Uncategorized

IN 3 TAGEN BIST DU TOT: Ein Alpenslasher trotzt dem Kino seiner Heimat

Was war es doch für eine Sensation, als Andreas Prochaska 2006 den Horrorfilm IN 3 TAGEN BIST DU TOT ins Kino brachte: Nicht nur, daß es sich wahrscheinlich um Österreichs ersten Slasher-Streifen handelte – nein, ganz generell war das österreichische Kino all die Jahre über nie mit allzu aufregenden Filmen gesegnet gewesen. Die Zeiten, in denen hierzulande mit expressionistischem Horror wie ORLACS HÄNDE oder aufwendigen Monumentalepen wie SODOM UND GOMORRHA Filmgeschichte geschrieben wurde, waren lange vorbei – danach kamen hauptsächlich Heimatfilme, Kunstexperimente und jahrzehntelange Tristesse. Ausnahmen standen auf verlorenem Einzelkämpferposten.

Nicht, daß die Tristesse nicht auch Teil von IN 3 TAGEN BIST DU TOT wäre: Das Schwermütige dringt auch in diesen Film ein, der seinen Plot hauptsächlich aus internationalen Horrorerfolgen plünderte und ins Salzkammergut verlegte. Die Bilder sind in dreckigen Farben gehalten, die Stimmung bleibt trüb, das Tempo getragen. Selbst eine Maturafeier sieht hier nach grindigem Partykeller aus und nicht nach attraktivem Freudenfest. Es ist das Erbe der österreichischen Sozialstudien, das hier trotz geschmeidiger Kameraarbeit noch durchscheint: Statt schöner Hollywood-Models kämpfen sich hier völlig normal aussehende Laiendarsteller durch die Handlung, statt internationalem Flair herrscht ganz provinzielle Verankerung inklusive Dialekt.

Nina (Sabrina Reiter, links) und Mona (Julia Rosa Stöckl)
würden sich mehr Wohlfühl-Kino aus Österreich wünschen.

So sehr der Film für seine Pionierarbeit im österreichischen Kino gelobt wurde, so sehr wünscht man sich aber, er hätte eine interessantere Geschichte zu erzählen. Eine Gruppe von Teenagern erzählt eine SMS mit den titelgebenden Worten – und schon bald stirbt der erste von ihnen. Da erinnert vieles an ICH WEISS, WAS DU LETZTEN SOMMER GETAN HAST und damit auch an die vielen Dutzend Slasher-Filme, die dieses ohnehin schon keine Spur originelle Vorbild geprägt haben; hinzu kommen Elemente aus Filmen wie THE RING (die Mordankündigung mit Zeitlimit) oder BLUTGERICHT IN TEXAS (grausige Funde in einer abgelegenen Hütte). Das Lokalkolorit mag dem Film eine eigene Note geben, die Handlung tut dies nie.

Immerhin sind ein paar Überraschungen eingewoben – beispielsweise die Tatsache, daß die Protagonistin schon früh vom Täter attackiert wird und ihm aber wieder entkommen kann. Oder die Tatsache, daß ein anfangs gezeigter Autounfall, der noch bei ICH WEISS, WAS DU LETZTEN SOMMER NOCH GETAN HAST als Handlungsanstoß fungierte, hier höchstens dazu dient, die Stimmung zu setzen. Solche Brüche mit Genretraditionen bleiben aber selten – die meiste Zeit über ist IN 3 TAGEN BIST DU TOT sehr damit beschäftigt, das zu erfüllen, was die Slasher-Schablone vorschreibt.

Clemens (Michael Steinocher) kann sich nicht erinnern,
daß der Fischtank schon immer so blutig ausgesehen hätte.

Daß der Film in Österreich so erfolgreich war und auch so viel Hoffnung auf zukünfigte Projekte abseits von Komödien und Kunst weckte, liegt vielleicht daran, daß er sich ganz klar als junges Kino zeigt – eine Sparte, die hier beinahe nie zuvor bedient wurde. Nicht nur die Protagonisten sind jung, sondern auch die Haltung ist es: Die Erwachsenen sind hier bestenfalls überflüssig. Eine der Protagonistinnen ignoriert ihren Vater, der im Rollstuhl im Hintergrund sitzt und sich laufend beschwert, entweder mit lauter Musik aus den Ohrenstöpseln oder mit wichtigeren Gesprächen mit ihrer Freundin. Ein Polizist, der anfangs kontaktiert wird, weigert sich, den Verdacht ernstzunehmen, daß etwas Schlimmes passiert sei. Und der später hinzugekommene Kommissar verhört die jungen Freunde eher, als daß er ihnen hilft. Es ist ein klassisches „Wir gegen die“-Gefühl, das hier mitschwingt.

Daß mit der Slasherstory ein Horrorgenre bedient wird, das schon seit jeher vor allem ein junges Publikum ansprach, gehört da also fast zum Programm. Daß die Inszenierung mit modernen Indie-Rock-Songs daherkommt und einem betrunkenen Toilettengänger auch schon mal gewissermaßen einen „Pinkel-POV“ spendiert, mag im Genre nichts Aufregendes darstellen – im Herkunftsland dagegen wird da deutlich dem stiezigen Kino früherer Generationen der Kampf erklärt.

So kann man IN 3 TAGEN BIST DU TOT für das, was er in der Filmlandschaft gemacht hat, weitaus mehr wertschätzen als für den Film, der er ist. Keine Frage, es ist ein solider und kompetent inszenierter Horrorstreifen dabei herausgekommen – nur daß es davon eben schon seit den Achtzigern mehrere Dutzend zu viele gibt. Aber gleichzeitig hat der Film einige Türen geöffnet – und darin liegt wohl sein größter Wert.



In 3 Tagen bist du tot (Österreich 2006)
Regie: Andreas Prochaska
Drehbuch: Thomas Baum, Andreas Prochaska
Musik: Matthias Weber
Kamera: David Slama
Darsteller: Sabrina Reiter, Julia Rosa Stöckl, Laurence Rupp, Nadja Vogel, Michael Steinocher, Julian Sharp, Karl Fischer, Susi Stach

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    3 Comments

    1. Ich sehe das anders. Ich fand eben nicht dass sich "In 3 Tagen bist Du tot" wie andere Slasher schaut, da das Genre Heimatfilm und Kriminalfilm Herkunftsland-bedingt stark mitschwingt, so dass der Film sich von seiner Mentalität her weit von Slashern aus englischsprachigen Regionen unterscheidet. Erst der Showdown geriet meiner Meinung nach zu mainstreaming. Der Rest schaut sich wie eine Slasher-Geschichte, die als Kriminalfilm erzählt wurde. Zudem war der Großteil des Films recht bodenständig und rational erzählt, zumindest für einen Slasher. Das sehe ich in Sachen individuelle Wirkung ebenfalls als hervorhebenswerten Pluspunkt an. Aufgrund des eher mäßigen Finales habe ich mich bislang nicht getraut einen Blick auf die Fortsetzung zu werfen. Keine Ahnung wie die ausgefallen ist!

    2. Keine Frage, das Lokalkolorit gibt dem Film eine eigene Note – aber das habe ich ja auch so geschrieben. Am Ablauf des Geschehens ändert es allerdings nicht viel. Da ist der zweite Teil weitaus geschickter, sein Setting und seine regionalen Besonderheiten gewinnbringend einzusetzen und auch mit der Handlung zu verknüpfen. Teil 2 ist übrigens gar kein Slasher, sondern im Prinzip eine Backwoods-Horrorstory – vielleicht kommt da auch noch ein Text. Jedenfalls ist die Fortsetzung eine durchaus lohnenswerte Angelegenheit.

    3. Selten, aber doch, muss ich dem Genzel-Buam Recht geben. "I3Tbdt" hat in Österreich das Bewusstsein bei manchen Leuten geweckt, dass es erstens so etwas wie Genrefilme gibt, zweitens, dass man damit auch erfolgreich sein kann, und drittens, dass es schon wieder eine Revolution sein kann, wenn man ein Kommerzprodukt gegen die Regeln des hiesigen filmischen Establishments dreht. Insofern kann man "I3Tbdt" und dessen Machern nicht genug danken.

      Allerdings: Der Film ist nach bekanntem Rezept… nur in neuer Umgebung. Storytechnisch ist nichts Neues dabei, er wirkt sogar eher lahm – und hat mich sogar ein bisschen gelangweilt. Es ist paradox: Der Film ist wichtig für Österreich – aber nicht vom Inhalt her, sondern einfach dass er existiert.

      Zur Verteidigung: Mir kommt auch eher vor, dass "I3Tbdt" der Auftakt dazu ist, um die Regeln/die Art der Geschichte zu etablieren, nur, um in "I3Tbdt 2" zu zeigen, was man wirklich drauf hat. Weil der zweite Teil hat mich einfach nur weggeblasen, der ist absolut cool.

      PS: Im Übrigen bin ich der Meinung, dass "Der Knochenmann" ein versteckter Backwood-Slasher ist. Da sind so viele Elemente dabei, die sich nicht so wirklich die Story übertünchen – eher so im Hintergrund laufen, aber ständig präsent sind. Das ist eine wahre Meisterleistung.

      Spoiler zu "Der Knochenmann"

      Das Ganze spielt in einer Gegend abseits des bekannten Kosmos' (Backwood halt). Einem Typen wird die Kehle aufgeschlitzt, Kannibalismus, ein anderer hängt am Fleischerhaken – und sogar Transgender (was ja auch in "Psycho" ein Thema war) kommen vor.

    Comments are closed.

    0 %