[Film] Angriff ist die beste Verteidigung (1984)

Uncategorized / 13. September 2012

Hier haben wir einen Film, dessen Hintergrundgeschichte interessanter ist als das Endergebnis – das einen höllisch schlechten Ruf genießt und wie so oft eigentlich gar nicht so schlimm ist, aber auch keinesfalls als rundum gelungen bezeichnet werden kann. 1983 drehte Paramount den Film BEST DEFENSE, eine satirische Komödie rund um die amerikanische Rüstungsindustrie. Die Vorzeichen standen gut: Das Drehbuch stammte von Willard Huyck und Gloria Katz, die unter anderem AMERICAN GRAFFITI geschrieben hatten. Huyck führte Regie, Katz produzierte. Und in der Hauptrolle spielte Dudley Moore, der dank der Komödien ARTHUR – KEIN KIND VON TRAURIGKEIT und 10 – DIE TRAUMFRAU zu Amerikas beliebtesten Komikern zählte. Ein reizvolles Projekt, oder?

Die Testvorführungen des Films riefen eine bodenlos schleche Resonanz hervor, weswegen das Studio sich daran machte, den Film aufzupeppen. Eine Nebenhandlung wurde geschrieben und mit Eddie Murphy als „strategic guest star“ (O-Ton der Werbung!) prominent besetzt – Murphy war damals dank der Fernsehshow SATURDAY NIGHT LIVE und der Komödienhits NUR 48 STUNDEN und DIE GLÜCKSRITTER eine ganz heiße Nummer. Diese neuen Szenen wurden in den fertigen Film hineingeschnitten, aber nachdem Murphy nie auf den restlichen Charaktere trifft, rettete die neue Fassung auch nichts mehr: ANGRIFF IST DIE BESTE VERTEIDIGUNG (wie BEST DEFENSE bei uns hieß) ging wie ein Stein im Wasser unter.

Dabei ist das durch die neuen Szenen entstandene Konzept theoretisch gar nicht uninteressant: Die Dudley-Moore-Handlung dreht sich um einen faulen, inkompetenten Ingenieur namens Wiley Cooper in einer Rüstungsfirma, die an einem neuen Superpanzer für das Militär arbeitet – und aufgrund eines nicht funktionierenden DIP-Kreisels kurz vor dem Ruin steht. Durch Zufall gerät Cooper an die Baupläne für einen funktionierenden Kreisel und wird unverhofft als Held gefeiert – aber dafür auch von einem mörderischen Industriespion gejagt. Außerdem stellt sich heraus, daß mit dem neuen Kreisel der Panzer unter bestimmten Bedingungen explodieren könnte – was den Chef der Firma gar nicht kratzt, weil endlich wieder Gelder heranrollen. Die neu eingefügten Szenen spielen zwei Jahre später in Kuwait, wo Eddie Murphy als Soldat einen ebensolchen Panzer steuert – der also entsprechende Fehlfunktionen aufweisen könnte …

Dafür, daß das Konzept der zwei ineinandergreifenden Zeitlinien erst später hinzugedichtet wurde, ist der Einfall durchaus gelungen eingebaut: Anfangs dienen die Szenen dazu, Witz aus dem Kontrast der Figuren zu ziehen (vor allem mit Murphys aufregendem Liebesleben, dem Coopers eingeschlafene Ehe gegenübergestellt wird). Später wird das Prinzip der zwei Zeitlinien, zwischen denen hin- und hergeschnitten wird, als Spannungselement eingebaut – wir verfolgen Cooper, wie er den Baufehler des Kreisels zu beheben versucht, und gleichzeitig Murphy, der im Falle von Coopers Versagen vor großen Problemen stehen würde. Weil die Handlungen örtlich so klar getrennt sind, ist auch der ständige Wechsel zwischen 1982 und 1984 nicht allzu verwirrend.

Aber natürlich hätte der Ansatz viel mehr hergegeben, wenn er von vornherein Teil des Skripts gewesen wäre. Murphys Szenen fühlen sich doch immer wieder wie draufgeklebt an – was sie natürlich sind – und das liegt unter anderem daran, daß er sonst nichts mit der Handlung oder den Charakteren der Hauptstory zu tun hat, sondern seinen Gastauftritt hauptsächlich damit verbringt, zusammen mit zwei trotteligen kuwaitischen Soldaten in einem Panzer zu sitzen und lustige Sprüche zu klopfen. Sein Part macht insgesamt im Film ungefährt eine Viertelstunde aus, und nicht nur deshalb fühlten sich Kinogänger, die seinen Namen auf dem Plakat gelesen hatten, etwas veralbert. Murphy machte sich später bei SATURDAY NIGHT LIVE über seine Teilnahme an dem Film selber lustig: „What?! How dare you give me a script like this! Oh, THAT much money? Let’s go!“

Es wäre somit interessant, den Film in seiner ursprünglichen Fassung zu sehen, ohne die Murphy-Szenen (aber dafür wohl mit einer etwas ausführlicheren Haupthandlung). Was hier davon überbleibt, ist streckenweise amüsant, aber teilweise dann auch haarsträubend albern – wie zum Beispiel eine komplett unglaubwürdige Szene, in der das FBI Cooper überwacht, um ihn zu beschützen, und dann diverse Polizisten aus fremden Ländern in die Zentrale hereinkommen, um die Arbeit der Amerikaner zu begutachten (womit sie die FBI-Agenten natürlich so sehr ablenken, daß die kaum mitgekriegen, daß gerade auf Cooper geschossen wird). Auch die Konstruktion ist holprig: Eigentlich wirkt die Konfrontation mit dem Industriespion wie der intendierte Höhepunkt der Story, aber danach wird plötzlich der Konstruktionsfehler des neuen Kreisels als Plotelement eingeworfen – woraufhin der neue Handlungsstrang beginnt, in dem Cooper seinen Boß davon überzeugen muß, daß der Kreisel nicht verwendet werden darf.

Immerhin darf man einer gut gelaunten Besetzung zusehen – auch wenn Dudley Moore und Eddie Murphy irgendwann ihren Charme abgenutzt haben und nurmehr hysterisch herumschreien. Neben den beiden sind Charakterdarsteller wie George Dzundza und Peter Michael Goetz zu sehen; Coopers Frau wird von der späteren Mrs. Spielberg Kate Capshaw gespielt (die an einer Stelle das Indy-Thema vor sich hinsummt – Huyck und Katz haben auch das Skript zu INDIANA JONES AND THE TEMPLE OF DOOM geschrieben!). Am vergnüglichsten spielen Tom Noonan als gruselig verspulter eigentlicher Erfinder des DIP-Kreisels sowie David Rasche (SLEDGEHAMMER!) als Industriespion und Killer, der Cooper davon überzeugen will, daß er privat eigentlich ein sehr netter Kerl ist.

Ein solcher Totalausfall, wie es diverse Kritiken und die momentane IMDB-Durchschnittswertung von 3,3 glauben lassen, ist ANGRIFF IST DIE BESTE VERTEIDIGUNG bei weitem nicht. Gerade im ersten Teil trägt Dudley Moore als resignierter Verlierertyp viel der Handlung, die auch mit einigen witzigen Einfällen aufwarten kann (wie zum Beispiel die Tatsache, daß in mehreren Restaurants immer nur Burt-Bacharach-Songs in der Landessprache gesungen werden). Aber wie der DIP-Kreisel der Handlung zerlegt sich der Film dann irgendwann selbst – auch wenn es bei solchen vom Studio heftigst operierten Frankensteinen-Filmen immer zu einem gewissen Grad interessant bleibt, die Einzelteile auseinanderzunehmen und zu mutmaßen, wie der Streifen anders hätte aussehen können.

Nicht uninteressant sind übrigens auch diverse Parallelen zu einer anderen Satire über die Rüstungsindustrie aus derselben Zeit: DAS BOMBENGESCHÄFT von William Friedkin, der ebenfalls mit SNL-Star aufgezogen wurde und ebenso vom Studio zersägt wurde. Und wo wir gerade bei Filmen mit schlechtem Ruf sind: Huyck und Katz wagten sich zwei Jahre später zusammen mit George Lucas an HOWARD THE DUCK. Aber den knöpfen wir uns ein anderes Mal vor.



Angriff ist die beste Verteidigung (USA 1984)
Originaltitel: Best Defense / Best Defence
Regie: Willard Huyck
Buch: Willard Huyck, Gloria Katz
Darsteller: Dudley Moore, Eddie Murphy, Kate Capshaw, Helen Shaver, George Dzundza, Peter Michael Goetz, Tom Noonan, David Rasche
Länge: 90 Minuten
FSK: 16

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, handelte von einem Schriftsteller, der eine junge Frau entführt, weil er sie als Inspiration für sein Buch braucht. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, unter anderem für Film & TV Kamera, Celluloid, GMX, den All-Music Guide, 35 Millimeter, Neon Zombie und Salzburger Nachrichten. Er hält Vorträge zu Filmthemen und kuratierte 2014 an der Universität Salzburg eine Filmreihe zum Thema "Erster Weltkrieg".





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