Interview: Stefan Müller über seinen Horror-Geheimtip BIEST

Uncategorized / 1. Dezember 2014
Stefan Müller am Set von BIEST.

Mit seinem Horrorfilm BIEST legte der Grazer Independent-Filmemacher Stefan Müller dieses Jahr einen echten Geheimtip vor. In der Geschichte geht es um Lena und Andi, die einen Ausflug in die Berge machen, um ihre Beziehung zu retten – und dort nicht nur mit ihren privaten Problemen, sondern auch mit dem titelgebenden Biest kämpfen müssen, das schon für ominöse Blutspuren im Schnee gesorgt hat.

Das Bemerkenswerte an BIEST ist es, wie geschickt Müller den Zuseher in den Film hineinzieht: Die Kamera führt uns gemächlich in die Bergwelt, die Story tastet sich nach und nach an die Geschichte der beiden Hauptfiguren heran – und weil diese zerbrochene Beziehung glaubwürdig geschrieben ist und von den beiden großartigen Darstellern Paul Hassler und Stephanie Lexer packend gespielt wird, hängen wir bald emotional an den Figuren. Auch visuell hat der Film vor allem im ersten Part mit seinen weiten, einsamen Berglandschaften einiges zu bieten. Umso erstaunlicher, daß der Film für eine absolute Low-Budget-Summe von nur € 30.000 inszeniert und fertiggestellt wurde.

Im folgenden Interview erzählt uns Stefan Müller, wie der Film zustandegekommen ist, wie es zu einem Gastauftritt von Peter Simonischek kam, wie er inszeniert, welche Gedanken er zum Independent-Filmemachen und zum Genrefilm hat, und einiges mehr.

Kalt ist es auch in der Beziehung zwischen
Andi (Paul Hassler) und Lena (Stephanie Lexer) geworden …

Was war dir an der Geschichte von BIEST besonders wichtig?

Mir war es besonders wichtig, daß die Geschichte nicht vom Monster, sondern von den Charakteren lebt. Ich habe nach einem spannenden Beziehungsdrama gesucht und darin das Monster sozusagen als Bonus integriert – und mir war wichtig, daß die Zuschauer vor allem mit dem Herzen bei Lena und Andis Geschichte dabei sind.

Wie bist du zu deinen beiden Hauptdarstellern gekommen? Welche Qualitäten schätzt du an ihnen besonders?

Den Paul habe ich bei seinem ersten Film gesehen und habe ihn praktisch von dort weg für BIEST rekrutiert. Die Stephi wurde mir von einem guten Freund empfohlen, und nachdem ich mir ein paar Kurzfilme mit ihr angesehen hatte, wußte ich, das paßt. Beide haben die tolle Qualität, eine starke Kamerapräsenz zu besitzen. Beide haben sehr markante Gesichter, und ich hatte nie ein Problem, gewisse emotionale Situationen nur über ihre Mimik und ohne Dialoge zu inszenieren. Das hat mir extrem bei beiden imponiert.

Wie kam der Gastauftritt von Peter Simonischek zustande? Was hat er der Rolle gegeben?

Der Gastauftritt von Peter Simonischek war unser Wunsch, und glücklicherweise haben ihm das Buch und die Figur gefallen, woraufhin er kurzerhand zugesagt hat. Er hat der Figur des Jägers eine starke Präsenz und eine beeindruckende Tiefe gegeben. Was wirklich stark ist, denn er hat lediglich zwei Szenen im Film, und dennoch sind sein Drama und seine Geschichte in diesen zwei Szenen vollkommen ausführlich dargestellt – und das verdanken wir großteils seinem schauspielerischen Kaliber.

Stefan Müller mit seinem Gaststar Peter Simonischek (rechts).

Welche Herausforderungen gab es, den Film mit nur €30.000 zu inszenieren? Wo hättest du dir mehr Budget gewünscht? Gab es Momente, in denen das Projekt aufgrund des geringen Budgets auseinanderzufallen drohte?

Es gab Gott sei Dank nie Momente, in denen das Projekt auseinanderzufallen drohte. Es gab aber Momente, in denen wir aufgrund des geringen Budgets in der Warteschleife waren. Erst als wir dann wieder eine Förderzusage erhalten haben, konnten gewisse Prozesse wieder weiterlaufen. Das war weniger beängstigend als vielmehr nervend.

Mehr Budget hätte ich mir auf jeden Fall für die visuellen Effekte gewünscht. Da viele nicht und andere Teammitglieder sehr unterbezahlt waren, konnte man leider nur begrenzt Zeit und Energie in gewisse Dinge investieren.

Gibt es Szenen, Ideen, Entwicklungen, die du aus Budgetgründen streichen oder ändern mußtest?

Nein, glücklicherweise nicht.

Was hast du bei deinen vorigen Spielfilmen, die ja mit noch weniger Geld auskommen mußten, gelernt? Wie hat sich deine Herangehensweise geändert oder angepaßt?

Nun, ich habe sicher gelernt, aus wenig viel zu machen. Aber da ich Autodidakt bin, gleicht jedes meiner Filmprojekte einer Filmschule – da ist der Lern- und Erfahrungsprozeß von jedem Film immens, und das wirkt sich auf alle Bereiche aus. Von Szenenauflösung und Schauspielführung bis hin zu Drehbuch und Schnitt.

Lena (Stephanie Lexer) auf der Flucht vor dem BIEST.

Ein paar Fragen zu deiner Inszenierungsweise: Storyboardest du? Wie lang bzw. ausführlich probst du mit den Darstellern? Wie viel Raum für Änderungen und Improvisationen läßt du am Set? Wonach suchst du in den Bildern und im Schauspiel?

Ich storyboarde kaum. Nur bei sehr komplexen Bildfolgen versuche ich die Kommunikation durch Storyboards zu erleichtern, aber da ich fast immer von den Storyboards abweiche, mache ich auch kaum noch welche … Vor den Dreharbeiten lese ich gemeinsam mit den Schauspielern ein paar Mal das Buch, und das nutzen wir, um alle Fragen zu stellen, die aufkommen. Danach liegen all meine Intentionen auf dem Tisch, und ich gebe von da an den Schauspielern die Freiheit, sich ihre Figuren zu überlegen und sie frei zu kreieren.

Mir ist es nicht wichtig, ob jedes Wort im Drehbuch genau so vorkommt wie es dort steht, die Message der jeweiligen Line muss passen – wenn da die Schauspieler mit einer besseren Idee kommen, die auch noch natürlicher ist, dann freue ich mich, das auch anzunehmen. Im Schauspiel suche ich nach Ehrlichkeit und Natürlichkeit, und in den Bildern suche ich nach Symmetrie und der passenden Komposition für die jeweilige Emotion der Szene.

Was war der beste Moment in der Entstehungsgeschichte vom BIEST? Und welches war der schlimmste?

Uff, schwierig. Der beste Moment in der Entstehungsgeschichte des Films und der bestärkendste für das gesamte Team und ihren Glauben an den Film war mit Sicherheit die Zusage und die Dreharbeiten mit Peter Simonischek. Und der schlimmste… ich kann, glaub‘ ich, mit Stolz behaupten, daß es im Zuge dieser Filmproduktion keinen wirklich schlimmen Moment für mich gab. Alles hatte seinen Sinn, und abgesehen von dem nervigen Abwarten auf Fördergelder gab es innerhalb des Teams oder der Produktion nie etwas, was für mich sehr schlimm war.

Was bedeutet Film für dich?

Liebe und Leidenschaft. Ich liebe das Medium, und ich liebe es, Geschichten darin zu erzählen. Wenn ich den Zuseher an einem Punkt berühre, wo ich eine unsichtbare Verbindung zwischen seinen Emotionen und meiner Geschichte herstelle, dann ist das einfach eines der schönsten Gefühle für mich.

Andi (Paul Hassler) auf der Suche nach dem Unterschlupf des Monsters.

Was reizt dich am Genrefilm?

Eine eigene Welt zu gestalten, Naturgesetze an meinen Film anzupassen und nicht meinen Film den Naturgesetzen anzupassen. Ich mag es, wenn eine Abbildung der Realität mit etwas Fiktivem interagiert und dadurch etwas komplett Eigenes und Neues entsteht.

Wie beurteilst du die Situation des Genrefilms in Österreich? Was würdest du dir wünschen, wie es mit dem Genrefilm weitergeht?

Ich glaube, daß der Mut zum Genrefilm bei den Filmemachern da ist, aber das österreichische Publikum nicht an den heimischen Genrefilm glaubt. Ich kenne Leute, die sich grundsätzlich keinen heimischen Film im Kino ansehen würden, weil sie einfach nicht an den heimischen Film glauben. Und jemand, der sich gerne Filme von TWILIGHT bis TRANSFORMERS in den Kinos ansieht, der findet den österreichischen Film schlichtweg fad und anstrengend. Wenn man das aus den Köpfen der Zuseher wegbekommt und auf einmal österreichische Filme auftauchen, die eine gute Geschichte mit einer cineastischen Achterbahnfahrt gekonnt kombinieren, dann wird das heimische Genrekino aufleben können.

Was sind deine weiteren Pläne? Hast du schon ein neues Projekt in Planung?

Das neue Projekt trägt den Titel MARLENE und wird vermutlich Österreichs erster Actionfilm werden. Es ist schon irgendwie tragisch, daß man bei jedem Genre außerhalb von Komödie, Krimi und Sozialdrama Pionier ist …

Vielen Dank für deine Zeit, und viel Erfolg mit BIEST und deinen weiteren Projekten!


Mein Artikel über den Film BIEST kann bei GMX gelesen werden.Alle Bilder (C) Stefan Müller.






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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, handelte von einem Schriftsteller, der eine junge Frau entführt, weil er sie als Inspiration für sein Buch braucht. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, unter anderem für Film & TV Kamera, Celluloid, GMX, den All-Music Guide, 35 Millimeter, Neon Zombie und Salzburger Nachrichten. Er hält Vorträge zu Filmthemen und kuratierte 2014 an der Universität Salzburg eine Filmreihe zum Thema "Erster Weltkrieg".





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