Mittlerweile ist es fast willkürlich, ob ein Bruce-Willis-Actionkracher den Titel STIRB LANGSAM tragen darf oder nicht – wenn Bruce sich bei der großflächigen Zerstörung von Gebäuden, Autos, Hubschraubern, Flugzeugen, Flughäfen, Straßen und sonstiger Urbanität mit dem Namen „John McClane“ anreden lassen kann, wird der Spaß halt als DIE-HARD-Sequel etikettiert. Dabei hat die Reihe schon lange nichts mehr mit dem Originalfilm von 1988 zu tun, in dem Willis als widerwilliger Held stets die letzten Reserven aktivieren mußte, um sein Ableben doch noch ein wenig aufzuschieben – ganz im Gegensatz zum unverwundbaren Übermenschen, zu dem er im Lauf der Jahre mutierte. Nachdem McClane im (außerhalb des Serienkontextes sehr vergnüglichen) vierten Teil mal eben einen fliegenden Helikopter mit einem mittels einer Rampe in die Luft geschossenen Autos vom Himmel holte und später mit schierer Willenskraft einen Dreißigtonner davon abhielt, von der Straße zu kippen, schickt man die personifizierte Destruktion diesmal nach Moskau, wo er sich aufopfernd um die amerikanische Außenpolitik kümmern darf. Viel bleibt von Rußland nicht über, was hinterher noch aufmucken könnte.
Auch wenn McClane hier beständig quengelt, daß er sich eigentlich im Urlaub befindet – da will man wohl an die ersten zwei Teile anknüpfen, wo McClane eigentlich nur Weihnachten mit seiner Familie feiern wollte, anstatt Terroristen zu bekämpfen – ist er doch in Wahrheit in Moskau, um seinen mißratenen Sprößling wieder auf die richtige Bahn zu lenken. Der steckt nämlich wegen eines Attentats in Schwierigkeiten, das er im Auftrag des Gefangenen Komarov ausgeführt hat. Nach ausgiebigster Verwüstung der Moskauer Infrastruktur muß McClane Senior allerdings feststellen, daß sein Sohnemann eigentlich für die CIA arbeitet und Komarov hilft, um an ein wichtiges Geheimdokument zu kommen.
STIRB LANGSAM im komplexen Spionagegeflecht? Ach was! Was in diesem begehrten Dokument stehen könnte, wird hier ebenso unter den Teppich gekehrt wie die politischen Verstrickungen, die so ein Undercover-CIA-Einsatz im Ausland vielleicht andeuten könnte. Entsprechend kurz werden diese Handlungsstützen auch abgefrühstückt, damit der Film möglichst schnell von Krawall zu Krawall kommen kann: Finsteres Ausländerpack tritt mit üblem Schurkenplan auf denselbigen und wird generationenübergreifend vom McClane-Clan an den ihnen zustehenden Platz in der Weltordnung erinnert. Hoffen wir mal, daß sich Mütterchen Rußland hinterher auch dankbar zeigen wird.
Schon seit Beginn der Reihe war die Action um McClane gerne als überlebensgroßer Schauwert konzipiert – auch wenn sich Teil 1 noch um einen gewissen Realismus bemühte (Glasscherben schmerzen, wenn man barfuß darüber gehen muß!) und Teil 2 seinen Held mit der Kraft der Verzweiflung dem Wahnwitz die Stirn bieten ließ. Mittlerweile hat der Radau aber rein gar nichts mehr mit den Gesetzmäßigkeiten der Welt zu tun, in der wir leben: Was McClane hier aufführt und ohne Kratzer überlebt, läßt Bond, Bauer und Bourne wie blutige Amateure aussehen. Ein ums andere Mal stürzt McClane mehrere Stockwerke in die Tiefe und mildert den Aufprall wahlweise mit einem Baugerüst oder einem toten Terroristenkörper; bei der Hetzjagd durch Moskau brettert er mit seinem Jeep von einer Brücke und verfolgt sein Ziel über die Dächer von verschiedenen Lastwägen und zersplitternden Kleinwägen weiter, während er nebenher noch mit seiner Tochter telefoniert. So spaßig die Over-the-Top-Schrottarbeit auch für sich betrachtet ist und so technisch aufwendig sie auch inszeniert sein mag – es wundert kaum, daß die McClane-Fans angesichts solcher Phantastik die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.
Den Höhepunkt der Absurdität erreicht der Film dann aber im letzten Drittel: Da führt die Spur der Verbrecher nämlich nach Tschernobyl (die Strecke von Moskau bis Tschernobyl wird von den McClanes per Auto in wenigen Stunden zurückgelegt), wo die Radioaktivität von den Schurken flugs mit einem handlichen Saugpuster beseitigt wird – offenbar wird dabei ein Gas in die Atmosphäre geblasen, das die Strahlung neutralisiert, aber eventuell wird der ganze radioaktive Dreck auch einfach nur vakuumverpackt entsorgt. Praktisch, wenn man seine Hauptfiguren nicht das ganze Finale über mit unansehnlichen Strahlenschutzanzügen herumlaufen lassen will – und gleichzeitig unverzeihlich, daß dieses Gerät bislang noch keine offizielle Anwendung fand!
Sicherheitshalber – schließlich müssen die McClanes feststellen, daß Komarovs Plan auf die Vorräte von waffenfähigem Uran in Tschernobyl abzielte! – wird der ganze Komplex zum Schluß gleich nochmal in die Luft gejagt. Davor darf McClane Senior noch mit einem Truck aus einem Helikopter springen, selbiger Helikopter stürzt sich in Kamikazeabsicht ins Gebäude, und die McClanes springen – mal wieder – mehrere Stockwerke tief in ein Wasserreservoir, das sie vor der gewaltigen Explosion und den herumfliegenden Hubschrauberwrackteilen schützt. Nachdem der Strahlungssaugblaser sich wohl nicht auf das Wasser ausgewirkt haben dürfte, hoffen wir einfach mal, daß Vater und Sohn McClane bis Teil 6 der Reihe ihre ganzen Chemotherapiesitzungen schon hinter sich gebracht haben.
Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben (USA 2013)
Originaltitel: A Good Day to Die Hard
Regie: John Moore
Drehbuch: Skip Woods
Darsteller: Bruce Willis, Jai Courtney, Sebastian Koch, Mary Elizabeth Winstead, Yuliya Snigir, Cole Hauser
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