R.I.P. Leslie Nielsen (1926-2010)

Uncategorized / 29. November 2010
Leslie Nielsen ist im Alter von 84 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung gestorben. Ich schlage vor, heute abend entweder DIE NACKTE KANONE oder DIE UNGLAUBLICHE REISE IN EINEM VERRÜCKTEN FLUGZEUG anzusehen und dabei ein Gläschen auf Leslie zu trinken. Kaum ein anderer hat uns so oft dazu gebracht, unkontrolliert Tränen zu lachen.
Dabei war er eigentlich jahrzehntelang als ernsthafter Schauspieler unterwegs: Als Kommandant in ALARM IM WELTALL, als Kapitän in DIE HÖLLENFAHRT DER POSEIDON, in zig amerikanischen Fernsehserien. Und fairerweise muß man sagen, daß es genau die Tatsache war, daß er nicht wahnsinnig gut war in diesen ernsthaften Rollen, die den Grundstein für seine späte Karriere als Komiker gelegt hat: Das ZAZ-Team erklärt auf dem Audiokommentar zu DIE UNGLAUBLICHE REISE etc., daß sie Nielsen (und auch Peter Graves) genau deswegen besetzt haben, weil er stocksteif und mit größtem Ernst den letzten Unsinn von sich geben kann. So war es denn auch immer erheiternd, ihn in alten Filmen zu erspähen: Fast reflexartig muß man schmunzeln, weil exakt dieses Spiel später in den Komödien so brillant eingesetzt wurde – keine Miene verziehen, ein bedeutungsvoller Blick, den Körper schnurgerade und ernst den Text vortragen, ob es nun B-Movie-Blödsinn oder dramatisches Gold ist. All das bedeutet natürlich keinesfalls, daß wir Leslie nicht immer gerne gesehen haben.
Aber seine Hinterlassenschaft ist seine zweite Karriere, wo die Welt rund um Leslie im Chaos versank, Filmkonventionen bloßgestellt und Kalauer gerissen wurden, und wo die zentrale Figur dabei nicht merkte, daß sie selbst das ganze Unheil anrichtete, und dabei auch nicht den Hauch einer Ahnung hatte, daß irgendetwas davon komisch sein könnte. Die Brillanz von DIE UNGLAUBLICHE REISE und der NACKTE-KANONE-Trilogie (inklusive der vorangegangenen, damals noch gefloppten Fernsehserie POLICE SQUAD!) erreichte keiner der späteren Filme, die sich gerne an diese Erfolge anhängten und nie die Klasse dieser Streifen erreichten – das schaffte nicht einmal KANONE-Regisseur David Zucker selber mit seinen späteren Filmen SCARY MOVIE 3 & 4. Aber Leslie selbst war immer wunderbar anzusehen, wie er den letzten Unfug spricht und sich wahrlich für nichts zu blöd ist – ob nun im größtenteils müden AGENT 00, im bemühten MR. MAGOO, oder im durchaus amüsanten SEHR VERDÄCHTIG, wo eine Dame ihn darauf hinweist, daß er gerade zum Hinterteil ihres langhaarigen Hundes spricht, und er mit patentiertem Nielsen-Nullausdruck erwidert: „Dann wird er das Leckerchen wohl gar nicht mögen, das ich ihm grad gegeben habe.“
Wenn man genau hinsieht, merkt man, wie exakt sein Timing dabei immer ist – da sitzt jeder Witz mit Präzision. Es ist also kein absoluter Zufall, daß er so komisch wirkt, und auch kein Vergnügen am Unvermögen: Der Effekt mag etwas mit einer gewissen Hölzernheit beim Spiel zu tun haben, aber den Einsatz des Effektes hatte Leslie souverän in der Hand. Und wenn man liest, daß er vor ein paar Jahren auf der Bühne mit dem dramatischen Einpersonenstück CLARENCE DARROW viel Lob und Applaus erntete, kann man durchaus ahnen, daß er mehr konnte, als man größtenteils gesehen hat. Vielleicht ist Nielsen da am ehesten mit Shatner zu vergleichen, dessen frühe dramatische Rollen auch gerne mal steif wirkten, und der jetzt in seinen späteren Jahren mit Selbstironie punktet und dann doch schauspielerisch noch Erstaunliches zeigt.
Egal. Wir ziehen den Hut vor Leslie und lachen immer wieder gerne mit ihm und seinen wunderbaren Figuren.
Ich darf noch auf den schönen Nachruf von Craig Mazin verweisen, der an drei von Leslies späten Projekten gearbeitet hat – als Co-Autor von SCARY MOVIE 3 & 4 und als Autor & Regisseur von SUPERHERO MOVIE. Craig schreibt:
He was a gentleman, a man’s man from an era that’s sadly bygone. Even in his old age, he was tall, broad and strong. He treated everyone with kindness. It didn’t matter that I was the new guy. It didn’t matter that I was the four thousandth director that had come and gone for him. It didn’t matter that he had achieved more in his career than I could ever hope to in ten lifetimes.
It didn’t matter that I asked him to do and say things no octagenarian should do or say.
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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, handelte von einem Schriftsteller, der eine junge Frau entführt, weil er sie als Inspiration für sein Buch braucht. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, unter anderem für Film & TV Kamera, Celluloid, GMX, den All-Music Guide, 35 Millimeter, Neon Zombie und Salzburger Nachrichten. Er hält Vorträge zu Filmthemen und kuratierte 2014 an der Universität Salzburg eine Filmreihe zum Thema "Erster Weltkrieg".





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