RESIDENT EVIL: THE FINAL CHAPTER – Die letzte Reise ins Labyrinth der Identitäten

Uncategorized / 29. Januar 2017

Milla Jovovich in RESIDENT EVIL: THE FINAL CHAPTER

Die Geschichte der RESIDENT-EVIL-Filme ist eine Geschichte der ständigen Auseinandersetzung mit der eigenen Identität. In fünf Filmen schickte Mastermind Paul W.S. Anderson seine Hauptfigur Alice durch die Zombieapokalypse, während ihre eigene Identität gesucht und stets neu bestimmt wird: keine Vergangenheit dank Gedächtnisverlust, Mensch und Übermensch, Original und Kopie, Genexperiment und selbstbestimmte Kämpferin.

Im sechsten und vorgeblich letzten (wollen wir wetten?) Teil der Reihe, RESIDENT EVIL: THE FINAL CHAPTER, soll das Vexierspiel um ihre Identität nun endgültig ein Ende finden. Am Ende des Vorgängers RETRIBUTION wurde sie von Wesker, dem Chef der sinistren Umbrella Corporation, nach Washington geholt, um dort beim letzten Gefecht gegen die Zombiehorden zu helfen, die den Erdball überrennen. Stattdessen hat er sie aber betrogen und alleine zurückgelassen – aber dafür erhält sie Informationen der Red Queen, der künstlichen Intelligenz von Umbrella, daß es ein Antivirus gibt, das sich durch die Luft verbreiten würde. Um das finden und einsetzen zu können, muß Alice zurück in den „Hive“, die Untergrundlabore von Raccoon City, in der die Geschichte einst ihren Lauf nahm – aber leider hat die Umbrella Corporation andere Pläne …

Alice streift durch die Ruinen von Washington
Alice (Milla Jovovich) streift durch die Ruinen von Washington.

Mit der Identitätssuche von Alice ging in der Zombie-Reihe auch stets eine spannende Identitätswandlung von Film zu Film einher: Ausgehend von einer herzhaften Mischung aus den Zombiefilmen von George Romero, James Camerons SF-Actiontrip ALIENS und natürlich der zugrundeliegenden Videospielreihe selber bekam jeder RESIDENT-EVIL-Teil einen eigenen Look und bestimmte filmische Referenzpunkte verpasst – ob es John Carpenter war (DIE KLAPPERSCHLANGE in APOCALYPSE, ASSAULT – ANSCHLAG BEI NACHT in AFTERLIFE), die postapokalyptische MAD-MAX-Reihe (EXTINCTION) oder andere Phantastik-Klassiker wie WESTWORLD und DER OMEGA-MANN.

Auch THE FINAL CHAPTER setzt sich wieder neu zusammen – auch wenn die Einflüsse diesmal hauptsächlich solche sind, die schon einmal in der Serie aufgetaucht sind, von der MAD-MAX-artig verwüsteten Erde ist hin zur aus der KLAPPERSCHLANGE entliehenen Armbanduhr mit Countdown, bis wann die Mission erfüllt sein muß. Trotzdem wirft Anderson wieder neue Aspekte in den Topf, die THE FINAL CHAPTER frisch halten: Da kämpft Alice in der Ruinenstadt Washington gegen ein Drachenmonster wie in DIE HERRSCHAFT DES FEUERS, während sich anderswo die leitende Kraft hinter Umbrella als fanatischer Weltuntergangsprophet entpuppt, der mit sanftem Tippen auf die Bibel an eine vorige, „höchst erfolgreiche“ Säuberung des Planeten von der aus der Kontrolle geratenen Menschheit erinnert.

Umbrella-Chef Dr. Isaacs
Dr. Isaacs (Iain Glen) führt Umbrella durch die Apocalypse.

Abermals paßt Anderson auch die Ästhetik wieder an das neue Endzeitgebräu an. Die fast surreal arrangierten, durchdesignten Actionsequenzen von AFTERLIFE und RETRIBUTION gehören der Vergangenheit an, stattdessen setzt er auf dreckigen Realismus: Statt Zeitlupe und tanzartigen Kämpfen gibt es rasante Konfrontationen, die mit losgelöster Kamera und schnellem Schnitt eingefangen werden. Wo selbst tödliche Auseinandersetzungen vor allem in RETRIBUTION noch mit entrückter Ästhetik präsentiert wurden, setzt THE FINAL CHAPTER auf ungeschliffene Direktheit: Die Körper werden viel stärker in Mitleidenschaft gezogen, Blut und Wunden drastischer eingesetzt.

Es ist faszinierend, wie es Anderson damit erneut schafft, einer Fortsetzung einen eigenständigen Charakter zu geben. Zumal er seine Alice-Geschichte tatsächlich zu einem befriedigenden Ende bringt: Einmal mehr taucht die Hauptfigur in das Spiegellabyrinth mit seinen wiederkehrenden Motiven und Szenen ein, die immer wieder in der Reihe aufgetaucht und abgewandelt wurden – aber diesmal zieht Anderson alle Fäden zusammen, als wäre es eine große Oper aus Vertrauen und Verrat, in der ein Mensch über seinen Schöpfer triumphieren kann.

„My name is Alice“, sagt die Protagonistin zum Schluss: Identität geklärt.

Die RESIDENT-EVIL-Retrospektive auf Wilsons Dachboden:
RESIDENT EVIL: Zombie-Zitate mit Spielelogik
RESIDENT EVIL: APOCALYPSE – Alles anders im nächsten Level
RESIDENT EVIL: EXTINCTION – MAD-MAX-Zombies und Genderklischees
RESIDENT EVIL: AFTERLIFE – Neue Levels, neue Identitäten
RESIDENT EVIL: RETRIBUTION – Der Kampf durch die Erlebniswelt

Resident Evil: The Final Chapter
Regie: Paul W.S. Anderson
Buch: Paul W.S. Anderson
Kamera: Glen MacPherson
Musik: Paul Haslinger
Darsteller: Milla Jovovich, Iain Glen, Ali Larter, Shawn Roberts, Ruby Rose, Eoin Macken, Fraser James, Ruby Rose, Rola, Ever Anderson, Lee Joon Gi

Die Screenshots stammen aus dem offiziellen Trailer, (C) Sony Pictures Entertainment.






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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, handelte von einem Schriftsteller, der eine junge Frau entführt, weil er sie als Inspiration für sein Buch braucht. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, unter anderem für Film & TV Kamera, Celluloid, GMX, den All-Music Guide, 35 Millimeter, Neon Zombie und Salzburger Nachrichten. Er hält Vorträge zu Filmthemen und kuratierte 2014 an der Universität Salzburg eine Filmreihe zum Thema "Erster Weltkrieg".





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