[Film] Nackte Fäuste – Die tödliche Karatelady (1981)

Uncategorized / 2. Januar 2013

Zeit für eine Horizonterweiterung: Anstatt sich immer nur den kommerziellen Schlonz anzusehen, der in Amerika produziert wird, könnte man sich doch stattdessen auch einfach mal den kommerziellen Schlonz ansehen, der woanders vor die Kamera kommt. Wie zum Beispiel FIRECRACKER, einen philippinischen Martial-Arts-Streifen, dessen deutsche Titel NACKTE FÄUSTE – DIE TÖDLICHE KARATELADY (auf Video) sowie HARTE FÄUSTE – NAKED FIST (im Fernsehen) zusammen mit dem epochalen Poster (die besagte tödliche Karatelady mit ebenso tödlichem Ausschnitt) schon andeuten, daß wir es hier mit einem Exploitation-Exponat der schnuckeligsten Gangart zu tun haben.

Bei der netten Lady handelt es sich übrigens um die Martial-Arts-Lehrerin Susanne Carter (gespielt von Model Jillian Kesner), die in die Philippinen reist, um ihre verschwundene Schwester ausfindig zu machen. Die hat an einer Reportage über einen Ganovenring gearbeitet, der sich neben der Veranstaltung illegaler Wettkämpfe auch mit Drogenhandel beschäftigt. Ganz klar, daß sich die liebe Susanne als Kämpferin in die Organisation einschleust – und es dort mit Meisterkämpfer Chuck Donner zu tun bekommt, der schon vor dem Vorspann einen hoffnungsfrohen Herausforderer in der Arena mit einer Lanze durchbohrt …

Richtig: Diese Handlung haben wir schon einmal gesehen. Und zwar in gefühlt jedem zweiten Martial-Arts-Film dieser Welt. Macht aber natürlich nichts: Schließlich ist die Story in solch Klopperepen ja stets nur Aufhänger für „the good stuff“, wie der Franzose sagen würde. Sprich: Kämpfe, mehr Kämpfe, ein wenig Action, und dann noch ein paar Kämpfe. FIRECRACKER bietet da sogar dank Jillian Kesner noch einen Bonus: Nackt-Karate!

Oh ja, Regisseur Cirio H. Santiago – einer der fleißigsten B-Filmer der Philippinen – ist Genießer der unbekümmertsten Sorte: Wenn man schon einer feschen Karatelady dabei zusieht, wie sie drei Trillarden Dumpfbacken verkloppt, dann ist Kleidung doch eigentlich eine – sagen wir mal: – konfigurierbare Variable. Und deswegen darf Madame Kesner nach nur fünf Minuten Film schon zwei dahergelaufene Einbrecher in ihrer Unterwäsche weichprügeln.

Überhaupt zeichnet sich so schnell das zugrundeliegende Erzählprinzip des Films ab: Die Geschichte um den Gangsterring wird ein wenig weitererzählt, dann wird unsere Hauptdarstellerin von irgendwelchen Leuten mal mehr, mal weniger kausal verankert angegriffen, und schon gibt’s einen Satz heiße Ohren. Am unverschämtesten und somit vergnüglichsten ausgekostet werden Kleidungs- und Handlungsprinzip in einer für die Story eigentlich völlig überflüssigen Sequenz, wo Susanne des Nachts von zwei aufdringlichen Burschen verfolgt wird, die sie offenbar vergewaltigen wollen. Nachdem die Jungs einen Wachmann erledigt haben (sie schubsen ihn auf eine am Boden liegende Sense und treten dann ordentlich drauf), macht Susanne kurzen Prozeß mit einem der Rabauken: Der landet nämlich mit dem Kopf in einer rotierenden Kreissäge. Tja. Besonders bemerkenswert wird die Szene freilich dadurch, daß unsere Lady nach und nach ihre Klamotten verliert: Erstmal wird das Kleid am Maschendrahtzaun eingerissen, dann von einem der Wüstlingen heruntergezogen (weil sie ihn von der Leiter kickt!), und schließlich auch noch der Büstenhalter von der praktischerweise herumliegenden Sichel aufgeschlitzt. Ganz nach Veranlagung darf man die nurmehr im zarten Unterhöschen kämpfende Frau dann wohl als sexistische oder feministische Haltung des Films verstehen.

Dezent bizarr ist auch eine Szene, in der Susanne mit dem Gangster Chuck Donner in die Kiste steigt. Der gute Mann, der mit seiner Haartracht, dem Schnauzer und dem Hemd ohnehin so aussieht wie aus einem anderen Filmgenre entliehen, zückt nämlich plötzlich zwei Messer und schlitzt der auf dem Bett liegenden Frau zärtlich die Kleidung vom Leib: Erst die Hose, dann die Unterhose, dann das Shirt, und zuletzt den BH. Dafür kassiert er dann eine flotte Ohrfeige, die ihn vom Bett haut – aber schon schnappt sich Susanne das Messer und macht sich ihrerseits daran, sein Beinkleid aufzuschneiden. Zum Glück handelt es sich bei der ganzen Aktion nur um einen One-Night-Stand, sonst müßte dieses junge Pärchen jeden Monat eine Menge Geld beim C&A lassen.

Drumherum – wir haben es schon zart angedeutet – wird noch mehr gekämpft, und das handwerklich durchaus sauber. „Der Film wirkt so, als hätten die Filmemacher zuvor schon mal einen anderen Film gemacht“, lobte auch Kollege Don Arrigone den Look des Streifens – der ja immerhin auch schon BIRDEMIC mitansehen durfte, der ganz und gar nicht so wirkte, als hätte da irgendjemand überhaupt einen Hauch einer Ahnung.

Ein grandioses Element an FIRECRACKER sei nicht verschwiegen: Die Musik, die aus der Feder eines gewissen Nonong Buencamino stammt. Immer wieder schwingt sich Buencaminos Score zu funkigen Synth-Grooves auf, die den meisten Kämpfen ein Flair geben, als würde man gerade am Nintendo DOUBLE DRAGON spielen und selber fünfundneunzig Schufte weichprügeln. Darüber gibt’s mitunter sägende Effekte und Acid-Keyboards, daß es eine wahre Wonne ist. Einmal ändert sich der Sound: Zum romantischen Kleidungsschlitzen gibt’s natürlich dramatisch-schwelgerisches Piano. Sehr schade, daß nie ein Soundtrack erschienen ist!

So. Schauen wir uns jetzt als nächstes Cirio H. Santiagos TNT JACKSON an – selbe Handlung, schwarze Hauptdarstellerin – oder doch lieber Jillian Kesners nächsten Film, KUNG FU CANNIBALS? Hmm …

Nackte Fäuste – Die tödliche Karatelady (Philippinen 1981)
Originaltitel: Firecracker
Alternativtitel: Naked Fist / Harte Fäuste – Naked Fist / Gnadenlose Hetzjagd
Regie: Cirio H. Santiago
Drehbuch: Ken Metcalfe & Cirio H. Santiago
Musik: Nonong Buencamino
Darsteller: Jillian Kesner, Darby Hinton, „Raymond King“ (= Rey Malonzo), Ken Metcalfe

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, handelte von einem Schriftsteller, der eine junge Frau entführt, weil er sie als Inspiration für sein Buch braucht. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, unter anderem für Film & TV Kamera, Celluloid, GMX, den All-Music Guide, 35 Millimeter, Neon Zombie und Salzburger Nachrichten. Er hält Vorträge zu Filmthemen und kuratierte 2014 an der Universität Salzburg eine Filmreihe zum Thema "Erster Weltkrieg".





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