FilmRetrospektive

FASHION CRIMES: Ein Giallo für Komplettisten

Das Model Gloria (Teresa Leopardi, ARIZONA ROAD) muß nachts auf der Landstraße wegen einer Baustelle eine Umleitung fahren, dann bleibt ihr Wagen liegen. Sie kommt zu einer Villa, wo sie um Hilfe bitten will – stattdessen beobachtet sie dort aber einen Mord und landet mit einem Nervenzusammenbruch im Krankenhaus. Die Polizei fährt unter Leitung von Commissioner Rizzo (Anthony Franciosa, TENEBRE) zu eben jener Villa, um ihren Angaben nachzugehen – aber dort gibt es nicht nur keine Leiche zu entdecken, auch das Haus scheint schon seit zwanzig Jahren leerzustehen. Der Psychiater Contini (Miles O’Keeffe, ATOR – HERR DES FEUERS) beginnt eine Therapie mit Gloria – aber die scheint von einem mysteriösen Killer verfolgt zu werden …

Wie so ziemlich jeder anständige Giallo ist auch dieser spät erschienene Vertreter seines Genres vornehmlich ein Erinnerungspuzzle: Ein Gewaltverbrechen ist geschehen, aber übrig davon sind nur Bruchstücke von Wahrnehmungen – in diesem Falle sowohl visueller als auch auditiver Natur: Gloria erinnert sich daran, wie ein Mann eine Frau erschlagen hat (das ist als Silhouette hinter einem Vorhang zu sehen), und hat noch die laut dröhnende Opernmusik im Ohr, die währenddessen im Radio lief und alle anderen Geräusche übertönte.

Geht ein Model (Teresa Leopardi) …

Es ist keinesfalls originell, was uns Regisseur Bruno Gaburro (der unter dem Pseudonym „Joe Brenner“ auftritt) hier serviert – FASHION CRIMES erschien 1989, ganze zwanzig Jahre nach dem Beginn und ungefähr fünfzehn Jahre nach der Hochphase seiner Gattung. Dennoch bleibt der Ansatz der fragmentarischen und womöglich trügerischen Hinweise aus dem Gedächtnis ein reizvoller: Es bleibt lange Zeit unklar, was wirklich passiert und was sich vielleicht nur in Glorias Kopf zuträgt, und die Reise in Glorias Erinnerung ist gleichzeitig eine Reise in die Vergangenheit und in das abgeriegelte Areal, in dem sich das Verbrechen vielleicht zugetragen hat.

Gaburro gelingen einige interessante Sequenzen: Wenn Gloria zu Beginn in die Villa geht, bleibt er mit der Kamera draußen, so daß wir nur ihren Schrei hören – was sie gesehen oder vielleicht gesehen hat, erfahren wir erst später im Gespräch mit Polizei und Ärzten. Später, wenn Gloria sich von einem unsichtbaren Killer bedroht fühlt, bleibt oft unklar, ob sie sich den Mann einbildet oder nicht – auch wenn eine Freundin von ihr zum tatsächlichen Opfer dieses Killers wird. Das Interessante an FASHION CRIMES sind also die Leerstellen, die vage gehaltenen Momente.

… zum Psychiater (Miles O’Keeffe) …

Ganz gelungen ist der Film aber nicht. Gaburro entwickelt kein Gespür für den Rhythmus der Geschichte und müht sich mitunter minutenlang durch völlig banale Szenen, die noch dazu gerne aus ganz distanzierter Perspektive gefilmt sind. Weil Gloria passives Opfer bleibt und der Polizeikommissar hauptsächlich beim Angeln gezeigt wird, wird die Angelegenheit auch nicht allzu involvierend. Und Miles O’Keeffe, der als Tarzan bekannt wurde und in verschiedenen Fantasy- und Söldnerfilmen den muskulösen Actionhelden mimen durfte, ist alles, aber kein Psychiater. In der Wirklichkeit des Films ist er dafür so brillant, daß behauptet wird, er würde nur zwei bis drei Sitzungen mit Gloria brauchen, um alles zu klären! (Er klärt die Geschichte dann übrigens mit überhaupt keiner Sitzung, sondern in wenigen Minuten mit quasi Pavlovscher Erinnerungsarbeit. Wir geben wohl alle zu viel Geld für langsame Therapeuten aus.)

Wer übrigens angesichts des Titels (der Originaltitel lautet LA MORTE È DI MODA) darauf hofft, daß die Geschichte viel mit der Modewelt zu tun hat, sollte ebenfalls seine Erwartungen nicht zu hoch schrauben: Nach der Titelsequenz, bei der ein Photoshooting gezeigt wird (zu dem Song „Save the Night for Me“ aus Joe D’Amatos TOP MODEL!), gibt’s nur gelegentlich mal Szenen, in denen Kleider anprobiert werden. Naja, vielleicht – zwinker, zwinker – hat ja die Auflösung tangentiell etwas mit der Modebranche zu tun …

 

Fashion Crimes (Italien 1989)
Originaltitel: La morte è di moda
Regie: „Joe Brenner“ (= Bruno Gaburro)
Buch: Luciano Appignani
Kamera: Sergio Rubini
Musik: Filippo Trecca
Darsteller: Anthony Franciosa, Miles O’Keeffe, Teresa Leopardi, Marina Giulia Cavalli, Luigi Montini, „Timothy Brent“ (= Giancarlo Prete)

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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