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Hot Dogs auf Ibiza (1979)

„Schreiben Sie etwas darüber, Genzel!“ Die mich hier anblökende Stimme gehört nicht etwa einer unnachgiebigen Chefredaktion, sondern alleine meinem Gewissen, das so streng ist, daß es mich sogar siezt. Dieses Gewissen meldet sich schon vor Start des Films – eigentlich immer, will es doch sicherstellen, daß hier neue Texte entstehen und die verschollenen Perlen der Filmgeschichte per Kommentar konserviert werden – und später natürlich umso lautstärker, als der Film dann läuft und zu jeder Sekunde verdeutlicht, daß mein Gemüt offenbar so schlicht ist, daß ich mir 77 niveaufreie Minuten lang nackte bis halbnackte Frauen am Strand anschauen kann und trotzdem nicht das Gefühl bekomme, ich sollte mir jetzt stattdessen eine Truffaut-Retrospektive ansehen. Und das, obwohl Handlung und Witz in diesem französisch-deutschen Film mit dem schönen Titel HOT DOGS AUF IBIZA noch sparsamer budgetiert wurden als die Kostümabteilung.

Jeglicher Versuch, den Film mit den Worten „Es geht um …“ oder „Die Handlung dreht sich um …“ wiederzugeben, ist zum jämmerlichen Scheitern verurteilt, was damit zu tun haben könnte, daß es um gar nichts geht und es auch überhaupt keine Handlung gibt. Auch wenn folgender Satz vielleicht eine solche vortäuschen könnte: Der junge Vertreter Cri-Cri (Eltern gibt’s!) heuert in einem Ferienparadies auf Ibiza als Animateur an und betreut dort nicht nur die übliche Reihe von, ähem, willigen Weibern, sondern hauptsächlich die hübsche Eva, deren Papa ausgerechnet Cri-Cris ehemaliger Chef ist. Potzblitz, ruft da irgendein findiger Autor aus der letzten Reihe, da könnte man doch eine schmissige Reihe von Verwechslungsspielen und dramatischen Komplikationen inszenieren! Freilich könnte man – aber natürlich könnte man ebenso Eva beim permanenten Sonnenbaden oben ohne zeigen und nebenher den Papa grummelnd beim ganzen Ferienprogramm mitmachen lassen, zu dem ihn Cri-Cri laufend anmeldet. Plot ist doch ein abgedroschenes Klischée.

Freilich ist die barbusige Parade durchaus ansehnlicher Frauen viel zugeknöpfter, als es zunächst den Anschein hat – immerhin ist der Film ab 12 freigegeben, was bedeutet, daß es gelegentlich Körper zu sehen gibt, aber ansonsten viel Sand, Wasser, Luft und wenig Liebe. Aber natürlich ist es typisch für die Sexkomödien aus dem europäischen Ausland, daß sie mit blanken Reizen locken, die dann im fertigen Film eine aneinandergereihte Laufzeit von fünf Minuten ausmachen – zum Glück für die Produzenten ist es ja für die Klassifizierung „Sexkomödie“ nicht erheblich, wieviel Sex und wieviel Komödie denn nun letztlich drin stecken. Ansonsten wäre dieser Streifen im Fachhandel eher in der großen Abteilung „Sandbeschau“ unterbracht.

Aber verschweigen wir mal nicht, daß es durchaus Anflüge von Handlungselementen gibt! Da wäre zum Beispiel ein Barkeeper, der zwar Abenteuern mit Hotelbesucherinnen nicht abgeneigt ist, aber extrem eifersüchtig auf jeden Gast wird, der die optischen Vorzüge seiner Freundin Alice lobt. Da freut sich also gleich zu Beginn ein Besucher über die „Schwungschenkel“ der vorbeispazierenden Alice, woraufhin der Barkeeper ihm sogleich zur Strafe heißes Fett über den Arm gießt. Viel später im Film legt sich Alice eine Burka zu, um ihren Freund zu besänftigen, aber beim ausgelassenen Schwofen gerät prompt ein freundlicher Herr ins Stolpern und reißt ihr das schwarze Gewand herunter – und ich sehe die Buchbesprechung direkt vor mir, in der der erfahrene Regisseur seinem Autoren erklärt: „Es wäre noch viel lustiger, wenn sie unter der Burka gar nichts anhätte!“ Zum Glück haben wir es hier mit einer Produktion zu tun, wo man auf den Regisseur hört.

Auch anderswo gibt es Szenen, die beim Nacherzählen so etwas wie ein fortlaufendes Prozedere vermuten lassen: Die junge Nelly zum Beispiel möchte mit ihren 18 Jahren endlich keine Jungfrau mehr sein und zieht sich also Männer zur Lösung des Problems heran. Leider bekommt jeder hoffnungsfrohe Kandidat stets zuvor einen Volleyball in die empfindlicheren Regionen gedonnert, weswegen Nelly immer wieder enttäuscht zurückgelassen werden muß. Oder denken wir an den unsicheren Hans, der in seinem Bungalow eine nackte Schönheit vorfindet, deren Name mir unerhörterweise schon wieder entfallen ist, und der sich um korrekte Wohnraumtrennung bemüht, obwohl die nette Dame einer trauten Zweisamkeit gar nicht abgeneigt wäre („Das passiert auch immer nur den anderen“, pflegte einer meiner Lehrer zu solchen Handlungsabläufen gerne zu sagen).

Hauptdarsteller Sylvain Green, der eigentlich Sylvain Chamarande heißt, spielte übrigens schon vor und auch nach HOT DOGS IN IBIZA in ähnlich gearteten Filmen von Regisseur Max Pécas unter dem Rollennamen „Cri-Cri“ mit – zum Beispiel in DIE KLEINEN ENGLISCHEN GIRLS – LET’S DO IT … TUN WIR’S DOCH (1977) oder auch in einem späteren (ebenso komplett jugendfreien) Streifen mit dem preisverdächtigen Titel WER SPRITZT DENN DA AM MITTELMEER (1980). Leider war es mir bislang nicht möglich, festzustellen, ob es sich hierbei um eine Fortsetzungsreihe handelt – was ja bedeuten könnte, daß HOT DOGS AUF IBIZA erst dann richtig verstanden und eingeordnet werden kann, wenn man die anderen Filme der Reihe kennt! „Schreiben Sie etwas darüber, Genzel“, ruft da schon wieder mein Gewissen, und ich verspreche beinahe hoch und heilig, etwas über die verwandten Werke zu texten, sobald ich sie auftreiben kann.

In meinen Notizen steht jetzt noch, daß es blödere Beschäftigungen gibt, als sich Olivia Dutron, Alexandra Delli Colli, Ursula Buchfellner und ein paar andere hochkarätige Schauspielerinnen dabei anzusehen, wie sie den Strand auf- und abspazieren. Dummerweise steht unter dieser Notiz nicht mehr, welche Beschäftigungen das denn nun genau wären.

Hot Dogs auf Ibiza (Frankreich/Deutschland 1979)
Originaltitel: On est venu là pour s’éclater
Regie: Max Pécas
Drehbuch: Claude Mulot, Didier Philippe-Gérard, Max Pécas
Darsteller: Marco Perrin, „Sylvain Green“ (= Sylvain Chamarande), Olivia Dutron, Alexandra Delli Colli, Ursula Buchfellner
Länge: 77 Minuten
FSK: 12

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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