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Der Soundtrack zu HALLOWEEN: Nervenaufreibender Minimalismus

Es ist erstaunlich, wie lange es brauchte, bis die Musik aus Carpenters klassischen Filmen auf Platte erhältlich war. Daß DARK STAR erst sechs Jahre nach Erscheinen einen Soundtrack bekam, mag angesichts der billigen Produktion und der Tatsache, daß der Film wie auch Carpenter selbst erst einige Jahre später eine so große Fangemeinde fanden, noch einleuchten – aber auch HALLOWEEN, wohl Carpenters bekanntester Film und schon 1978 ein immenser Kassenschlager, brauchte fünf Jahre, bis der Score separat veröffentlicht wurde. Die Musik aus ASSAULT – ANSCHLAG BEI NACHT, zigfach gesamplet und weiterverwendet, wurde gar erst 27 Jahre nach Erscheinen des Films als Album herausgebracht!

Bei genauerer Betrachtung aber erscheint es viel plausibler, daß diese Filme so lange ohne Soundtrack blieben – es gibt nämlich eigentlich gar nicht viel Musik darin. DARK STAR hatte nur eine kleine Handvoll Stücke und einige Synth-Stimmungen für den Background, weshalb das dazugehörige Album dann auch mit viel Dialog und diversen Soundeffekten gefüllt war. ASSAULT hatte eigentlich nur eine ganz geringe Anzahl von Themen, die sich in nur kleinster Variation über den ganzen Film verteilten – und das trifft auch auf HALLOWEEN zu: Abgesehen vom Hauptthema gibt es drei ausgearbeitete Motive, die recht ähnlich funktionieren und in einigen Abwandlungen immer wieder eingesetzt werden. Ein Wunder eigentlich, daß überhaupt 34 Minuten Soundtrack zustandegekommen sind – und das funktioniert nur, weil die Wiederholungen der Themen inkludiert sind. Das „Halloween Theme“ begegnet uns in den Tracks „Shape Escapes“, „Meyers‘ House“ und „Loomis and Shape’s Car“ fast unverändert wieder, „The Haunted House“ wiederholt einen Part von „Laurie’s Theme“, und die Unterschiede zwischen „The Shape Lurks“ und „The Shape Stalks“ sind auch nur gering.

Das macht in diesem Fall aber wenig, weil die Qualität der Stücke erstklassig ist und das Album mit den wiederkehrenden Motiven mehr wie eine Gesamt-Stimmung und weniger als Aneinanderreihung von Einzeltracks funktioniert. Bekannt und längst zum Klassiker herangereift ist natürlich das Hauptthema, das mit einem nervösen, aber höchst eingängigen Pianomotiv im 5/4-Takt und mechanischem Tickern eine atmosphärisch dichte Spannung anlegt, über die mit dickem, düsterem Synth die Melodie gelegt wird. Auch die anderen Themen funktionieren so: Die Verknüpfung von simplen Klavierparts und kaltem Synthesizerterror mit unnachgiebiger Rhythmik zerrt ein ums andere Mal an den Nerven – vor allem in „The Shape Lurks“, wo die Intensität immer weiter angeschraubt wird. Der stur hämmernde Rhythmus läßt auch immer wieder an das unaufhaltsame Voranschreiten von Psychopath Michael Myers denken.



In den Liner Notes des Soundtracks erklärt Carpenter, wie der Film ohne Musik gar nicht funktionierte, und wie er einige „stingers“ einsetzte, um die Zuseher zu erschrecken. Auch diese nervenaufreibenden Effekte sind hier und da auf den Stücken zu hören, und sie funktionieren selbst ohne Bild und Handlung ganz prächtig. Carpenter nennt Bernard Herrmann und Ennio Morricone als Haupteinflüsse für seine Soundtrack-Arbeiten – mit Morricone, der gerne „lautmalerisch“ komponierte, konnte er 1982 bei DAS DING AN EINER ANDEREN WELT zusammenarbeiten; das Herrmann-Element ist aber nicht nur in seinem HALLOWEEN-Score noch viel präsenter: Wie Hitchcocks Hofkomponist zum Beispiel bei PSYCHO mit einfachsten Mitteln den Kinogänger schon beim Vorspann involvierte, läßt sich auch hier eindrucksvoll nachvollziehen.

Carpenter arbeitete den Soundtrack übrigens mit einem Partner zusammen aus, der eher selten erwähnt wird: Dan Wyman. Wyman (der auch für Giorgio Moroder arbeitete und daher unter anderem an einigen Donna-Summer-Alben beteiligt war) gehört zu den Synthpionieren der Siebziger und half Carpenter schon bei dem Score zu ASSAULT, später auch noch bei der Musik zu THE FOG. Laut den HALLOWEEN-Credits war Wyman für das „Synthesizer Programming“ verantwortlich; Carpenter selber nennt ihn in den Liner Notes aber sogar seinen „musical co-producer“. So oder so ist Wymans Arbeit an den Synthesizern nicht zu unterschätzen: Viel Effekt erhält die Musik alleine schon durch die Klangarchitektur, bei der die hohen Töne wie Messer schneiden und die Synthflächen eisige Kälte verbreiten.

„I was the fastest and cheapest I could get“, stapelt Carpenter gerne tief, wenn es darum geht, warum er selber den Score für seine Filme komponiert hat. Die Einschätzung mag auch stimmen – aber sie sollte nicht davon ablenken, daß er primär auch noch etwas anderes war: nämlich die beste Wahl.



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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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