den 1980er und 1990er Jahren zahlreiche Erfolge als Autor. Von ihm stammen THE LAST BOY SCOUT und LETHAL WEAPON sowie LAST ACTION HERO, der zwar kein Erfolg war, aber viele seiner erzählerischen Eigenheiten auf die Spitze treibt. Sein Genre ist also, je nach Schwerpunktsetzung, die Actionkömodie mit Krimielementen oder die Krimikomödie mit Actionelementen. Dazu gehört bei ihm auch immer ein Spiel mit Genrekonventionen. Shane Black läßt seine Heldenfiguren gern auflaufen oder zieht ihnen den Boden unter den Füßen weg. Bekannte Plotpoints steuert er immer wieder an, um sie dann konsequent nicht zu erfüllen und einen Witz daraus zu ziehen. Viele seiner Geschichten sind sehr lustig und fühlen sich smart und überraschend an – auch bei mehrmaligem Ansehen.

Er ist einer der wenigen, der bei Marvel hinter der Kamera stehen und dabei eine eigene Stimme haben durfte. Üblicherweise werden die Filme hier ja auf Produzentenebene geplant, Inszenierung und Look festgelegt. Der Regisseur ist hier als Autor so gut wie gar nicht gefragt. Mit Ausnahme von THOR – TAG DER ENTSCHEIDUNG gab es im weiteren Verlauf der Marvel-Reihe kaum einen Regisseur, der viel Raum für eigene Ideen bekam. Es dürfte vor allem zwei Gründe haben, daß Black die Franchise hier in die dritte Runde führen durfte: Zum einen scheint er ein guter Freund von Robert Downey Jr. zu sein, mit dem er 2005 KISS KISS BANG BANG gedreht hatte. Downey und sein Einfluß dürften Black bei Marvel ins Spiel gebracht haben. Außerdem hat Shane Black zwar eine eigene Erzählstimme, ist dabei aber sowohl nicht teuer als auch sehr gut mit dem Mainstreamanspruch der Marvel Studios vereinbar. Er ähnelt dabei ein wenig Joss Whedon. Look und Inszenierung sind glatt, glänzend und unbedingt blockbustertauglich, das Drehbuch dagegen offenbart einen eigenen Umgang mit den Figuren. Wie Whedon schüttelt Black Genre und Charaktere gerne ein wenig durch. Auch seine Welt ist vor allem eine Filmwelt, die nicht notwendigerweise an die Wirklichkeit andocken will.

Ben Kingsley als The Mandarin
Schluß mit passivem Widerstand: Bösewicht The Mandarin (Ben Kingsley).

So kommt es auch, daß diese Geschichte über den Terroristen The Mandarin (Ben Kingsley) und den Konzernboss Aldrich Killian zwar an der erzählten Oberfläche sehr real scheint, sich aber die ganze Zeit künstlich-spaßig anfühlt. Nicht zuletzt durch die verhältnismäßig frühe Offenbarung der Wahrheit um den Mandarin (eine weitere Entzauberung eines stereotypen Charakters). Für mich ist dieser Plot-Twist einer der gelungensten Gags der Marvel-Reihe. Einmal mehr ist also der wirkliche Böse ein größenwahnsinniger CEO, was mich einerseits zurück bringt zu Grant Morrisons Gedanken über unsere Gesellschaft, andererseits erinnert es an Lex Luthor vom Konkurrenten DC. Der CEO ist ein gern genommener Bösewicht, nicht erst in den letzten Jahren. Als allmächtiger Vertreter eines völlig entfesselten Systems, einer Welt, der mit keiner Macht und Kontrolle beizukommen ist außer der superheldischen – nämlich das Ganze einfach in die Luft zu jagen.

Ein anderer Effekt sind allerdings auch einige – nennen wir es: erzählerische Großzügigkeiten wie etwa der Umgang mit der körperlich veränderten Pepper Potts. Immerhin besteht die Gefahr, daß sie sich zum selben Monster entwickelt wie Killian. Aber das wird mit einem Satz Tonys geklärt, er kenne sich damit aus, habe das Problem schon vor Jahren im Rausch fast gelöst und werde ihr sicher helfen können. Vielleicht habe ich Tony so oft auf die Nase fallen sehen in diesem Film, daß ich ihm diese allmächtige Darstellung seiner Kompetenz gerne zugestehe. Oder es ist die mit sich selbst beschäftigte Künstlichkeit dieser Welt, die es mir völlig plausibel macht, daß dieses Problem einfach so weggeschnippt wird. Möglicherweise ist es auch nur cool, Pepper Potts im Iron-Man-Anzug zu sehen.

"Iron Man" Tony Stark und seine Pepper Potts
„Schatz, kannst du mir mal mit dem Reißverschluß helfen?“

Mit IRON MAN 3 endet auch eine gewisse Reise. Tony Stark und Iron Man werden in weiteren Filmen nur mehr als Teil eines Ensembles (AVENGERS: AGE OF ULTRON) oder als den Hauptprotagonisten unterstützende Nebenfigur auftauchen (SPIDERMAN: HOMECOMING). In CAPTAIN AMERICA: CIVIL WAR erfüllt er sogar beide Aspekte.

IRON MAN 3 ist mein liebster Iron-Man-Film, und er gehört auch zu meinen Marvel-Favoriten. Streifen wir doch hier kurz das Thema „Fortsetzungen“ und fragen uns, wie ein Teil 3 um so viel interessanter und involvierender sein kann als die beiden Vorgänger. Nun, Teil 3 kann überhaupt nur existieren, weil es zwei Vorgänger gab. Die Geschichte über Tony kann hier nur deshalb so erzählt werden und funktioniert auf ihre Art hier auch nur deshalb, weil wir die Figur und Welt des Iron Man schon kennen. Damit spielt IRON MAN 3.

Post-Credits: Macht es eigentlich Sinn, daß Maya zu Tony geht und ihn mit einem Vorwand zu sich locken will, während ihre Kollegen Tonys Villa bombardieren und dabei riskieren, daß sie draufgeht? Entweder hat da wer das Memo nicht gekriegt, oder das Drehbuch hat geschlampt.

Post-Credits II: Wenn Tony einfach nur zum Arzt hätte gehen müssen, um sich das Schrapnell entfernen zu lassen, warum hat er das nicht gleich getan?

Dr. Wilys weitere Betrachtungen zum Marvel Cinematic Universe auf Wilsons Dachboden:
IRON MAN: Der gemachte Superheld
DER UNGLAUBLICHE HULK: Lustfeindlichkeit und schiefgegangene Experimente
IRON MAN 2: Größer, höher, weiter und mit Nachdruck 
THOR: Gott, Held oder Superheld?
CAPTAIN AMERICA – THE FIRST AVENGER: Der altmodische Rächer
THE AVENGERS: Ein bunter Strauß voll Schabernack
BLACK PANTHER: Eine repräsentative Utopie


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Iron Man 3 (USA 2013)
Regie: Shane Black
Buch: Drew Pearce, Shane Black
Kamera: John Toll
Musik: Brian Tyler
Darsteller: Robert Downey Jr., Guy Pearce, Rebecca Hall, Gwyneth Paltrow, Jon Favreau, Paul Bettany, Ben Kingsley, Don Cheadle, William Sadler, Miguel Ferrer

Alle Bilder (C) Marvel.

Dr. Wily
Dr. Wily mag das Alte. Selbst aktuellen Entwicklungen in Musik, Film, Literatur und Computerspiel gibt er oft Monate bis Jahre Zeit, um sich von ihnen einnehmen zu lassen. Mit zunehmendem Lebensalter zieht es ihn vermehrt zu Horror- und Mysterygeschichten hin, nur um sich dann seine Seele doch wieder von Richard Linklater, Jim Jarmusch, Jack Kerouac, Jackson Browne, Paul Simon oder J.D. Salinger streicheln zu lassen. Außerdem kann er nach 15 Jahren Spielpause MEGA MAN 2 aus dem Stand bis ins vorletzte Level durchspielen.

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