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Die Rache der Bronzekämpfer (1980)

Soeben brachte der junge Shaolin Peter L. einen bislang unbekannten Eastern ins Genzelsche Trashlabor, der von uns unter streng wissenschaftlichen Bedingungen geprüft wurde. Er trägt den eher nüchternen Titel DIE RACHE DER BRONZEKÄMPFER, und schon die Tatsache, daß hinten auf der DVD der Titel als „Bonzekämpfer“ und in den Credits des Films als „Broncekämpfer“ geschrieben steht, läßt uns ahnen, daß die Untersuchung kein reines Vergnügen sein wird. In der Tat können wir selbst nach fokussierter Begutachtung die Handlung nicht einmal erahnen.

DIE RACHE DER BRONZEKÄMPFER steht auf der DVD, obwohl im Film keine Bronzekämpfer zu erspähen waren. 18 SHAOLIN RIDERS heisst er auf Englisch, obwohl nachweislich keine Shaolin involviert waren. KUNG FU – DIE RACHE DER GEFÜRCHTETEN hiess er bei uns mal im Kino, und es kommen tatsächlich Leute im Film vor, die sich die Gefürchteten Reiter nennen, obwohl zu keinem Zeitpunkt im Film auch nur einer von ihnen je auf einem Pferd zu sehen ist, weswegen auch der englische Alternativtitel 18 SWIRLING RIDERS eher unzutreffend erscheint. Laut der Inhaltsangabe auf der DVD geht es um die Bande der Gefürchteten (wir nehmen der Einfachheit halber an, daß diese Bande mit den im Film genannten Gefürchteten Reitern gleichzusetzen ist), die von den Reichen stiehlt und es an die Hehler … nein, halt, an die Armen weitergibt. Dann tauchen angeblich 36 Bronzekämpfer auf, und alle wollen ein Papierschwert, mit dem irgendwer irgendwas zeichnet. Sollten tatsächlich Bonze- oder Bronzekämpfer im Film auftauchen, haben sie sich gut versteckt. Eine hilfreiche Handlungszusammenfassung der OFDB ist sich unsicher, ob es sich um 18 oder 36 solche Kämpfer handelt, das Lexikon des Internationalen Films spricht nur vage von „verschiedenen Gegnern“, aber tatsächlich gibt sich niemand auch nur im Entferntesten als Bonzekämpfer zu erkennen.

Na gut, lassen wir die Broncekämpfer einmal beiseite und kümmern uns um die pferdlosen Reiter, die hinter dem Papierschwert her sind. In der ersten Szene sehen wir das kleine Schwert, von dem behauptet wird, daß es aus purem Gold sei. Später ist es dann aus Papier. Unsere Tests haben gezeigt, daß man weder mit kleinen Goldschwertern noch mit Papierschwertern wirklich gut zeichnen kann – aber lassen wir doch das Schwert einfach mal beiseite. In Wirklichkeit geht es nämlich um den dritten Bruder der Schwester von den nicht reitenden Reitern, der sich mit einem vierten, aber offenkundig nicht verwandten Bruder zusammentut, um herauszufinden, warum Wing-Lo umgebracht wurde, und warum Wing-Lo dann doch wieder lebt, nachdem er bei Schuh-Lutsch ein Goldschwert gesehen hat, und warum dann Bruder Luh-Schuh-Watz die Masern gekriegt hat. Der Ehefrau von Hung-Fung-Zung hat der ominöse Doktor Doppelschuh nämlich gesagt, daß sie ihn einbuddeln soll, und damit war dieser weißbärtige Opa, dessen Namen wir nicht ganz mitgekriegt haben, nicht hundertprozentig einverstanden, weswegen er sich mit einem Bruder (vielleicht nicht ein Bruder des dritten Bruders, sondern ein entfernter Cousin) über den Transport einer Kiste einigt, in der eine tapfere Kriegerin einige Tage lang eingesperrt ist, um endlich die Gefürchteten Reiter kennenzulernen. Wichtig in der Handlung sind außerdem ein Gemälde mit acht Karpfen, und komische fliegende Armreifen, die dem Geräusch nach willkürlich Weltrauminterferenzen empfangen können. Wenn der dritte Bruder die acht Karpfen findet, dann wären das also acht Karpfen durch drei Brüder, macht dann also … 36 Bonzekämpfer, vermutlich.

Kann natürlich auch sein, daß wir die Handlung in manchen Details mißverstanden haben.

DIE RACHE DER BRONZEKÄMPFER ist der – Achtung: emphatische Ausdrucksweise! – verdammt noch mal konfuseste Streifen, den ein Mensch je zu Gesicht bekommen kann. In keiner Sekunde ist auch nur annähernd klar, wer was will oder warum wer wen umbringt, oder wer zur Hölle die ganzen Leute überhaupt sind. Der Streifen wirkt so, als wären schon bei der Entstehung die Drehbuchseiten leider nie durchnummeriert worden, und dann wurden die einzelnen Szenen in komplett willkürlicher Reihenfolge aneinandergeschnipselt, nur um dann beim Erstellen der Kinokopie nochmals durcheinanderzugeraten – und dann wurde für die deutsche Synchronfassung alles nochmal ein bisschen neu arrangiert. Nicht nur die Story ist völlig undurchsichtig, auch die wenigen Kampfszenen sind derart wirr zusammengeschnitten, daß mitunter nicht einmal klar ist, wieviele Menschen sich überhaupt auf dem Bildschirm tummeln – sind das jetzt drei Maskierte, oder doch nur zwei? War das nicht vorher nur einer? Warum sind die auf einmal in einer Schlucht? Ist der alte Mann jetzt derselbe alte Mann, der vorher mit dem anderen Bruder geredet hat? (Um die Verwirrung noch ein wenig zu steigern, haben manche Figuren die Fähigkeit, perfekte Gesichtsmasken ähnlich wie in MISSION: IMPOSSIBLE 2 zu tragen, mit denen sie dann einfach jemand anderes sind. Bestimmt ließ sich John Woo von diesem übersehenen Meisterwerk inspirieren.)

Die beiden anderen fernöstlichen Kulturfilme, die der junge Eleve Peter im Gepäck hatte, haben wir aus eventuell nachvollziehbaren Gründen heute nicht mehr angesehen.

Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, daß die DVD des Films um 20 Cent im Amazon-Marketplace angeboten wird.

Die Rache der Bronzekämpfer (Taiwan 1980)
Originaltitel: Xuan feng shi ba qi / 18 Shaolin Riders / 18 Swirling Riders / Kung Fu – Die Rache der Gefürchteten / 18 Riders for Justice / Shaolin Eighteen Brave Men
Regie: Fu Di Lin
Darsteller: Chan Wai Lau
Länge: 86 Minuten
FSK: 16

Dieser Text erschien zuerst bei mannbeisstfilm.de.
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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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