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Die Hügel haben Augen, aber wir sehen sie nicht

Das ist der Nachteil daran, wenn man sich seine Zeit und seine Arbeit komplett selber einteilen kann: Eine Schlafmütze wie ich ist es gar nicht mehr gewohnt, noch vor 10 Uhr früh aus dem Bett zu fallen. Heute habe ich selbiges aber doch getan, und zwar nicht aus Pflichtbewußtsein, sondern aus dem Wunsch heraus, der Salzburger Pressevorführung von THE HILLS HAVE EYES 2 beizuwohnen, zu der ich als Stammredakteur von Mann beisst Film eingeladen wurde. Ebenfalls da: Kollege Florian Friedrich, den ich bislang nie getroffen habe, ein Freund von ihm, und ein Autor für Treffpunkt Kultur. Nicht anwesend: Der Vorführer, der Film, oder irgendjemand, der über die Pressevorführung Bescheid wüßte.

Schon um 10.30h saß ich also wieder daheim und schrieb folgenden Erlebnisbericht für die Kritiker-Kollegen, den ich auch meiner geneigten Leserschaft nicht vorenthalten möchte:

Damit die Kollegen kurz neidisch werden, welch aufregende Pressevorführung von THE HILLS HAVE EYES 2 wir Salzburger erleben durften, darf ich einen kurzen Erlebnisbericht in die Runde schicken.

Der Film ist subtiler und kürzer als der davor; genaugenommen spielt er in einem Multiplexx mit 4 Hauptfiguren, die darauf warten, daß etwas passiert, während um sie herum unwissende Putzkräfte das Gebäude säubern. Der Horror spielt sich diesmal also eher im Kopf ab.

Sehr spannend eigentlich: Gemeinsames Warten, verbunden mit der Ungewißheit, eventuell vergessen worden zu sein. Aufkeimender Ärger, dann Resignation. Ein Panoptikum der Gefühle in einer guten Viertelstunde.

Es half aber alles nichts: Weder Weinen noch Betteln, weder Wutanfälle noch Drohungen, oder gar angestimmte „Wir-wollen-Hügel-und-Augen“-Gesänge öffneten irgendwelche geheimen Türen, hinter denen die vielversprochene Pressevorführung vielleicht stattfinden könnte. Der Kollege von Treffpunkt Kultur hatte diesen Gesichtsausdruck, den man hat, wenn man schon öfter mal vor verschlossener Tür stand, aber hinterher waren wir uns doch einig: Schön war’s, wir sollten das irgendwann noch mal machen.

Rudelsführer Friedrich bereitet nun die rituelle Verwünschung der Verleihfirma vor, während ich aus Plastikverpackungen und drei Stecknadeln eine Voodoopuppe improvisiere. Die Pressevorführung von HILLS HAVE EYES 2 lehrt uns: Horror hat auch etwas mit Ausgrenzung zu tun, mit dem Außenseiter-Dasein.

Mittlerweile sind wir schlauer geworden: Der Vorführer hatte verschlafen. Wie schön, daß auch andere Menschen gerne ihre Vormittage im Bett verbringen! Als Alternativen wurden uns Vorführungen um 13h heute oder um 10h morgen früh angeboten – neuer Versuch, neues Glück. Vielleicht gibt’s ja dann endlich Hügel und Augen und Mutanten und Blut.

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    1 Comment

    1. Schöner Frame für die Geschichte. Wenn die Verleihfirma den Film selbst nicht ernst nimmt, wer dann?

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