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ICH WEISS, WAS DU LETZTEN SOMMER GETAN HAST: Ein Sommer wie damals

Vor ein paar Tagen habe ich hier über den Retro-Slasher ICH WEISS, WAS DU LETZTEN SOMMER GETAN HAST geschrieben – ein Rückblick auf einen Film, der ich einst als armseligsten Vertreter seiner Gattung eingestuft habe. Als Ergänzung dazu erinnert sich im folgenden Gastbeitrag Dr. Wily mit liebevollen Worten an den Streifen, den er zu seinen Lieblingsfilmen zählt.

Ein Teenieslasher von der Stange mit den typischen Klischees, billigen Schockern und Logiklöchern. Ein Horrorfilm, wie sie ihn in den 80ern wohl schon genug gedreht hatten. I KNOW WHAT YOU DID LAST SUMMER ist einer meiner Lieblingsfilme.

Geschrieben hat ihn Kevin Williamson, basierend auf einem Young-Adult-Roman von Lois Duncan, in dem es aber mehr um Schuld und Verantwortung geht und nur wenig um Horror. Williamson hatte das Drehbuch schon in der Schublade, und als sein SCREAM ein Jahr zuvor zum Riesenhit wurde, hat er es wieder rausgekramt, um nachzulegen. I KNOW WHAT YOU DID LAST SUMMER wirkt auch deshalb wie ein Letdown, weil er nichts von dieser Ironie und Selbstreflexion des Genres hat. Es ist einer der Filme, die seit SCREAM als eigentlich überholt und obsolet galten. Zwar unterhalten sich Sarah Michelle Gellar und Jennifer Love Hewitt hier einmal über Fernsehserien und Filme (was wie im Nachhinein dazugeflickt wirkt, um den Zeitgeist zumindest ein bißchen zu treffen), aber Namedropping hat nichts mit Selbstreflexion zu tun. Diesen Fehler machen ja immer noch viele.

Als SCREAM-Nachfolger und mit Williamsons Namen auf dem Poster wurde der Film natürlich zum Hit. Die junge, hübsche und zum Teil aus dem Fernsehen bekannte Cast mit Jennifer Love Hewitt, Sarah Michelle Gellar, Ryan Phillippe, Freddie Prinze Jr. und Johnny Galecki (Jahre vor THE BIG BANG THEORY) hat sicher auch geholfen. Alle haben eigentlich recht brauchbare Karrieren nachgelegt. Und daß die beiden Mädels immer in knappen Tops mit respektablen Ausschnitten herumlaufen, hat einem Film wie diesem auch noch nie geschadet.

Man kann dem Film nicht vorwerfen, er wäre nicht genrekleidungstraditionell.

Ich habe I KNOW WHAT YOU DID LAST SUMMER zigmal gesehen und könnte ihn immer wieder anschauen. Ich mag die Atmosphäre und das Setting in diesem Fischerdorf. Außerdem habe ich immer etwas mehr darin gesehen als nur eine Geschichte über Jugendliche, die einen Mann über den Haufen fahren und ihn dann ins Meer schmeißen, um nicht ertappt zu werden, der aber noch lebt und sie mit dem Fischerhaken holen kommt, weil er eben weiß, was sie letzten Sommer getan haben.

Für mich liegt eine große Melancholie über diesem Film und seiner Geschichte, in der es um das Gefühl geht, nach der Schule ein anderes Leben zu beginnen, die engsten Freunde zurückzulassen und schlußendlich zu verlieren. Was auch immer mit dem Verlust von unschuldigeren Zeiten zu tun hat. 1997 war das Jahr, in dem ich maturiert habe. Kein Wunder also.

And we’ll have fun, fun, fun …

Vier enge Freunde, mit ihren großen Plänen für die Zukunft und dem Versprechen, sich nie aus den Augen zu verlieren, feiern also nach dem Schulabschluß zuviel, und es passiert eben der erwähnte Unfall. Als die von Schuldgefühlen geplagte Hauptfigur Julie (Jennifer Love Hewitt) einen Sommer später vom College in ihre Heimatstadt zurückkommt, hat sich die Freundesgruppe zerteilt. Keiner von ihnen ist das geworden, was sie vorgehabt hatten, und das Leben hat sie zu Fremden gemacht.

Am besten erzählt das der Film über die Figur der Helen (Sarah Michelle Gellar), die in ihrem Abschlußjahr noch Schönheitskönig war und Schauspielerin werden wollte. Doch sie ist nie weggekommen und muß jetzt in dem Laden ihrer mißgelaunten Schwester arbeiten. Was einmal schön war an ihr, wirkt jetzt billig. Sie hält sich an ihrem Schönheitsköniginnentitel fest, dem Einzigen, was sie zu etwas Besonderem macht. In der Szene, in der ihre Nachfolgerin gewählt wird und sie die Krone übergeben muß, gibt sie sie, so lange sie kann, nicht aus der Hand und tut es am Ende nur unfreiwillig.

In einer anderen Szene sagt Helen zu ihrer ehemals besten Freundin Julie: „What happened to us? We used to be best friends“, und Julie antwortet: „We used to be a lot of things“. Das hat bei mir damals einen Nerv getroffen. Ich habe diesen Film ins Herz geschlossen und bin diesen Satz nie losgeworden.

…’til the fisherman took the fun away.

Was mich darüber hinaus lange begleitet hat, war der Soundtrack, der aus lauter Alternative-Rocksongs besteht, die den Aufbruch, aber auch die Wehmut dieser Übergangsstimmung sehr gut einfangen, wie ich finde. In meinem Kopf singen Type O Negative immer noch „Summer Breeze“, wenn ich an lauen Sommerabenden draußen sitze.

Das Herz und das Hirn – es gibt ja viele wertvolle Dinge, die irgendwann ihren Zauber verlieren. Wenn man älter wird und sich nicht mehr in dem damaligen Gefühlszustand befindet, wenn man neue Erfahrungen gemacht hat und vielleicht hinter so manche Fassade blickt. Aber bei I KNOW WHAT YOU DID LAST SUMMER ist die Farbe noch nicht ab.



Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast (USA 1997)
Originaltitel: I Know What You Did Last Summer
Regie: Jim Gillespie
Buch: Kevin Williamson, nach dem Roman von Lois Duncan
Kamera: Denis Crossan
Musik: John Debney
Darsteller: Jennifer Love Hewitt, Sarah Michelle Gellar, Freddie Prinze,
Jr., Ryan Phillippe, Bridgette Wilson, Johnny Galecki, Anne Heche, Muse
Watson

Alle Screenshots stammen von der DVD (C) 1998 Columbia Tristar Home Video.

Dr. Wily
Dr. Wily mag das Alte. Selbst aktuellen Entwicklungen in Musik, Film, Literatur und Computerspiel gibt er oft Monate bis Jahre Zeit, um sich von ihnen einnehmen zu lassen. Mit zunehmendem Lebensalter zieht es ihn vermehrt zu Horror- und Mysterygeschichten hin, nur um sich dann seine Seele doch wieder von Richard Linklater, Jim Jarmusch, Jack Kerouac, Jackson Browne, Paul Simon oder J.D. Salinger streicheln zu lassen. Außerdem kann er nach 15 Jahren Spielpause MEGA MAN 2 aus dem Stand bis ins vorletzte Level durchspielen.

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