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ZÄRTLICHE CHAOTEN II: Herzensbrecher Gottschalk auf Zeitreise

„Die Konsequenzen unserer guten Handlungen verfolgen uns unerbittlich und sind oft schwerer zu tragen als die der bösen“, wußte schon die österreichische Erzählerin Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach – und obwohl sie schon 1916 starb, steht beinahe völlig außer Frage, daß sie sich mit diesem Aphorismus auf die Tatsache bezog, daß ein paar Millionen Menschen 1987 für die Dodelkomödie ZÄRTLICHE CHAOTEN mit Thomas Gottschalk, Helmut Fischer und Michael Winslow ihr hartverdientes Geld an der Kinokasse opferten und deswegen nur ein Jahr später eine Fortsetzung mit demselben Trio erdulden mußten.

Immerhin: Die müde Geschichte des ersten Films rund um die drei Vollpfosten, die allesamt dieselbe Frau geschwängert haben, findet hier keinen Nachklapp. Vielmehr dachte sich Drehbuchautor Thomas Gottschalk eine brandneue müde Geschichte um drei andere Vollpfosten aus, die per Zeitmaschine aus dem Jahr 2043 ins Produktionsjahr 1988 zurückreisen, um die Zeugung ihres ungustiösen Chefs zu verhindern. Daß sich hier für die Lisa-Film unerhörte Ambitionswallungen manifestierten, merkt man schon daran, daß diesmal überhaupt niemand zum Wörthersee fährt und demnach auch das Schloßhotel kein einziges Mal zu sehen ist – stattdessen geht es nach Gran Canaria, wo die Mama des Chefs gerade ein paar freie Tage verbringt. Zumindest bleibt man also dem Wasser treu.

Thommy Gottschalk in „Der Bademeister-Report“.
Oder war das dann dieser andere Lockenkopf?

Wo Part 1 noch ein wenig Richtung DREI MÄNNER UND EIN BABY schielte, hat Teil 2 dieser Beinahe-Franchise die Augen also schnurgerade auf ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT gerichtet – nur daß hier nicht zwei Eltern zusammengebracht werden müssen, sondern eine Frau vor möglichen Begattungskandidaten geschützt werden muß. Daß die Mission zum Scheitern verurteilt ist, wissen wir als Zuseher schon zu Beginn, weil die drei Helden die falsche Frau für die Mutter des Chefs halten – die echte schippert nämlich mit einem Kahn übers Meer und hat ihre Koffer ihrer Stewardessenkollegin Sandy überlassen, die von DALLAS-Schnuckelchen Deborah Shelton gespielt wird und deswegen zum Leidwesen unserer Beschützer einfach permanent von heißgelaufenen Männern umgarnt wird.

Wer da jetzt eine heitere Zeitreise-Komödie erwartet, hat vielleicht im bisherigen Text die Schlüsselphrasen „Lisa-Film“ und „Drehbuchautor Thomas Gottschalk“ überlesen. Das Jahr 2043 wird mit ein paar automatischen Maschinen zur Morgenhygiene und Mitarbeiterüberwachung dargestellt. Nach dem Sprung ins Jahr 1988 ist dann auch schon Schluß mit komplexem Storykonzept und so – weshalb die Anwesenheit in der Gegenwart auch gleich mit einer ellenlangen Modeschau-Montage eingeleitet wird, in der Gottschalk, Fischer und Winslow in schrillen Eighties-Klamotten posieren dürfen. Winslow vertschüsst sich aus weiten Teilen der Handlung, weil er lieber dem Glücksspiel frönt, als sich mit den anderen beiden abzuplagen – aber wenn er auch gefühlt weniger Szenen als im Erstling hat, dreht er dafür diesmal umso mehr am Grimassenrädchen: Der Mann hampelt und krakeelt sich durch die Szenerie, daß man fürchtet, das Meer könne sich aus Angst zurückziehen.

Charaktermime Michael Winslow in einem
seiner weniger überdrehten Momente
.

Umso mehr Zeit auf dem Schirm kriegt dafür Gottschalk, der sich in die schöne Shelton vergucken darf und zu ploppendem Achtziger-Sound mit ihr Eis essen geht. Es ist die große, innige Liebe, die sich da abzeichnet – immerhin darf er, nachdem ihm selber das Eis heruntergefallen ist, an ihrem lutschen! – weshalb zwischen den beiden auch nie zur Sprache kommt, wie sie eigentlich heißt. Dann wäre ja das schöne Verwechslungsspiel zuende, bei dem er sich zurückhält, um sie nicht zu schwängern. Ach ja, romantische Geschichten wie aus dem Leben. Fragt sich nur, aus wessen Leben.

Weil man mit Modeschau, Glücksspiel und Eisessen trotz nachhaltigem Einsatz diverser voll ausgespielter Quasi-Hits keinen Spielfilm füllen kann, gibt’s noch ein wenig Füllmaterial. In einem gnadenlosen Running Gag kriegen die drei immer denselben Taxifahrer ab, dem auch bei jedem Transport der Chaoten eine weitere Autotür abgeschmettert wird. In einer langen Sequenz verkleiden sich Gottschalk, Fischer und Winslow als Scheichs, um an der Dame dranbleiben zu können – und prompt gibt es eine Verwechslung mit einem tatsächlichen Scheich und seinem ihm brav hinterhertrabenden Harem! Außerdem versucht der Film, uns mit einer Go-Kart-Verfolgungsjagd bei Laune zu halten, und läßt US-Comedian Jango Edwards zu dem Song „The Legend of Xanadu“ (dieser Westernschlager mit den Peitschenhieben) minutenlang herumblödeln.

David Hasselhoff und Deborah Shelton: 1988 ging das noch als
„internationale Starbesetzung“ durch.

Oh, und beinahe hätten wir ja den Gastauftritt von David Hasselhoff vergessen: Der taucht als schöner Mann namens Michael Trutz von Rhein auf und nimmt Frau Shelton mit auf seine Jacht. Dort will er ihr dann gleich einen Heiratsantrag machen, aber zum Gott ist Glückschalk … zum Schalk ist Gottglück … ach, also, der Thommy ist halt da, um sie zu retten – während Hasselhoff sich verzweifelt fragt, ob er vielleicht einfach zu langsam ist bei den Frauen. Man erahnt die Qualitäten eines Films, wenn sich das Unterhaltungsniveau eines Films überhaupt nicht nach oben oder unten ändert, sobald Bademeister Hasselhoff auftaucht.

Nüchtern betrachtet ist ZÄRTLICHE CHAOTEN II nicht gar so grausam wie sein völlig debiler Vorgänger mit seinen soziopathischen Anflügen. Kameramann Atze Glanert bemüht sich sogar, das eine oder andere Bild stimmungsvoll auszuleuchten – vor allem in den 2043-Sequenzen. Aber was will man tun, wenn der Witz mal wieder vom Sandmännchen geküßt wurde und der Film auch noch glaubt, Thomas Gottschalk nicht nur als coolen Hund, sondern auch noch als glaubwürdigen Herzensbrecher erzählen zu müssen?



Zärtliche Chaoten II (Deutschland 1988)
Regie: Holm Dressler
Buch: Thomas Gottschalk
Kamera: Atze Glanert
Darsteller: Thomas Gottschalk, Helmut Fischer, Michael Winslow, Deborah Shelton, David Hasselhoff, Jochen Busse, Georg Marischka, Jango Edwards, Margit Geissler, Lisa Kreuzer

Alle Screenshots: (C) 2002 Marketing Film.

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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